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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Peire durch zwölf Strophen hindurch, um endlich in der letzten aus den
Trümmern zerbrochener Ehrensäulen den Bau des eigenen Ruhmes desto
stolzer emporsteigen zu lassen.


"Peire von Auvergne an Stimme reich
Weiß hoch und tief zu singen gleich
Und süß sein Lied der Brust entweht.
Des höchsten Ruhmes Preis ist sein,
Nur könnt' er etwas klarer sein,
Da jetzt kaum einer ihn versteht."

Unter dem scheinbaren Vorwurfe der Unklarheit liegt nur noch größeres
Selbstlob verborgen, denn die schwerverständliche Dichtart galt für ein Zeichen
höchster Begabung und nur dieser verdankte z. B. auch Arnaud Daniel den
ihm auch von Dante zuerkannten Ehrenplatz unter allen Trobadors. Die
letzte selbstgefällige Strophe Peire's ist übrigens einem eigenthümlichen Ver-
hängniß anheimgefallen, indem von einem witzigen Abschreiber die ersten
Zeilen der Strophen in nichts weniger als schmeichelhafter Weise umgestaltet
sind. "Peire von Auvergne -- heißt es nun -- hat eine Stimme, daß er
singt wie ein Frosch im Sumpfe, und er erhebt sich selbst vor aller Welt."
Uebrigens galt Peire für einen bedeutenden Dichter und sein überhoch
geschraubtes Selbstbewußtsein mochte verzeihlich erscheinen. Die alten Lebens¬
nachrichten nennen ihn "den besten Trobador der Welt, bis Guiraut von
Barren kam", und Nostradamus erzählt, er habe bei den Damen so sehr in
Gunst gestanden, daß ihm das süße Vorrecht geworden, nach jedem Gesänge
die schönste aus ihrem Kreise küssen zu dürfen. -- Dem mitgetheilten satiri¬
schen Rügelied Peire's schloß sich der Mönch von Montaudon in würdigster
Weise an. "Peire der Auvergnate -- heißt es in einem seiner Gedichte --
trägt sein Gewand schon 30 Jahre. Er ist dürrer wie Brennholz und sein
Gesang wird immer schlechter. Seit er sich zu Clermont mit einer Dirne
einließ, hat er kein gutes Lied mehr gedichtet." "Arnaud Daniel hat sein
Leben lang nichts Gutes zu Stande gebracht, sondern nur verwirrtes Zeug,
welches kein Mensch versteht." Folquet von Marseille, den heiteren Tro-
bador, späteren Bischof von Toulouse und grausamen Ketzerverfolger nennt
der Mönch nach dem Gewerbe seines Vaters einen Krämer und sagt, er
habe einen tollen Eid geschworen, keine Lieder mehr zu dichten, werde ihn
aber gewiß nicht halten. Den bittersten Spott jedoch gießt unser Dichter
über einen Trobador aus. dessen fast an Wahnsinn grenzende Selbstüber-
Hebung der Satire allerdings den günstigsten Spielraum gewährte. Peire
Vidal. Dieser war der Sohn eines Kürschners, doch durch seinen Gesang
weit berühmt. Er glaubte den Frauen gegenüber unwiderstehlich zu sein,


Grenjboten II. 1869. 7

Peire durch zwölf Strophen hindurch, um endlich in der letzten aus den
Trümmern zerbrochener Ehrensäulen den Bau des eigenen Ruhmes desto
stolzer emporsteigen zu lassen.


„Peire von Auvergne an Stimme reich
Weiß hoch und tief zu singen gleich
Und süß sein Lied der Brust entweht.
Des höchsten Ruhmes Preis ist sein,
Nur könnt' er etwas klarer sein,
Da jetzt kaum einer ihn versteht."

Unter dem scheinbaren Vorwurfe der Unklarheit liegt nur noch größeres
Selbstlob verborgen, denn die schwerverständliche Dichtart galt für ein Zeichen
höchster Begabung und nur dieser verdankte z. B. auch Arnaud Daniel den
ihm auch von Dante zuerkannten Ehrenplatz unter allen Trobadors. Die
letzte selbstgefällige Strophe Peire's ist übrigens einem eigenthümlichen Ver-
hängniß anheimgefallen, indem von einem witzigen Abschreiber die ersten
Zeilen der Strophen in nichts weniger als schmeichelhafter Weise umgestaltet
sind. „Peire von Auvergne — heißt es nun — hat eine Stimme, daß er
singt wie ein Frosch im Sumpfe, und er erhebt sich selbst vor aller Welt."
Uebrigens galt Peire für einen bedeutenden Dichter und sein überhoch
geschraubtes Selbstbewußtsein mochte verzeihlich erscheinen. Die alten Lebens¬
nachrichten nennen ihn „den besten Trobador der Welt, bis Guiraut von
Barren kam", und Nostradamus erzählt, er habe bei den Damen so sehr in
Gunst gestanden, daß ihm das süße Vorrecht geworden, nach jedem Gesänge
die schönste aus ihrem Kreise küssen zu dürfen. — Dem mitgetheilten satiri¬
schen Rügelied Peire's schloß sich der Mönch von Montaudon in würdigster
Weise an. „Peire der Auvergnate — heißt es in einem seiner Gedichte —
trägt sein Gewand schon 30 Jahre. Er ist dürrer wie Brennholz und sein
Gesang wird immer schlechter. Seit er sich zu Clermont mit einer Dirne
einließ, hat er kein gutes Lied mehr gedichtet." „Arnaud Daniel hat sein
Leben lang nichts Gutes zu Stande gebracht, sondern nur verwirrtes Zeug,
welches kein Mensch versteht." Folquet von Marseille, den heiteren Tro-
bador, späteren Bischof von Toulouse und grausamen Ketzerverfolger nennt
der Mönch nach dem Gewerbe seines Vaters einen Krämer und sagt, er
habe einen tollen Eid geschworen, keine Lieder mehr zu dichten, werde ihn
aber gewiß nicht halten. Den bittersten Spott jedoch gießt unser Dichter
über einen Trobador aus. dessen fast an Wahnsinn grenzende Selbstüber-
Hebung der Satire allerdings den günstigsten Spielraum gewährte. Peire
Vidal. Dieser war der Sohn eines Kürschners, doch durch seinen Gesang
weit berühmt. Er glaubte den Frauen gegenüber unwiderstehlich zu sein,


Grenjboten II. 1869. 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/57>, abgerufen am 24.07.2024.