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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Fürsten nur die Bedränger und Aufhänger des Landes zu sehen, die seit
lange darauf ausgingen, die heilsamen Ordnungen umzustoßen, die
zum Schutze des Staates und seines Vermögens getroffen waren, so war
schon damit die Entgegensetzung von Fürst und Staat gegeben. Aber ganz
hiervon abgesehen, war man in Hessen auch officiell nicht so kurfürstlich als
in Preußen königlich. Man nannte z. B. die Forsten. Domainen des
Staates nicht wie in Preußen königliche Waldungen u. s. w., sondern
Staatswaldungen u. s. w., von anderen Titulaturen, denen in Preußen der
Name königlich bis zum Uebermaß vorgesetzt wird, ganz abgesehen. Und diesen
kleinen Äußerlichkeiten entsprach auch die Sache. Wie der König hoch über
Allen steht und gegen seine Rechte und seine Macht selbst verfassungsmäßige
Staatsgesetze an Bedeutung und Geltung zu verlieren scheinen, so schien sich
auch dieser monarchische, vor Allem persönlichen Willen zur Geltung bringende
Geist des preußischen Staates den einzelnen Beamten mitgetheilt zu haben.
So eifrig man jeden höheren Willen respectirte und zur Ausführung brachte,
so wenig schien der preußische Beamte es ertragen zu können, daß in
dem ihm unterstehenden Wirkungskreise ein anderer Wille als der seinige sich
geltend mache. Vorstellungen gegen diese oder jene Anordnung wurden nur
sehr schwer ertragen, motivirte Einwürfe untergeordneter Beamten gegen Be¬
fehle höher stehender als Insubordination aufgefaßt. Militärische Disciplin
herrschte auch in der Civilverwaltung. Die Anforderungen, die man an die
Arbeitskraft der Beamten niederer Kategorien stellte, waren viel bedeutender
als früher, während der Gehalt derselben wo möglich geschmälert wurde.
Die Spitzen der Behörden erfreuten sich dagegen einer desto reichlicheren Be¬
soldung und was sie nicht fix erhielten, wurde durch große Diäten sür dies
und das nachgeholt. Wie sich erwarten ließ, hat die preußische Regie¬
rung alle wichtigen Directorialstellen mit Altpreußen besetzt. Waren unter
ihnen, wie von allen Seiten gern zugestanden wird, vortreffliche Beamte,
Beamte, denen es wie namentlich dem allgemein verehrten und hochgeschätzten
Oberpräsidenten von Möller nur auf das Wohl der seiner Leitung Anver¬
trauten ankommt, so fand man doch auch bald solche, die in demselben Maß, als
sie ihre Ansprüche steigerten, billigen an sie selbst gestellten Forderungen nicht
entsprachen. Die Uebelstände, die jedes persönliche Regiment mit sich bringt,
traten sofort hervor. Durch Protection in den Berliner Geheimerathskreisen,
oder um früher erworbener Verdienste willen, die wir hier nicht entdecken
konnten, kamen eine Anzahl von Männern aus Altpreußen hierher und occu-
pirten Aemter, für die in Hessen selbst unzweifelhaft viel bessere Candidaten
vorhanden waren. Es verbreitete sich allmälig immer mehr die Ueberzeu¬
gung, daß, wenn man in Berlin gute Fürsprecher und Verwandte habe, schon
das Beste geschehen sei. um befördert zu werden, namentlich wenn es sich um


Fürsten nur die Bedränger und Aufhänger des Landes zu sehen, die seit
lange darauf ausgingen, die heilsamen Ordnungen umzustoßen, die
zum Schutze des Staates und seines Vermögens getroffen waren, so war
schon damit die Entgegensetzung von Fürst und Staat gegeben. Aber ganz
hiervon abgesehen, war man in Hessen auch officiell nicht so kurfürstlich als
in Preußen königlich. Man nannte z. B. die Forsten. Domainen des
Staates nicht wie in Preußen königliche Waldungen u. s. w., sondern
Staatswaldungen u. s. w., von anderen Titulaturen, denen in Preußen der
Name königlich bis zum Uebermaß vorgesetzt wird, ganz abgesehen. Und diesen
kleinen Äußerlichkeiten entsprach auch die Sache. Wie der König hoch über
Allen steht und gegen seine Rechte und seine Macht selbst verfassungsmäßige
Staatsgesetze an Bedeutung und Geltung zu verlieren scheinen, so schien sich
auch dieser monarchische, vor Allem persönlichen Willen zur Geltung bringende
Geist des preußischen Staates den einzelnen Beamten mitgetheilt zu haben.
So eifrig man jeden höheren Willen respectirte und zur Ausführung brachte,
so wenig schien der preußische Beamte es ertragen zu können, daß in
dem ihm unterstehenden Wirkungskreise ein anderer Wille als der seinige sich
geltend mache. Vorstellungen gegen diese oder jene Anordnung wurden nur
sehr schwer ertragen, motivirte Einwürfe untergeordneter Beamten gegen Be¬
fehle höher stehender als Insubordination aufgefaßt. Militärische Disciplin
herrschte auch in der Civilverwaltung. Die Anforderungen, die man an die
Arbeitskraft der Beamten niederer Kategorien stellte, waren viel bedeutender
als früher, während der Gehalt derselben wo möglich geschmälert wurde.
Die Spitzen der Behörden erfreuten sich dagegen einer desto reichlicheren Be¬
soldung und was sie nicht fix erhielten, wurde durch große Diäten sür dies
und das nachgeholt. Wie sich erwarten ließ, hat die preußische Regie¬
rung alle wichtigen Directorialstellen mit Altpreußen besetzt. Waren unter
ihnen, wie von allen Seiten gern zugestanden wird, vortreffliche Beamte,
Beamte, denen es wie namentlich dem allgemein verehrten und hochgeschätzten
Oberpräsidenten von Möller nur auf das Wohl der seiner Leitung Anver¬
trauten ankommt, so fand man doch auch bald solche, die in demselben Maß, als
sie ihre Ansprüche steigerten, billigen an sie selbst gestellten Forderungen nicht
entsprachen. Die Uebelstände, die jedes persönliche Regiment mit sich bringt,
traten sofort hervor. Durch Protection in den Berliner Geheimerathskreisen,
oder um früher erworbener Verdienste willen, die wir hier nicht entdecken
konnten, kamen eine Anzahl von Männern aus Altpreußen hierher und occu-
pirten Aemter, für die in Hessen selbst unzweifelhaft viel bessere Candidaten
vorhanden waren. Es verbreitete sich allmälig immer mehr die Ueberzeu¬
gung, daß, wenn man in Berlin gute Fürsprecher und Verwandte habe, schon
das Beste geschehen sei. um befördert zu werden, namentlich wenn es sich um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/316>, abgerufen am 24.07.2024.