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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Division denkt, so ist ihm das durch die neueste Wendung der italienischen
Politik nicht eben erleichtert worden. Die alt-piemontesische Partei, welche
sich seit der Uebersiedelung Victor Emmanuels nach Florenz in grollender Zurück"
Haltung befunden hatte, ist von dem Grafen Menabrea zu einer Betheiligung
an den Geschäften herangezogen worden, welche ihr Jahrelang versagt geblieben.
Das neugebildete Cabinet von Florenz besteht zur Hälfte aus Führern der
Permanente und gerade die wichtigsten Sitze sind von denselben eingenommen
worden. Darüber, daß das bisherige Cabinet durch den Zutritt der neuen pie-
montesischen Minister an Kraft und Energie gewinnen werde, daß sich von den¬
selben Nom wie Paris gegenüber größere Klarheit und Würde erwarten lasse,
darüber sind die meisten Stimmen einig. Desto zweifelhafter ist es, wie diese
Combination auf die Oppositionspartei, ganz besonders aber auf die südlichen
Provinzen des jungen Staats wirken werde. Der Geist landsmannschaft¬
licher Eifersucht und Mißgunst, an dem die Italiener noch immer kranken,
wird durch diese Verstärkung des nord-italienischen Elements neue Nahrung
gewinnen, der neapolitanische Haß gegen Alles, was von Norden kommt,
geschürt werden. Wie die Dinge einmal liegen, kann es sich aber nur um ein
Mehr oder Minder seit lange vorhandener Gegensätze handeln, und wenn
Herr Ferrari sein auf Ersparnisse gerichtetes Programm durchführt, die Armee
reducirt und gleichzeitig der Würde des Staats Frankreich gegenüber nichts
vergiebt, so ist der Gewinn, den das neue Ministerium der italienischen
Sache bringt, ungleich größer als der Verlust. Es handelt sich darum, eine
Zeit des Uebergangs und des nothwendigen Verzichts auf weiter gehende
Pläne richtig zu nutzen, und das kann nicht besser geschehen als durch Er¬
holung und Kräftigung der zerrütteten Finanzen. -- Da Menabrea im Amt
geblieben ist. kommt eine veränderte Stellung des florentiner Cabinets zu
Preußen und Norddeutschland zunächst nicht in Frage. Graf Brassier de
Se. Simon hat vor einigen Tagen sein neues Amt angetreten, und soll der
doppelten Aufgabe gerecht werden, das Werk Usedoms fortzuführen und den
Boden wieder zu gewinnen, der seit der Abberufung dieses Diplomaten wenn
nicht verloren gegangen, so doch aufgegeben gewesen ist. -- Die guten Be¬
ziehungen Italiens zu Oestreich sind während des abgelaufenen Monats die¬
selben geblieben, wenn die Gerüchte von einer förmlichen entends zwischen
beiden Staaten sich auch nicht bewahrheitet haben. Die Ermordung des
k. k. General-Consul Jnghirami zu Livorno und das gleichzeitige Attentat
auf den früheren Commandanten der östreichischen Besatzungsarmee, Grafen
Crenneville sind Acte der Privatrache und ohne internationale Bedeutung,
zumal der Graf schon vor einiger Zeit seitens der florentiner Regierung ge¬
warnt worden war.

Indessen die Parlamente von Florenz, London und Berlin ihre während


Division denkt, so ist ihm das durch die neueste Wendung der italienischen
Politik nicht eben erleichtert worden. Die alt-piemontesische Partei, welche
sich seit der Uebersiedelung Victor Emmanuels nach Florenz in grollender Zurück"
Haltung befunden hatte, ist von dem Grafen Menabrea zu einer Betheiligung
an den Geschäften herangezogen worden, welche ihr Jahrelang versagt geblieben.
Das neugebildete Cabinet von Florenz besteht zur Hälfte aus Führern der
Permanente und gerade die wichtigsten Sitze sind von denselben eingenommen
worden. Darüber, daß das bisherige Cabinet durch den Zutritt der neuen pie-
montesischen Minister an Kraft und Energie gewinnen werde, daß sich von den¬
selben Nom wie Paris gegenüber größere Klarheit und Würde erwarten lasse,
darüber sind die meisten Stimmen einig. Desto zweifelhafter ist es, wie diese
Combination auf die Oppositionspartei, ganz besonders aber auf die südlichen
Provinzen des jungen Staats wirken werde. Der Geist landsmannschaft¬
licher Eifersucht und Mißgunst, an dem die Italiener noch immer kranken,
wird durch diese Verstärkung des nord-italienischen Elements neue Nahrung
gewinnen, der neapolitanische Haß gegen Alles, was von Norden kommt,
geschürt werden. Wie die Dinge einmal liegen, kann es sich aber nur um ein
Mehr oder Minder seit lange vorhandener Gegensätze handeln, und wenn
Herr Ferrari sein auf Ersparnisse gerichtetes Programm durchführt, die Armee
reducirt und gleichzeitig der Würde des Staats Frankreich gegenüber nichts
vergiebt, so ist der Gewinn, den das neue Ministerium der italienischen
Sache bringt, ungleich größer als der Verlust. Es handelt sich darum, eine
Zeit des Uebergangs und des nothwendigen Verzichts auf weiter gehende
Pläne richtig zu nutzen, und das kann nicht besser geschehen als durch Er¬
holung und Kräftigung der zerrütteten Finanzen. — Da Menabrea im Amt
geblieben ist. kommt eine veränderte Stellung des florentiner Cabinets zu
Preußen und Norddeutschland zunächst nicht in Frage. Graf Brassier de
Se. Simon hat vor einigen Tagen sein neues Amt angetreten, und soll der
doppelten Aufgabe gerecht werden, das Werk Usedoms fortzuführen und den
Boden wieder zu gewinnen, der seit der Abberufung dieses Diplomaten wenn
nicht verloren gegangen, so doch aufgegeben gewesen ist. — Die guten Be¬
ziehungen Italiens zu Oestreich sind während des abgelaufenen Monats die¬
selben geblieben, wenn die Gerüchte von einer förmlichen entends zwischen
beiden Staaten sich auch nicht bewahrheitet haben. Die Ermordung des
k. k. General-Consul Jnghirami zu Livorno und das gleichzeitige Attentat
auf den früheren Commandanten der östreichischen Besatzungsarmee, Grafen
Crenneville sind Acte der Privatrache und ohne internationale Bedeutung,
zumal der Graf schon vor einiger Zeit seitens der florentiner Regierung ge¬
warnt worden war.

Indessen die Parlamente von Florenz, London und Berlin ihre während


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[0392] Division denkt, so ist ihm das durch die neueste Wendung der italienischen Politik nicht eben erleichtert worden. Die alt-piemontesische Partei, welche sich seit der Uebersiedelung Victor Emmanuels nach Florenz in grollender Zurück" Haltung befunden hatte, ist von dem Grafen Menabrea zu einer Betheiligung an den Geschäften herangezogen worden, welche ihr Jahrelang versagt geblieben. Das neugebildete Cabinet von Florenz besteht zur Hälfte aus Führern der Permanente und gerade die wichtigsten Sitze sind von denselben eingenommen worden. Darüber, daß das bisherige Cabinet durch den Zutritt der neuen pie- montesischen Minister an Kraft und Energie gewinnen werde, daß sich von den¬ selben Nom wie Paris gegenüber größere Klarheit und Würde erwarten lasse, darüber sind die meisten Stimmen einig. Desto zweifelhafter ist es, wie diese Combination auf die Oppositionspartei, ganz besonders aber auf die südlichen Provinzen des jungen Staats wirken werde. Der Geist landsmannschaft¬ licher Eifersucht und Mißgunst, an dem die Italiener noch immer kranken, wird durch diese Verstärkung des nord-italienischen Elements neue Nahrung gewinnen, der neapolitanische Haß gegen Alles, was von Norden kommt, geschürt werden. Wie die Dinge einmal liegen, kann es sich aber nur um ein Mehr oder Minder seit lange vorhandener Gegensätze handeln, und wenn Herr Ferrari sein auf Ersparnisse gerichtetes Programm durchführt, die Armee reducirt und gleichzeitig der Würde des Staats Frankreich gegenüber nichts vergiebt, so ist der Gewinn, den das neue Ministerium der italienischen Sache bringt, ungleich größer als der Verlust. Es handelt sich darum, eine Zeit des Uebergangs und des nothwendigen Verzichts auf weiter gehende Pläne richtig zu nutzen, und das kann nicht besser geschehen als durch Er¬ holung und Kräftigung der zerrütteten Finanzen. — Da Menabrea im Amt geblieben ist. kommt eine veränderte Stellung des florentiner Cabinets zu Preußen und Norddeutschland zunächst nicht in Frage. Graf Brassier de Se. Simon hat vor einigen Tagen sein neues Amt angetreten, und soll der doppelten Aufgabe gerecht werden, das Werk Usedoms fortzuführen und den Boden wieder zu gewinnen, der seit der Abberufung dieses Diplomaten wenn nicht verloren gegangen, so doch aufgegeben gewesen ist. — Die guten Be¬ ziehungen Italiens zu Oestreich sind während des abgelaufenen Monats die¬ selben geblieben, wenn die Gerüchte von einer förmlichen entends zwischen beiden Staaten sich auch nicht bewahrheitet haben. Die Ermordung des k. k. General-Consul Jnghirami zu Livorno und das gleichzeitige Attentat auf den früheren Commandanten der östreichischen Besatzungsarmee, Grafen Crenneville sind Acte der Privatrache und ohne internationale Bedeutung, zumal der Graf schon vor einiger Zeit seitens der florentiner Regierung ge¬ warnt worden war. Indessen die Parlamente von Florenz, London und Berlin ihre während

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/392>, abgerufen am 24.07.2024.