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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Welfenpolitik in der Presse vertrat, dann kurze Zeit nach der Katastrophe
des Jahres 1866 im Preßbureau des Generalgouverneurs thätig war und
endlich am "Altonaer Merkur" ein Unterkommen fand. Von Akkon" ver¬
schrieb man ihn nach Kiel. Sollte der Mann uns wirklich eine tüchtige
Provinzialzeitung schaffen können? Und wenn er das Unmögliche leistete,
wann und wo werden sich die Kräfte finden, die eine tüchtige Zeitung
dauernd unterstützen, wo wird das Publieum sein, das sie liest?




Pariser "Korrespondenz.

So aufgeregte Wochen wie die letzt vergangenen hat Paris nicht erlebt,
seitdem das eiserne Scepter des dritten Napoleon alles öffentliche Leben
niedergeschlagen, das freie Wort ertödtet hatte. Die Wahlen zum Oorps
I^ZiLlÄtik haben gezeigt, daß in dem großen, scheinbar erstarrten Körper eine
dumpfe Währung herrschte, eine um so schlimmere, als sie sich auf keine Weise
Luft machen konnte. Zwar sind wir weit davon entfernt, die Hoffnungen
sanguinischer Republikaner oder die Befürchtungen ängstlicher Bürger zu
theilen, die sich am Vorabend einer großen politischen und socialen Revolu¬
tion wähnen; daß aber die letzten Ereignisse mehr zu fürchten als zu hoffen
geben, das kann nicht geleugnet werden.

Schon lange war die Wahlcampagne eingeleitet, schon lange fingen die
Parteien an sich scharf zu zeichnen, und man konnte ahnen, wie heftig der
Kampf werden würde. Im vorigen Sommer bereits erschien das Buch von
Eug. Te'not. einem Mitarbeiter des "Siecle", über den Staatsstreich vom
2. December, das über die Vorgänge des grauenvollen Togs, über die Hal¬
tung der Provinz namentlich viel Neues und Interessantes brachte. Un¬
mittelbar daran schloß sich die Sammlung für Baudin's Denkmal, und bei
dieser Gelegenheit wurde der junge feurige Advocat Gambetta (den eben erst der
Herzog von Persigny als besonders gefährlich hinstellte), den Parisern durch
seine glänzende Rede bekannt. Denn man darf nicht vergessen, wie viel
empfänglicher als wir unsere westlichen Nachbarn für die Gewalt des Wortes
sind; wer von den diesjährigen Candidaten nicht ein bedeutendes Redner¬
talent besaß, der hatte einen schweren Stand seinen Zuhörern gegenüber, und
eine bei den förmlichen dialectischer Tournieren, welche bei den Wahlversamm-


Welfenpolitik in der Presse vertrat, dann kurze Zeit nach der Katastrophe
des Jahres 1866 im Preßbureau des Generalgouverneurs thätig war und
endlich am „Altonaer Merkur" ein Unterkommen fand. Von Akkon« ver¬
schrieb man ihn nach Kiel. Sollte der Mann uns wirklich eine tüchtige
Provinzialzeitung schaffen können? Und wenn er das Unmögliche leistete,
wann und wo werden sich die Kräfte finden, die eine tüchtige Zeitung
dauernd unterstützen, wo wird das Publieum sein, das sie liest?




Pariser «Korrespondenz.

So aufgeregte Wochen wie die letzt vergangenen hat Paris nicht erlebt,
seitdem das eiserne Scepter des dritten Napoleon alles öffentliche Leben
niedergeschlagen, das freie Wort ertödtet hatte. Die Wahlen zum Oorps
I^ZiLlÄtik haben gezeigt, daß in dem großen, scheinbar erstarrten Körper eine
dumpfe Währung herrschte, eine um so schlimmere, als sie sich auf keine Weise
Luft machen konnte. Zwar sind wir weit davon entfernt, die Hoffnungen
sanguinischer Republikaner oder die Befürchtungen ängstlicher Bürger zu
theilen, die sich am Vorabend einer großen politischen und socialen Revolu¬
tion wähnen; daß aber die letzten Ereignisse mehr zu fürchten als zu hoffen
geben, das kann nicht geleugnet werden.

Schon lange war die Wahlcampagne eingeleitet, schon lange fingen die
Parteien an sich scharf zu zeichnen, und man konnte ahnen, wie heftig der
Kampf werden würde. Im vorigen Sommer bereits erschien das Buch von
Eug. Te'not. einem Mitarbeiter des „Siecle", über den Staatsstreich vom
2. December, das über die Vorgänge des grauenvollen Togs, über die Hal¬
tung der Provinz namentlich viel Neues und Interessantes brachte. Un¬
mittelbar daran schloß sich die Sammlung für Baudin's Denkmal, und bei
dieser Gelegenheit wurde der junge feurige Advocat Gambetta (den eben erst der
Herzog von Persigny als besonders gefährlich hinstellte), den Parisern durch
seine glänzende Rede bekannt. Denn man darf nicht vergessen, wie viel
empfänglicher als wir unsere westlichen Nachbarn für die Gewalt des Wortes
sind; wer von den diesjährigen Candidaten nicht ein bedeutendes Redner¬
talent besaß, der hatte einen schweren Stand seinen Zuhörern gegenüber, und
eine bei den förmlichen dialectischer Tournieren, welche bei den Wahlversamm-


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[0506] Welfenpolitik in der Presse vertrat, dann kurze Zeit nach der Katastrophe des Jahres 1866 im Preßbureau des Generalgouverneurs thätig war und endlich am „Altonaer Merkur" ein Unterkommen fand. Von Akkon« ver¬ schrieb man ihn nach Kiel. Sollte der Mann uns wirklich eine tüchtige Provinzialzeitung schaffen können? Und wenn er das Unmögliche leistete, wann und wo werden sich die Kräfte finden, die eine tüchtige Zeitung dauernd unterstützen, wo wird das Publieum sein, das sie liest? Pariser «Korrespondenz. So aufgeregte Wochen wie die letzt vergangenen hat Paris nicht erlebt, seitdem das eiserne Scepter des dritten Napoleon alles öffentliche Leben niedergeschlagen, das freie Wort ertödtet hatte. Die Wahlen zum Oorps I^ZiLlÄtik haben gezeigt, daß in dem großen, scheinbar erstarrten Körper eine dumpfe Währung herrschte, eine um so schlimmere, als sie sich auf keine Weise Luft machen konnte. Zwar sind wir weit davon entfernt, die Hoffnungen sanguinischer Republikaner oder die Befürchtungen ängstlicher Bürger zu theilen, die sich am Vorabend einer großen politischen und socialen Revolu¬ tion wähnen; daß aber die letzten Ereignisse mehr zu fürchten als zu hoffen geben, das kann nicht geleugnet werden. Schon lange war die Wahlcampagne eingeleitet, schon lange fingen die Parteien an sich scharf zu zeichnen, und man konnte ahnen, wie heftig der Kampf werden würde. Im vorigen Sommer bereits erschien das Buch von Eug. Te'not. einem Mitarbeiter des „Siecle", über den Staatsstreich vom 2. December, das über die Vorgänge des grauenvollen Togs, über die Hal¬ tung der Provinz namentlich viel Neues und Interessantes brachte. Un¬ mittelbar daran schloß sich die Sammlung für Baudin's Denkmal, und bei dieser Gelegenheit wurde der junge feurige Advocat Gambetta (den eben erst der Herzog von Persigny als besonders gefährlich hinstellte), den Parisern durch seine glänzende Rede bekannt. Denn man darf nicht vergessen, wie viel empfänglicher als wir unsere westlichen Nachbarn für die Gewalt des Wortes sind; wer von den diesjährigen Candidaten nicht ein bedeutendes Redner¬ talent besaß, der hatte einen schweren Stand seinen Zuhörern gegenüber, und eine bei den förmlichen dialectischer Tournieren, welche bei den Wahlversamm-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/506>, abgerufen am 24.07.2024.