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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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in Gebrauch war und nur allmälig zusammengebracht wurde. Wie bedeutend
uns dieser Silberschatz nach dem Maße moderner Silberverwendung in Pri¬
vathäusern erscheint, er war schwerlich des Prachtgeräth eines besonders vor¬
nehmen Römers; er war auch, so wie er deponirt worden ist. nicht officielles
römisches Geschenk an einen Barbarenhäuptling, und es ist wohl möglich,
daß er das Besitzthum eines römischen Agenten oder eines deutschen Haus¬
herrn vorstellte in einer Zeit, wo die Germanen bereits für die Reize römischen
Tafelschmucks empfänglich geworden waren. Dabei an Varus und die teuto-
burger Schlacht zu denken, ist gar kein Grund; es sind in den ersten Jahr¬
hunderten nach Chr. sehr viele Möglichkeiten denkbar, durch die er in die
Erde gekommen sein mag.

Da das Silber mehrerer Geräthe sehr dünn und durch den langen Auf¬
enthalt in der Erde mit aschgrauem Ueberzuge bedeckt und brüchig geworden
ist, so war eine Beschädigung Und Zerstörung einzelner Gefäße bei dem zu¬
fälligen Auffinden natürlich; und obgleich der Schatz mit einer gewissen
Sorgfalt in einem Haufen zusammengestellt gefunden wurde, so ist doch nicht
unmöglich, daß an derselben Stelle oder in der Nähe noch mehr vergraben
wurde; die UnVollständigkeit der Trümmerstücke und einzelne fehlende Stücke,
welche man als correspondirende der vorhandenen erwarten möchte, legen
diese Vermuthung nahe. In jedem Fall war es bei der großen wissenschaftli¬
chen und Kunstbedeutung des Gefundenen eine Pflicht, die erste zufällige
und ziemlich tumultuarische Ausgrabung dadurch zu controliren, daß man.
noch einmal die Schneemasse und die nächste Umgebung einer sorgfältigen
Durchforschung unterzog. Auch in d. Bl. wurde bereits die Bitte, daß
dies geschehen möge, an die Staatsregierung gerichtet.

Die Erfüllung wurde dem Vernehmen nach dadurch aufgehalten, daß
das Kriegsministerium, auf dessen Grund und Boden der Fund gemacht
ist, sich zwar zu weiterer Nachforschung bereit erklärte, aber von dem Cultus¬
ministerium die wissenschaftliche Leitung verlangte. Dadurch wurde eine Ver¬
handlung herbeigeführt, und wir constatiren mit erstaunter Befriedigung, daß
zuletzt doch einem Militair die Sorge für weitere Untersuchungen über¬
wiesen wurde.

In der That ist Oberst von Cohausen, welcher jetzt mit Fortsetzung der
Ausgrabungen betraut ist, vorzüglich für diese Prüfung geeignet. Jngenieur-
officier, ein geborener Rheinländer, längere Zeit in militairischer Stellung
am Bundestage zu Frankfurt, einige Zeit auch Vorsteher einer Fabrik, hat
er das wärmste Interesse und nicht gemeine Kenntniß der militairischen
und Privatalterthümer bewährt, hat mehrfach Ausgrabungen geleitet und
gilt für eine Autorität in den militairischen Zweigen der Alterthumswissen¬
schaft. Die Sache ist also in so guten Händen, als sich irgend hoffen ließ.


in Gebrauch war und nur allmälig zusammengebracht wurde. Wie bedeutend
uns dieser Silberschatz nach dem Maße moderner Silberverwendung in Pri¬
vathäusern erscheint, er war schwerlich des Prachtgeräth eines besonders vor¬
nehmen Römers; er war auch, so wie er deponirt worden ist. nicht officielles
römisches Geschenk an einen Barbarenhäuptling, und es ist wohl möglich,
daß er das Besitzthum eines römischen Agenten oder eines deutschen Haus¬
herrn vorstellte in einer Zeit, wo die Germanen bereits für die Reize römischen
Tafelschmucks empfänglich geworden waren. Dabei an Varus und die teuto-
burger Schlacht zu denken, ist gar kein Grund; es sind in den ersten Jahr¬
hunderten nach Chr. sehr viele Möglichkeiten denkbar, durch die er in die
Erde gekommen sein mag.

Da das Silber mehrerer Geräthe sehr dünn und durch den langen Auf¬
enthalt in der Erde mit aschgrauem Ueberzuge bedeckt und brüchig geworden
ist, so war eine Beschädigung Und Zerstörung einzelner Gefäße bei dem zu¬
fälligen Auffinden natürlich; und obgleich der Schatz mit einer gewissen
Sorgfalt in einem Haufen zusammengestellt gefunden wurde, so ist doch nicht
unmöglich, daß an derselben Stelle oder in der Nähe noch mehr vergraben
wurde; die UnVollständigkeit der Trümmerstücke und einzelne fehlende Stücke,
welche man als correspondirende der vorhandenen erwarten möchte, legen
diese Vermuthung nahe. In jedem Fall war es bei der großen wissenschaftli¬
chen und Kunstbedeutung des Gefundenen eine Pflicht, die erste zufällige
und ziemlich tumultuarische Ausgrabung dadurch zu controliren, daß man.
noch einmal die Schneemasse und die nächste Umgebung einer sorgfältigen
Durchforschung unterzog. Auch in d. Bl. wurde bereits die Bitte, daß
dies geschehen möge, an die Staatsregierung gerichtet.

Die Erfüllung wurde dem Vernehmen nach dadurch aufgehalten, daß
das Kriegsministerium, auf dessen Grund und Boden der Fund gemacht
ist, sich zwar zu weiterer Nachforschung bereit erklärte, aber von dem Cultus¬
ministerium die wissenschaftliche Leitung verlangte. Dadurch wurde eine Ver¬
handlung herbeigeführt, und wir constatiren mit erstaunter Befriedigung, daß
zuletzt doch einem Militair die Sorge für weitere Untersuchungen über¬
wiesen wurde.

In der That ist Oberst von Cohausen, welcher jetzt mit Fortsetzung der
Ausgrabungen betraut ist, vorzüglich für diese Prüfung geeignet. Jngenieur-
officier, ein geborener Rheinländer, längere Zeit in militairischer Stellung
am Bundestage zu Frankfurt, einige Zeit auch Vorsteher einer Fabrik, hat
er das wärmste Interesse und nicht gemeine Kenntniß der militairischen
und Privatalterthümer bewährt, hat mehrfach Ausgrabungen geleitet und
gilt für eine Autorität in den militairischen Zweigen der Alterthumswissen¬
schaft. Die Sache ist also in so guten Händen, als sich irgend hoffen ließ.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/285>, abgerufen am 04.07.2024.