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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Wagen eine sehr ungünstige, wir dürfen annehmen, daß diese Schwierigkeit
durch eine andere aufgehoben wurde, durch das Mele stürzender Wagen und
Rosse, durch den Aufenthalt und die unvermeidlichen Umwege der Glück¬
licheren.

Selbstverständlich betheiligten sich nicht an jedem Renntage und Rennen
sämmtliche Parteien. Zwar ruhte die ganze Organisation der Feste bis in
die Byzantinerzeit auf ihrer Vierzahl, aber Feindschaft der Festgeber, Zwist
der Parteien, schlechte Finanzlage eines Clubs, Unfälle der Rosse und Jockey's,
oder gar Haß der Kaiser mußten einmal die Zahl- der rennenden Parteien
vermindern, dann rannte von den Uebrigen eine größere Wagenzahl. Nur
zweimal werden Fälle erwähnt, wo die rennenden Clubs je vier Wagen
zu demselben Rennen stellten.

Außerdem gab es Rennen, welche besonders ausgezeichnet wurden.
Zunächst das erste Rennen nach der Procession, es stellte auch den Kutschern
und Pferden die stärkste Zumuthung, wenn sie nämlich selbst stundenlang dem
ermüdenden Zuge der Procession als Theilnehmer ausgesetzt waren, was wir
nicht sicher wissen. Noch größere Ehre hatten heilige Rennen an hohen
Gedächtnißtagen des Staates, welche in längeren Zeiträumen wiederkehrten.
In besonderem Rennen liefen zuweilen Rennpferde, welche die Bahn noch
nicht betreten hatten (novi) im Mergespann, und außerdem nicht trainirte
Pferde (anaMnes), ähnlich wie bei uns. Auch die Kutscher erwiesen ihre Kunst
in besonderem Nennen ohne Peitsche, mit erschwerender Anschirrung der Pferde,
so daß z. B. im Sechsgespann die Pferde ohne Joch nur mit Riemen an ein¬
ander gebunden waren. Im Uebrigen muß man festhalten, daß die römische
Rennbahn den Trab und andere gemäßigte Gangarten nicht kannte, sondern
nur den vollen Carrierelauf, und zwar den der edelsten Pferde aus der
ganzen bekannten Welt. Die Beschreibungen stimmen darin überein, daß,
dem einzelnen Zuschauer das Detail des Anblicks sich windschnell entzog, um
ebenso plötzlich wiederzukehren.

Die verschiedenen Operationen des Jockey's, durch welche der Sieg ge¬
wonnen werden konnre, wurden im römischen Sport durch besondere Redens¬
arten bezeichnet. Der Wagenlenker Diokles hat in dem Denkstein, welchen
er sich um 148 n. Chr. setzte, nicht nur genau bemerkt, wie oft er den Sieg
gewonnen habe, wenn er aus. dem ungünstigen vierten und dritten Thor
rannte, die am weitesten von der innern Bahn entfernt waren; er hat
auch den Verlauf seiner Rennen verzeichnet, ob er gleich von Anfang die
Führung nahm (815mal unter 1462 Siegern, dies war also der häufigste
Sieg), ob er die Führung überließ (67mal), ob er Vorsprung gab (36mal),
und verschiedene andere Weisen (42 mal).

Die Zahl der Unfälle muß bei den Wagenrennen groß und der Fall


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Wagen eine sehr ungünstige, wir dürfen annehmen, daß diese Schwierigkeit
durch eine andere aufgehoben wurde, durch das Mele stürzender Wagen und
Rosse, durch den Aufenthalt und die unvermeidlichen Umwege der Glück¬
licheren.

Selbstverständlich betheiligten sich nicht an jedem Renntage und Rennen
sämmtliche Parteien. Zwar ruhte die ganze Organisation der Feste bis in
die Byzantinerzeit auf ihrer Vierzahl, aber Feindschaft der Festgeber, Zwist
der Parteien, schlechte Finanzlage eines Clubs, Unfälle der Rosse und Jockey's,
oder gar Haß der Kaiser mußten einmal die Zahl- der rennenden Parteien
vermindern, dann rannte von den Uebrigen eine größere Wagenzahl. Nur
zweimal werden Fälle erwähnt, wo die rennenden Clubs je vier Wagen
zu demselben Rennen stellten.

Außerdem gab es Rennen, welche besonders ausgezeichnet wurden.
Zunächst das erste Rennen nach der Procession, es stellte auch den Kutschern
und Pferden die stärkste Zumuthung, wenn sie nämlich selbst stundenlang dem
ermüdenden Zuge der Procession als Theilnehmer ausgesetzt waren, was wir
nicht sicher wissen. Noch größere Ehre hatten heilige Rennen an hohen
Gedächtnißtagen des Staates, welche in längeren Zeiträumen wiederkehrten.
In besonderem Rennen liefen zuweilen Rennpferde, welche die Bahn noch
nicht betreten hatten (novi) im Mergespann, und außerdem nicht trainirte
Pferde (anaMnes), ähnlich wie bei uns. Auch die Kutscher erwiesen ihre Kunst
in besonderem Nennen ohne Peitsche, mit erschwerender Anschirrung der Pferde,
so daß z. B. im Sechsgespann die Pferde ohne Joch nur mit Riemen an ein¬
ander gebunden waren. Im Uebrigen muß man festhalten, daß die römische
Rennbahn den Trab und andere gemäßigte Gangarten nicht kannte, sondern
nur den vollen Carrierelauf, und zwar den der edelsten Pferde aus der
ganzen bekannten Welt. Die Beschreibungen stimmen darin überein, daß,
dem einzelnen Zuschauer das Detail des Anblicks sich windschnell entzog, um
ebenso plötzlich wiederzukehren.

Die verschiedenen Operationen des Jockey's, durch welche der Sieg ge¬
wonnen werden konnre, wurden im römischen Sport durch besondere Redens¬
arten bezeichnet. Der Wagenlenker Diokles hat in dem Denkstein, welchen
er sich um 148 n. Chr. setzte, nicht nur genau bemerkt, wie oft er den Sieg
gewonnen habe, wenn er aus. dem ungünstigen vierten und dritten Thor
rannte, die am weitesten von der innern Bahn entfernt waren; er hat
auch den Verlauf seiner Rennen verzeichnet, ob er gleich von Anfang die
Führung nahm (815mal unter 1462 Siegern, dies war also der häufigste
Sieg), ob er die Führung überließ (67mal), ob er Vorsprung gab (36mal),
und verschiedene andere Weisen (42 mal).

Die Zahl der Unfälle muß bei den Wagenrennen groß und der Fall


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[0459] Wagen eine sehr ungünstige, wir dürfen annehmen, daß diese Schwierigkeit durch eine andere aufgehoben wurde, durch das Mele stürzender Wagen und Rosse, durch den Aufenthalt und die unvermeidlichen Umwege der Glück¬ licheren. Selbstverständlich betheiligten sich nicht an jedem Renntage und Rennen sämmtliche Parteien. Zwar ruhte die ganze Organisation der Feste bis in die Byzantinerzeit auf ihrer Vierzahl, aber Feindschaft der Festgeber, Zwist der Parteien, schlechte Finanzlage eines Clubs, Unfälle der Rosse und Jockey's, oder gar Haß der Kaiser mußten einmal die Zahl- der rennenden Parteien vermindern, dann rannte von den Uebrigen eine größere Wagenzahl. Nur zweimal werden Fälle erwähnt, wo die rennenden Clubs je vier Wagen zu demselben Rennen stellten. Außerdem gab es Rennen, welche besonders ausgezeichnet wurden. Zunächst das erste Rennen nach der Procession, es stellte auch den Kutschern und Pferden die stärkste Zumuthung, wenn sie nämlich selbst stundenlang dem ermüdenden Zuge der Procession als Theilnehmer ausgesetzt waren, was wir nicht sicher wissen. Noch größere Ehre hatten heilige Rennen an hohen Gedächtnißtagen des Staates, welche in längeren Zeiträumen wiederkehrten. In besonderem Rennen liefen zuweilen Rennpferde, welche die Bahn noch nicht betreten hatten (novi) im Mergespann, und außerdem nicht trainirte Pferde (anaMnes), ähnlich wie bei uns. Auch die Kutscher erwiesen ihre Kunst in besonderem Nennen ohne Peitsche, mit erschwerender Anschirrung der Pferde, so daß z. B. im Sechsgespann die Pferde ohne Joch nur mit Riemen an ein¬ ander gebunden waren. Im Uebrigen muß man festhalten, daß die römische Rennbahn den Trab und andere gemäßigte Gangarten nicht kannte, sondern nur den vollen Carrierelauf, und zwar den der edelsten Pferde aus der ganzen bekannten Welt. Die Beschreibungen stimmen darin überein, daß, dem einzelnen Zuschauer das Detail des Anblicks sich windschnell entzog, um ebenso plötzlich wiederzukehren. Die verschiedenen Operationen des Jockey's, durch welche der Sieg ge¬ wonnen werden konnre, wurden im römischen Sport durch besondere Redens¬ arten bezeichnet. Der Wagenlenker Diokles hat in dem Denkstein, welchen er sich um 148 n. Chr. setzte, nicht nur genau bemerkt, wie oft er den Sieg gewonnen habe, wenn er aus. dem ungünstigen vierten und dritten Thor rannte, die am weitesten von der innern Bahn entfernt waren; er hat auch den Verlauf seiner Rennen verzeichnet, ob er gleich von Anfang die Führung nahm (815mal unter 1462 Siegern, dies war also der häufigste Sieg), ob er die Führung überließ (67mal), ob er Vorsprung gab (36mal), und verschiedene andere Weisen (42 mal). Die Zahl der Unfälle muß bei den Wagenrennen groß und der Fall 57"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/459>, abgerufen am 04.07.2024.