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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Deutschland in seinen Privatetablissements zählt, dennoch sehr schwer zu
decken, da die tüchtigsten Maschinisten, wenn sie nicht an die See gewöhnt
sind, während der ersten Monate gerade in den entscheidenden Momenten
ganz unbrauchbar werden können. Die erforderliche Gewöhnung zu er¬
langen, dürfte für binnenländische Techniker, wenn sie das zwanzigste Lebens¬
jahr überschritten haben und sich nicht mehr so leicht an Neues gewöhnen,
frühestens in zwei Jahren möglich sein. Maschinisten aber von der Handels¬
marine heranzuziehen ist, wie der dänisch" Krieg gezeigt hat. nur in sehr
beschränktem Maße möglich; trotz des Stillliegens der gesammten Handels¬
dampfschifffahrt hat die preußische Marine 1864 Monate lang gebraucht, um
den achten Theil der oben genannten Anzahl von Heizern und Maschinisten
zusammenzubringen. Es wäre also eigentlich nöthig, in ähnlicher Weise, wie
man sich den Bedarf an Matrosenunterossicieren aus Schiffsjungen heran¬
bildet, so auch Seemaschinisten für die Flotte heran zu erziehen. Dies ver¬
ursacht aber übermäßige Kosten, da das Jndiensthalten vieler Schiffe unter
Dampf ungeheure Quantitäten von Kohlen absorbirt, und wir haben daher
mit besonderer Freude einen Vorschlag jenes "Fachmannes" begrüßt, auf
dessen in einer Broschüre niedergelegte Urtheile hier hinzuweisen mehrmals
Veranlassung war. Er will nämlich nur ein Drittel der an sich nöthigen
Zahl von Maschinisten als Stammmannschaft heranbilden, den übrigen Be¬
darf aber dadurch decken, daß von jetzt ab alle Feuerleute und Maschinisten,
welche ihrer Wehrpflicht zu genügen haben, nicht mehr der Armee über¬
wiesen werden, natürlich nur, soweit dieselben dort nicht für technische Branchen
wie die Zeugverwaltung und die Eisenbahnfeldabtheilungen nöthig sind,
sondern vielmehr der Marine zugetheilt werden. In ihrer Dienstzeit ge¬
wöhnen sie sich dann vollständig an den Seedienst und sind schon im letzten
Dienstjahre und im Reserveverhältniß für die Bedienung der Schiffsmaschine
völlig brauchbar. Der Staat aber hat nicht nur keinen Verlust an Wehr¬
fähigkeit, sondern sogar einen Vortheil, insofern sich hier die Arbeitskraft der
betreffenden Leute besser als in der Armee verwerthet, und dem Einzelnen
wird es in der Regel lieb sein, in seinem Fach beschäftigt zu bleiben, neue Sei¬
ten desselben an den Schiffsmaschinen kennen zu lernen, und auf längeren
Reisen Gesichtskreis und Bildung zu erweitern, wodurch er später im bürger¬
lichen Leben leistungsfähiger wird. Wir sind allerdings der Meinung, daß
die Verwendung des Dienstpflichtigen für besondere technische Zwecke, zu denen
er durch seinen Civilberuf qualificirt erscheint, in schonender und wo möglich
die persönlichen Wünsche berücksichtigender Weise erfolgen muß. Denn gesetzlich
ist Jedermann zum Waffendienst verpflichtet, aber ob er deshalb auch wider
Wunsch genöthigt werden kann, als Heizer auf einem Kriegsschiffe oder als
Schuster eines Bataillons zu dienen, ist keineswegs erwiesen. Und wir halten für


Deutschland in seinen Privatetablissements zählt, dennoch sehr schwer zu
decken, da die tüchtigsten Maschinisten, wenn sie nicht an die See gewöhnt
sind, während der ersten Monate gerade in den entscheidenden Momenten
ganz unbrauchbar werden können. Die erforderliche Gewöhnung zu er¬
langen, dürfte für binnenländische Techniker, wenn sie das zwanzigste Lebens¬
jahr überschritten haben und sich nicht mehr so leicht an Neues gewöhnen,
frühestens in zwei Jahren möglich sein. Maschinisten aber von der Handels¬
marine heranzuziehen ist, wie der dänisch« Krieg gezeigt hat. nur in sehr
beschränktem Maße möglich; trotz des Stillliegens der gesammten Handels¬
dampfschifffahrt hat die preußische Marine 1864 Monate lang gebraucht, um
den achten Theil der oben genannten Anzahl von Heizern und Maschinisten
zusammenzubringen. Es wäre also eigentlich nöthig, in ähnlicher Weise, wie
man sich den Bedarf an Matrosenunterossicieren aus Schiffsjungen heran¬
bildet, so auch Seemaschinisten für die Flotte heran zu erziehen. Dies ver¬
ursacht aber übermäßige Kosten, da das Jndiensthalten vieler Schiffe unter
Dampf ungeheure Quantitäten von Kohlen absorbirt, und wir haben daher
mit besonderer Freude einen Vorschlag jenes „Fachmannes" begrüßt, auf
dessen in einer Broschüre niedergelegte Urtheile hier hinzuweisen mehrmals
Veranlassung war. Er will nämlich nur ein Drittel der an sich nöthigen
Zahl von Maschinisten als Stammmannschaft heranbilden, den übrigen Be¬
darf aber dadurch decken, daß von jetzt ab alle Feuerleute und Maschinisten,
welche ihrer Wehrpflicht zu genügen haben, nicht mehr der Armee über¬
wiesen werden, natürlich nur, soweit dieselben dort nicht für technische Branchen
wie die Zeugverwaltung und die Eisenbahnfeldabtheilungen nöthig sind,
sondern vielmehr der Marine zugetheilt werden. In ihrer Dienstzeit ge¬
wöhnen sie sich dann vollständig an den Seedienst und sind schon im letzten
Dienstjahre und im Reserveverhältniß für die Bedienung der Schiffsmaschine
völlig brauchbar. Der Staat aber hat nicht nur keinen Verlust an Wehr¬
fähigkeit, sondern sogar einen Vortheil, insofern sich hier die Arbeitskraft der
betreffenden Leute besser als in der Armee verwerthet, und dem Einzelnen
wird es in der Regel lieb sein, in seinem Fach beschäftigt zu bleiben, neue Sei¬
ten desselben an den Schiffsmaschinen kennen zu lernen, und auf längeren
Reisen Gesichtskreis und Bildung zu erweitern, wodurch er später im bürger¬
lichen Leben leistungsfähiger wird. Wir sind allerdings der Meinung, daß
die Verwendung des Dienstpflichtigen für besondere technische Zwecke, zu denen
er durch seinen Civilberuf qualificirt erscheint, in schonender und wo möglich
die persönlichen Wünsche berücksichtigender Weise erfolgen muß. Denn gesetzlich
ist Jedermann zum Waffendienst verpflichtet, aber ob er deshalb auch wider
Wunsch genöthigt werden kann, als Heizer auf einem Kriegsschiffe oder als
Schuster eines Bataillons zu dienen, ist keineswegs erwiesen. Und wir halten für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/224>, abgerufen am 04.07.2024.