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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Oestreich übertrug. Am 17. Juni 1839 wies die Pforte den Fürsten an.
die beiden Mächte als Schutzmächte der Gemeinde anzuerkennen, doch weigerte
sich derselbe mehrere Jahre lang, bis endlich ein dritter Fernau vom 23. Sep¬
tember 1841 seiner Opposition ein Ende machte. Aber auch in der Gemeinde
wollte ein Theil das katholische Oestreich nicht als Schutzmacht anerkennen,
und sich wenn Preußen sich nicht von Oestreich trenne, lieber unter englischen
Schutz begeben. Namentlich erregte aus den zwischen Berlin und Wien ver¬
handelten Statuten der östreichische Vorschlag großes Bedenken, daß nur
preußische oder östreichische Unterthanen Gemeindevorsteher werden dürsten. Es
waren zur Zeit wenig wählbare Preußen da. man fürchtete deshalb einen rein
östreichischen Gemeindevorstand und wies darauf hin, daß Oestreich in Bukarest
zwölf Corporale halten würde, die jeden mißliebigen östreichischen Unterthan
sofort über die Grenze brächten. Leider war der damalige preußische Consul
ein griechisch-orientalischer Kaufmann, Sakelario, der in der Gemeinde natür¬
lich keinen Einfluß hatte. Deutsche aus anderen Staaten standen zum Theil
unter englischem oder russischem Schutz. Da man so nicht vorwärts kam.
übertrug die preußische Regierung 1841 die Sache dem Consul in der Mol¬
dau, dem durch seine literarische Thätigkeit bekannten Neigebaur. Erst im
Jahre 1844 einigte sich die Gemeinde mit den Schutzmächten über die jetzt
noch geltenden Statuten, wonach ihr die möglichste Autonomie gewahrt wird.
Sie verwaltet danach ihre Angelegenheiten durch zehn auf drei Jahre ge¬
wählte Kirchenvorsteher, die jährlich den Schutzconsulaten Rechnung zu legen
haben. Den Pfarrer wählt die Gemeinde auf den Vorschlag der Vorsteher,
diese ordnen die Bedingungen der Anstellung, während die Consulate die
Vocation bestätigen. Nur wenn die Gemeinde sich über die drei Kandidaten
nicht einigen kann, oder acht Monate nach dem Abgang eines Pfarrers zu
keiner Neuwahl schreitet, tritt ein Ernennungsrecht der Consuln ein. die Ab¬
setzung ist nur von ihnen abhängig und zwar nur wegen Vergehen, die den
Pastor eines geistlichen Amtes überhaupt unwürdig machen. Ursprünglich war
bestimmt worden, daß das Stimmrecht in der Gemeindevon einem jährlichen
Beitrage von 10 Zwanzigern an die Kirche abhängig sein sollte, da aber
manche Gemeindemitglieder, die zu große Höhe dieses Ansatzes vorschützend,
die Beisteuer verweigerten und wiederum die Besorgnis? entstand, daß die
hohe Steuer den vermöglicheren Siebenbürgen ein zu großes Uebergewicht geben
würde, setzte man den Beitrag auf 7 Zwanziger herab, eine für die Preise
des Landes nicht bedeutende Summe. Unter den ersten zehn Vorstehern sind
nicht weniger als vier Doctoren und ein Professor. -- Jetzt erst wurden der
Gemeinde die in Berlin und Petersburg eingesammelten Collectengelder im
Betrage von etwa 6000 Thlr. ausgezahlt.

Zu den Streitigkeiten und Aergernissen, an denen es auch in der neuesten


Oestreich übertrug. Am 17. Juni 1839 wies die Pforte den Fürsten an.
die beiden Mächte als Schutzmächte der Gemeinde anzuerkennen, doch weigerte
sich derselbe mehrere Jahre lang, bis endlich ein dritter Fernau vom 23. Sep¬
tember 1841 seiner Opposition ein Ende machte. Aber auch in der Gemeinde
wollte ein Theil das katholische Oestreich nicht als Schutzmacht anerkennen,
und sich wenn Preußen sich nicht von Oestreich trenne, lieber unter englischen
Schutz begeben. Namentlich erregte aus den zwischen Berlin und Wien ver¬
handelten Statuten der östreichische Vorschlag großes Bedenken, daß nur
preußische oder östreichische Unterthanen Gemeindevorsteher werden dürsten. Es
waren zur Zeit wenig wählbare Preußen da. man fürchtete deshalb einen rein
östreichischen Gemeindevorstand und wies darauf hin, daß Oestreich in Bukarest
zwölf Corporale halten würde, die jeden mißliebigen östreichischen Unterthan
sofort über die Grenze brächten. Leider war der damalige preußische Consul
ein griechisch-orientalischer Kaufmann, Sakelario, der in der Gemeinde natür¬
lich keinen Einfluß hatte. Deutsche aus anderen Staaten standen zum Theil
unter englischem oder russischem Schutz. Da man so nicht vorwärts kam.
übertrug die preußische Regierung 1841 die Sache dem Consul in der Mol¬
dau, dem durch seine literarische Thätigkeit bekannten Neigebaur. Erst im
Jahre 1844 einigte sich die Gemeinde mit den Schutzmächten über die jetzt
noch geltenden Statuten, wonach ihr die möglichste Autonomie gewahrt wird.
Sie verwaltet danach ihre Angelegenheiten durch zehn auf drei Jahre ge¬
wählte Kirchenvorsteher, die jährlich den Schutzconsulaten Rechnung zu legen
haben. Den Pfarrer wählt die Gemeinde auf den Vorschlag der Vorsteher,
diese ordnen die Bedingungen der Anstellung, während die Consulate die
Vocation bestätigen. Nur wenn die Gemeinde sich über die drei Kandidaten
nicht einigen kann, oder acht Monate nach dem Abgang eines Pfarrers zu
keiner Neuwahl schreitet, tritt ein Ernennungsrecht der Consuln ein. die Ab¬
setzung ist nur von ihnen abhängig und zwar nur wegen Vergehen, die den
Pastor eines geistlichen Amtes überhaupt unwürdig machen. Ursprünglich war
bestimmt worden, daß das Stimmrecht in der Gemeindevon einem jährlichen
Beitrage von 10 Zwanzigern an die Kirche abhängig sein sollte, da aber
manche Gemeindemitglieder, die zu große Höhe dieses Ansatzes vorschützend,
die Beisteuer verweigerten und wiederum die Besorgnis? entstand, daß die
hohe Steuer den vermöglicheren Siebenbürgen ein zu großes Uebergewicht geben
würde, setzte man den Beitrag auf 7 Zwanziger herab, eine für die Preise
des Landes nicht bedeutende Summe. Unter den ersten zehn Vorstehern sind
nicht weniger als vier Doctoren und ein Professor. — Jetzt erst wurden der
Gemeinde die in Berlin und Petersburg eingesammelten Collectengelder im
Betrage von etwa 6000 Thlr. ausgezahlt.

Zu den Streitigkeiten und Aergernissen, an denen es auch in der neuesten


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[0520] Oestreich übertrug. Am 17. Juni 1839 wies die Pforte den Fürsten an. die beiden Mächte als Schutzmächte der Gemeinde anzuerkennen, doch weigerte sich derselbe mehrere Jahre lang, bis endlich ein dritter Fernau vom 23. Sep¬ tember 1841 seiner Opposition ein Ende machte. Aber auch in der Gemeinde wollte ein Theil das katholische Oestreich nicht als Schutzmacht anerkennen, und sich wenn Preußen sich nicht von Oestreich trenne, lieber unter englischen Schutz begeben. Namentlich erregte aus den zwischen Berlin und Wien ver¬ handelten Statuten der östreichische Vorschlag großes Bedenken, daß nur preußische oder östreichische Unterthanen Gemeindevorsteher werden dürsten. Es waren zur Zeit wenig wählbare Preußen da. man fürchtete deshalb einen rein östreichischen Gemeindevorstand und wies darauf hin, daß Oestreich in Bukarest zwölf Corporale halten würde, die jeden mißliebigen östreichischen Unterthan sofort über die Grenze brächten. Leider war der damalige preußische Consul ein griechisch-orientalischer Kaufmann, Sakelario, der in der Gemeinde natür¬ lich keinen Einfluß hatte. Deutsche aus anderen Staaten standen zum Theil unter englischem oder russischem Schutz. Da man so nicht vorwärts kam. übertrug die preußische Regierung 1841 die Sache dem Consul in der Mol¬ dau, dem durch seine literarische Thätigkeit bekannten Neigebaur. Erst im Jahre 1844 einigte sich die Gemeinde mit den Schutzmächten über die jetzt noch geltenden Statuten, wonach ihr die möglichste Autonomie gewahrt wird. Sie verwaltet danach ihre Angelegenheiten durch zehn auf drei Jahre ge¬ wählte Kirchenvorsteher, die jährlich den Schutzconsulaten Rechnung zu legen haben. Den Pfarrer wählt die Gemeinde auf den Vorschlag der Vorsteher, diese ordnen die Bedingungen der Anstellung, während die Consulate die Vocation bestätigen. Nur wenn die Gemeinde sich über die drei Kandidaten nicht einigen kann, oder acht Monate nach dem Abgang eines Pfarrers zu keiner Neuwahl schreitet, tritt ein Ernennungsrecht der Consuln ein. die Ab¬ setzung ist nur von ihnen abhängig und zwar nur wegen Vergehen, die den Pastor eines geistlichen Amtes überhaupt unwürdig machen. Ursprünglich war bestimmt worden, daß das Stimmrecht in der Gemeindevon einem jährlichen Beitrage von 10 Zwanzigern an die Kirche abhängig sein sollte, da aber manche Gemeindemitglieder, die zu große Höhe dieses Ansatzes vorschützend, die Beisteuer verweigerten und wiederum die Besorgnis? entstand, daß die hohe Steuer den vermöglicheren Siebenbürgen ein zu großes Uebergewicht geben würde, setzte man den Beitrag auf 7 Zwanziger herab, eine für die Preise des Landes nicht bedeutende Summe. Unter den ersten zehn Vorstehern sind nicht weniger als vier Doctoren und ein Professor. — Jetzt erst wurden der Gemeinde die in Berlin und Petersburg eingesammelten Collectengelder im Betrage von etwa 6000 Thlr. ausgezahlt. Zu den Streitigkeiten und Aergernissen, an denen es auch in der neuesten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/520>, abgerufen am 24.07.2024.