Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Souvenirs verwandt wird. Er nimmt dazu das untere Ende der Binse,
etwa anderthalb Fuß, schält sie und schneidet ganz dünne, etwa zollbreite
Streifen herunter, die er mit einem aus derselben Pflanze gewonnenen Gummi
zusammenklebe und zwei Tage lang preßt. Dann kommt ein von kräftigen
Fasern durchzogenes sehr festes, durchschimmerndes gelbliches Blatt zum Vor¬
schein, auf welches sich malen und schreiben läßt. Es ist zu verwundern,
daß man den Papyrus, der eine feste elastische Schale, eine sehr starke Faser
und einen guten Gummi liefert, nicht ausgiebiger benutzt.

Von der Cyana aus fuhren wir zu Wagen nach den Trümmern der
Burg des Dionys. Es ist ein prachtvoller Blick da oben auf diese eigen¬
thümlichen langgestreckten Höhenzüge, die mit uralten Oelbäumen besetzte
Ebene des Anapus. die beiden großen Buchten rechts und links von Ortygia,
nördlich über Tapsus hinweg bis zu dem Vorgebirge, auf dem das Theater
von Taormina steht. Die ganze Figuration der Landschaft ist so, daß man
augenblicklich sieht, hier mußten große Anlagen versucht und große Kämpfe
gekämpft werden. Sie ist eine von den historisch prädestinirten.

Nicht weit von den sogenannten Römerbädern zeigt man die Gräber
des Archimedes und Timoleon, einander dicht benachbart. Beglaubigt sind
sie in keiner Weise; sie sind nur durch ein Frontispiz vor den übrigen aus¬
gezeichnet. Woran Cicero das Grab des Archimedes erkannt hat, die Kugel
auf dem Cylinder, eben davon ist keine Spur mehr vorhanden. Von diesen
Gräbern ging's zu einem modernen deutschen, in dem ein Mann ruht, dessen
Geist in Griechenland wohnte, zum Grabe Platen's. Es liegt an einer Fels¬
wand im Garten des Marchese Bandolina, der den Protestanten hier einen
Friedhof gewährt hat, und ist mit einem kleinen auf die Wand geklebten
Marmorobelisken geschmückt, der das Wappen des Dichters trägt. Neuer¬
dings aber hat man seine Gebeine auf einen abgesonderten Platz nicht weit
davon übertragen, und in nächster Zeit wird sich über ihnen ein Monument
mit der Büste erheben. Dieser neue Schmuck ist durch eine in Deutschland
veranstaltete Sammlung zu Stande gekommen, zu welcher König Ludwig I.
von Bayern eine große Summe beisteuerte. Das alte Monument wird in¬
zwischen von wallfahrenden Deutschen als ein poetisches Stammbuch ange¬
sehen; "zum Zeichen höchster Verehrung" schmieren sie kreuz und quer Verse
darauf, die indeß oft gar nicht übel sind. Unser Führer machte uns darauf
aufmerksam, daß der Bruder des früheren bayerischen Consuls noch im Be¬
sitze eines von Platen geschriebenen Buches sei, das er den Erben auszuliefern
wünsche; es enthalte eine Sammlung griechischer Gedichte. Wir sind dann
Abends hingegangen, das Manuscript zu sehen, aber der Inhaber war leider
verreist; doch ist dafür zu sorgen, daß das Buch erhalten bleibt und in die
rechten Hände kommt.


20*

Souvenirs verwandt wird. Er nimmt dazu das untere Ende der Binse,
etwa anderthalb Fuß, schält sie und schneidet ganz dünne, etwa zollbreite
Streifen herunter, die er mit einem aus derselben Pflanze gewonnenen Gummi
zusammenklebe und zwei Tage lang preßt. Dann kommt ein von kräftigen
Fasern durchzogenes sehr festes, durchschimmerndes gelbliches Blatt zum Vor¬
schein, auf welches sich malen und schreiben läßt. Es ist zu verwundern,
daß man den Papyrus, der eine feste elastische Schale, eine sehr starke Faser
und einen guten Gummi liefert, nicht ausgiebiger benutzt.

Von der Cyana aus fuhren wir zu Wagen nach den Trümmern der
Burg des Dionys. Es ist ein prachtvoller Blick da oben auf diese eigen¬
thümlichen langgestreckten Höhenzüge, die mit uralten Oelbäumen besetzte
Ebene des Anapus. die beiden großen Buchten rechts und links von Ortygia,
nördlich über Tapsus hinweg bis zu dem Vorgebirge, auf dem das Theater
von Taormina steht. Die ganze Figuration der Landschaft ist so, daß man
augenblicklich sieht, hier mußten große Anlagen versucht und große Kämpfe
gekämpft werden. Sie ist eine von den historisch prädestinirten.

Nicht weit von den sogenannten Römerbädern zeigt man die Gräber
des Archimedes und Timoleon, einander dicht benachbart. Beglaubigt sind
sie in keiner Weise; sie sind nur durch ein Frontispiz vor den übrigen aus¬
gezeichnet. Woran Cicero das Grab des Archimedes erkannt hat, die Kugel
auf dem Cylinder, eben davon ist keine Spur mehr vorhanden. Von diesen
Gräbern ging's zu einem modernen deutschen, in dem ein Mann ruht, dessen
Geist in Griechenland wohnte, zum Grabe Platen's. Es liegt an einer Fels¬
wand im Garten des Marchese Bandolina, der den Protestanten hier einen
Friedhof gewährt hat, und ist mit einem kleinen auf die Wand geklebten
Marmorobelisken geschmückt, der das Wappen des Dichters trägt. Neuer¬
dings aber hat man seine Gebeine auf einen abgesonderten Platz nicht weit
davon übertragen, und in nächster Zeit wird sich über ihnen ein Monument
mit der Büste erheben. Dieser neue Schmuck ist durch eine in Deutschland
veranstaltete Sammlung zu Stande gekommen, zu welcher König Ludwig I.
von Bayern eine große Summe beisteuerte. Das alte Monument wird in¬
zwischen von wallfahrenden Deutschen als ein poetisches Stammbuch ange¬
sehen; „zum Zeichen höchster Verehrung" schmieren sie kreuz und quer Verse
darauf, die indeß oft gar nicht übel sind. Unser Führer machte uns darauf
aufmerksam, daß der Bruder des früheren bayerischen Consuls noch im Be¬
sitze eines von Platen geschriebenen Buches sei, das er den Erben auszuliefern
wünsche; es enthalte eine Sammlung griechischer Gedichte. Wir sind dann
Abends hingegangen, das Manuscript zu sehen, aber der Inhaber war leider
verreist; doch ist dafür zu sorgen, daß das Buch erhalten bleibt und in die
rechten Hände kommt.


20*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120850"/>
            <p xml:id="ID_506" prev="#ID_505"> Souvenirs verwandt wird. Er nimmt dazu das untere Ende der Binse,<lb/>
etwa anderthalb Fuß, schält sie und schneidet ganz dünne, etwa zollbreite<lb/>
Streifen herunter, die er mit einem aus derselben Pflanze gewonnenen Gummi<lb/>
zusammenklebe und zwei Tage lang preßt. Dann kommt ein von kräftigen<lb/>
Fasern durchzogenes sehr festes, durchschimmerndes gelbliches Blatt zum Vor¬<lb/>
schein, auf welches sich malen und schreiben läßt. Es ist zu verwundern,<lb/>
daß man den Papyrus, der eine feste elastische Schale, eine sehr starke Faser<lb/>
und einen guten Gummi liefert, nicht ausgiebiger benutzt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_507"> Von der Cyana aus fuhren wir zu Wagen nach den Trümmern der<lb/>
Burg des Dionys. Es ist ein prachtvoller Blick da oben auf diese eigen¬<lb/>
thümlichen langgestreckten Höhenzüge, die mit uralten Oelbäumen besetzte<lb/>
Ebene des Anapus. die beiden großen Buchten rechts und links von Ortygia,<lb/>
nördlich über Tapsus hinweg bis zu dem Vorgebirge, auf dem das Theater<lb/>
von Taormina steht. Die ganze Figuration der Landschaft ist so, daß man<lb/>
augenblicklich sieht, hier mußten große Anlagen versucht und große Kämpfe<lb/>
gekämpft werden. Sie ist eine von den historisch prädestinirten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_508"> Nicht weit von den sogenannten Römerbädern zeigt man die Gräber<lb/>
des Archimedes und Timoleon, einander dicht benachbart. Beglaubigt sind<lb/>
sie in keiner Weise; sie sind nur durch ein Frontispiz vor den übrigen aus¬<lb/>
gezeichnet. Woran Cicero das Grab des Archimedes erkannt hat, die Kugel<lb/>
auf dem Cylinder, eben davon ist keine Spur mehr vorhanden. Von diesen<lb/>
Gräbern ging's zu einem modernen deutschen, in dem ein Mann ruht, dessen<lb/>
Geist in Griechenland wohnte, zum Grabe Platen's. Es liegt an einer Fels¬<lb/>
wand im Garten des Marchese Bandolina, der den Protestanten hier einen<lb/>
Friedhof gewährt hat, und ist mit einem kleinen auf die Wand geklebten<lb/>
Marmorobelisken geschmückt, der das Wappen des Dichters trägt. Neuer¬<lb/>
dings aber hat man seine Gebeine auf einen abgesonderten Platz nicht weit<lb/>
davon übertragen, und in nächster Zeit wird sich über ihnen ein Monument<lb/>
mit der Büste erheben. Dieser neue Schmuck ist durch eine in Deutschland<lb/>
veranstaltete Sammlung zu Stande gekommen, zu welcher König Ludwig I.<lb/>
von Bayern eine große Summe beisteuerte. Das alte Monument wird in¬<lb/>
zwischen von wallfahrenden Deutschen als ein poetisches Stammbuch ange¬<lb/>
sehen; &#x201E;zum Zeichen höchster Verehrung" schmieren sie kreuz und quer Verse<lb/>
darauf, die indeß oft gar nicht übel sind. Unser Führer machte uns darauf<lb/>
aufmerksam, daß der Bruder des früheren bayerischen Consuls noch im Be¬<lb/>
sitze eines von Platen geschriebenen Buches sei, das er den Erben auszuliefern<lb/>
wünsche; es enthalte eine Sammlung griechischer Gedichte. Wir sind dann<lb/>
Abends hingegangen, das Manuscript zu sehen, aber der Inhaber war leider<lb/>
verreist; doch ist dafür zu sorgen, daß das Buch erhalten bleibt und in die<lb/>
rechten Hände kommt.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 20*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0163] Souvenirs verwandt wird. Er nimmt dazu das untere Ende der Binse, etwa anderthalb Fuß, schält sie und schneidet ganz dünne, etwa zollbreite Streifen herunter, die er mit einem aus derselben Pflanze gewonnenen Gummi zusammenklebe und zwei Tage lang preßt. Dann kommt ein von kräftigen Fasern durchzogenes sehr festes, durchschimmerndes gelbliches Blatt zum Vor¬ schein, auf welches sich malen und schreiben läßt. Es ist zu verwundern, daß man den Papyrus, der eine feste elastische Schale, eine sehr starke Faser und einen guten Gummi liefert, nicht ausgiebiger benutzt. Von der Cyana aus fuhren wir zu Wagen nach den Trümmern der Burg des Dionys. Es ist ein prachtvoller Blick da oben auf diese eigen¬ thümlichen langgestreckten Höhenzüge, die mit uralten Oelbäumen besetzte Ebene des Anapus. die beiden großen Buchten rechts und links von Ortygia, nördlich über Tapsus hinweg bis zu dem Vorgebirge, auf dem das Theater von Taormina steht. Die ganze Figuration der Landschaft ist so, daß man augenblicklich sieht, hier mußten große Anlagen versucht und große Kämpfe gekämpft werden. Sie ist eine von den historisch prädestinirten. Nicht weit von den sogenannten Römerbädern zeigt man die Gräber des Archimedes und Timoleon, einander dicht benachbart. Beglaubigt sind sie in keiner Weise; sie sind nur durch ein Frontispiz vor den übrigen aus¬ gezeichnet. Woran Cicero das Grab des Archimedes erkannt hat, die Kugel auf dem Cylinder, eben davon ist keine Spur mehr vorhanden. Von diesen Gräbern ging's zu einem modernen deutschen, in dem ein Mann ruht, dessen Geist in Griechenland wohnte, zum Grabe Platen's. Es liegt an einer Fels¬ wand im Garten des Marchese Bandolina, der den Protestanten hier einen Friedhof gewährt hat, und ist mit einem kleinen auf die Wand geklebten Marmorobelisken geschmückt, der das Wappen des Dichters trägt. Neuer¬ dings aber hat man seine Gebeine auf einen abgesonderten Platz nicht weit davon übertragen, und in nächster Zeit wird sich über ihnen ein Monument mit der Büste erheben. Dieser neue Schmuck ist durch eine in Deutschland veranstaltete Sammlung zu Stande gekommen, zu welcher König Ludwig I. von Bayern eine große Summe beisteuerte. Das alte Monument wird in¬ zwischen von wallfahrenden Deutschen als ein poetisches Stammbuch ange¬ sehen; „zum Zeichen höchster Verehrung" schmieren sie kreuz und quer Verse darauf, die indeß oft gar nicht übel sind. Unser Führer machte uns darauf aufmerksam, daß der Bruder des früheren bayerischen Consuls noch im Be¬ sitze eines von Platen geschriebenen Buches sei, das er den Erben auszuliefern wünsche; es enthalte eine Sammlung griechischer Gedichte. Wir sind dann Abends hingegangen, das Manuscript zu sehen, aber der Inhaber war leider verreist; doch ist dafür zu sorgen, daß das Buch erhalten bleibt und in die rechten Hände kommt. 20*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/163
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/163>, abgerufen am 24.07.2024.