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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Gesetze der freien Bethätigung der Frauenkraft noch im Wege stehen, über
den Haufen werfen, oder die Gewohnheiten, welche früher solche Gesetze her¬
vorgerufen, beseitigen. Auch das Letztere thut noth. Denn nicht nur be¬
stehende "Gesetz und Rechte", sondern auch formell beseitigte "erben sich" gar
oft noch "wie eine co'ge Krankheit fort", zumal, wenn die formelle Gesetzes¬
änderung eingerostete Vorurtheile wider sich hat. -- Nicht nur mit der Me¬
thode der Frauenerziehung, nicht nur mit thörichten Vorurtheilen, für die man
einen Grund zu suchen gar nicht für nöthig hält, nicht nur mit bestehenden
und mit den Nachwirkungen beseitigter Gesetze haben diejenigen den Kampf
zu bestehen, welche entschlossen sind, der Frauenwelt eine glücklichere Zukunft
bereiten zu helfen.

Auch mit dem Gewicht angeblich .wirthschaftswissenschaft¬
licher Argumente tritt man uns entgegen. Und hinter diese Argumente,
so unhaltbar sie sind, verschanzt sich doch unbesehends ein gar großer Theil
unserer Gegner. "Was Anderes, als die Verdienstverkürzung auf beiden
Seiten kann die Folge von Maßregeln sein, welche Arbeitsgebiete, die bisher
den Männern vorbehalten waren, den Frauen eröffnen?" so ruft man uns
entgegen. "Muß das durch die Frauen verstärkte Arbeitsangebot nicht die
Preise der Erzeugnisse und Leistungen und also den Verdienst der Produ¬
centen drücken?"

Mit welcher Unfehlbarkeit und Siegesgewißheit dieser Einwand auch
erhoben wird -- es bedarf nur eines Wortes, um ihn zu Falle zu bringen.
Wenn die Männer die unumschränkten und privilegirten Beherrscher der Er¬
werbsarbeit sind -- wer muß denn die Frauen, die nicht erwerben, oder
nur einen geringen Theil ihres Bedarfs durch ihren Verdienst decken, schlie߬
lich ernähren, wenn nicht die Männer? Angenommen, nicht zugegeben, daß
eine vielleicht plötzliche Mitbesiedelung jener Gebiete durch die Frauen
die Löhne schmälerte -- könnte sie dieselben um mehr schmälern, als was
bisher die Männer von ihren höheren Löhnen zur Erhaltung der nichtarbei¬
tenden Frauen in der einen oder anderen Form abgeben mußten?

Wird aber die Wirkung der Beseitigung des die Frauenarbeit ein¬
schränkenden Vorurtheiles nicht vielmehr die sein, daß sich die Frauen ganz
neue Arbeitsgebiete schaffen, und unter den alten sich derer bemächtigen, die
für ihre Anlagen und Fähigkeiten vorzüglich geeignet sind? Daß sich die
Männer den vorzugsweise für sie geeigneten Aufgaben mit um so größerer
Widmung und um so besserem Erfolge hingeben können? Und wer hat jemals
beobachtet, daß eine Vervielfältigung der Production an sich die Preise und
also die Löhne drückt? Sind wir irgendwo schon an der äußersten Grenze
der Bedürfnißsteigerung und der Naturausbeutung angelangt? Schmälere
es den Verdienst von tausend Arbeitern, daß tausend weitere Arbeiter in


Gesetze der freien Bethätigung der Frauenkraft noch im Wege stehen, über
den Haufen werfen, oder die Gewohnheiten, welche früher solche Gesetze her¬
vorgerufen, beseitigen. Auch das Letztere thut noth. Denn nicht nur be¬
stehende „Gesetz und Rechte", sondern auch formell beseitigte „erben sich" gar
oft noch „wie eine co'ge Krankheit fort", zumal, wenn die formelle Gesetzes¬
änderung eingerostete Vorurtheile wider sich hat. — Nicht nur mit der Me¬
thode der Frauenerziehung, nicht nur mit thörichten Vorurtheilen, für die man
einen Grund zu suchen gar nicht für nöthig hält, nicht nur mit bestehenden
und mit den Nachwirkungen beseitigter Gesetze haben diejenigen den Kampf
zu bestehen, welche entschlossen sind, der Frauenwelt eine glücklichere Zukunft
bereiten zu helfen.

Auch mit dem Gewicht angeblich .wirthschaftswissenschaft¬
licher Argumente tritt man uns entgegen. Und hinter diese Argumente,
so unhaltbar sie sind, verschanzt sich doch unbesehends ein gar großer Theil
unserer Gegner. „Was Anderes, als die Verdienstverkürzung auf beiden
Seiten kann die Folge von Maßregeln sein, welche Arbeitsgebiete, die bisher
den Männern vorbehalten waren, den Frauen eröffnen?" so ruft man uns
entgegen. „Muß das durch die Frauen verstärkte Arbeitsangebot nicht die
Preise der Erzeugnisse und Leistungen und also den Verdienst der Produ¬
centen drücken?"

Mit welcher Unfehlbarkeit und Siegesgewißheit dieser Einwand auch
erhoben wird — es bedarf nur eines Wortes, um ihn zu Falle zu bringen.
Wenn die Männer die unumschränkten und privilegirten Beherrscher der Er¬
werbsarbeit sind — wer muß denn die Frauen, die nicht erwerben, oder
nur einen geringen Theil ihres Bedarfs durch ihren Verdienst decken, schlie߬
lich ernähren, wenn nicht die Männer? Angenommen, nicht zugegeben, daß
eine vielleicht plötzliche Mitbesiedelung jener Gebiete durch die Frauen
die Löhne schmälerte — könnte sie dieselben um mehr schmälern, als was
bisher die Männer von ihren höheren Löhnen zur Erhaltung der nichtarbei¬
tenden Frauen in der einen oder anderen Form abgeben mußten?

Wird aber die Wirkung der Beseitigung des die Frauenarbeit ein¬
schränkenden Vorurtheiles nicht vielmehr die sein, daß sich die Frauen ganz
neue Arbeitsgebiete schaffen, und unter den alten sich derer bemächtigen, die
für ihre Anlagen und Fähigkeiten vorzüglich geeignet sind? Daß sich die
Männer den vorzugsweise für sie geeigneten Aufgaben mit um so größerer
Widmung und um so besserem Erfolge hingeben können? Und wer hat jemals
beobachtet, daß eine Vervielfältigung der Production an sich die Preise und
also die Löhne drückt? Sind wir irgendwo schon an der äußersten Grenze
der Bedürfnißsteigerung und der Naturausbeutung angelangt? Schmälere
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[0141] Gesetze der freien Bethätigung der Frauenkraft noch im Wege stehen, über den Haufen werfen, oder die Gewohnheiten, welche früher solche Gesetze her¬ vorgerufen, beseitigen. Auch das Letztere thut noth. Denn nicht nur be¬ stehende „Gesetz und Rechte", sondern auch formell beseitigte „erben sich" gar oft noch „wie eine co'ge Krankheit fort", zumal, wenn die formelle Gesetzes¬ änderung eingerostete Vorurtheile wider sich hat. — Nicht nur mit der Me¬ thode der Frauenerziehung, nicht nur mit thörichten Vorurtheilen, für die man einen Grund zu suchen gar nicht für nöthig hält, nicht nur mit bestehenden und mit den Nachwirkungen beseitigter Gesetze haben diejenigen den Kampf zu bestehen, welche entschlossen sind, der Frauenwelt eine glücklichere Zukunft bereiten zu helfen. Auch mit dem Gewicht angeblich .wirthschaftswissenschaft¬ licher Argumente tritt man uns entgegen. Und hinter diese Argumente, so unhaltbar sie sind, verschanzt sich doch unbesehends ein gar großer Theil unserer Gegner. „Was Anderes, als die Verdienstverkürzung auf beiden Seiten kann die Folge von Maßregeln sein, welche Arbeitsgebiete, die bisher den Männern vorbehalten waren, den Frauen eröffnen?" so ruft man uns entgegen. „Muß das durch die Frauen verstärkte Arbeitsangebot nicht die Preise der Erzeugnisse und Leistungen und also den Verdienst der Produ¬ centen drücken?" Mit welcher Unfehlbarkeit und Siegesgewißheit dieser Einwand auch erhoben wird — es bedarf nur eines Wortes, um ihn zu Falle zu bringen. Wenn die Männer die unumschränkten und privilegirten Beherrscher der Er¬ werbsarbeit sind — wer muß denn die Frauen, die nicht erwerben, oder nur einen geringen Theil ihres Bedarfs durch ihren Verdienst decken, schlie߬ lich ernähren, wenn nicht die Männer? Angenommen, nicht zugegeben, daß eine vielleicht plötzliche Mitbesiedelung jener Gebiete durch die Frauen die Löhne schmälerte — könnte sie dieselben um mehr schmälern, als was bisher die Männer von ihren höheren Löhnen zur Erhaltung der nichtarbei¬ tenden Frauen in der einen oder anderen Form abgeben mußten? Wird aber die Wirkung der Beseitigung des die Frauenarbeit ein¬ schränkenden Vorurtheiles nicht vielmehr die sein, daß sich die Frauen ganz neue Arbeitsgebiete schaffen, und unter den alten sich derer bemächtigen, die für ihre Anlagen und Fähigkeiten vorzüglich geeignet sind? Daß sich die Männer den vorzugsweise für sie geeigneten Aufgaben mit um so größerer Widmung und um so besserem Erfolge hingeben können? Und wer hat jemals beobachtet, daß eine Vervielfältigung der Production an sich die Preise und also die Löhne drückt? Sind wir irgendwo schon an der äußersten Grenze der Bedürfnißsteigerung und der Naturausbeutung angelangt? Schmälere es den Verdienst von tausend Arbeitern, daß tausend weitere Arbeiter in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/141>, abgerufen am 24.07.2024.