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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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gewiesen; unser Ideal der Frau habe sich gleich fern gehalten von dem Bilde
der Herrin wie von dem der Dienerin; insoweit haben wir uns die Ehe
als eine Lebensgemeinschaft vorgestellt, daß wir für diese auch wirthschafclich
hoch bedeutsame Vereinigung den Grundsatz der Covperation festgestellt, aber
es für das Erstrebenswerthe gehalten hätten, daß der Mann vorzugsweise
dem Erwerb, die Frau der Erhaltung des Erworbenen und der Verwerthung
desselben in der Hauswirthschaft ihre Kräfte widme. Aber wir seien fern
gewesen von dem Wahne, daß die hausw irthschaftlichen die wichtigsten oder auch
nur die vornehmsten Lebensfunctionen der Frau sein müßten. Und anderer¬
seits sei es uns auch nicht als ein besonderes Unglück erschienen, wenn die
Frau, insoweit es ihre Natur und ihre specifischen Aufgaben gestattet, sich an
der Erwerbsarbeit des Mannes betheiligt habe.

Jene innige Lebensgemeinschaft, als welche wir uns die Ehe vorgestellt,
sei uns allerdings in so schönem Lichte erschienen, daß wir in dem Wunsche,
"es möge ihr eine glückliche Ehe beschieden sein", alle unsere Wünsche für eine
von uns geachtete Frau zusammengefaßt hätten, aber wir seien nicht be¬
fangen gewesen in dem Vorurtheile, daß es für die Frau außer der Ehe kein
Lebensglück und keine Lebensaufgabe gebe. Im Gegentheil hätten wir uns
nicht nur mit dem oben erläuterten Naturgesetz, sondern auch mit der That¬
sache abzufinden gewußt, daß äußere, zufällige Umstände, oft bisweilen auch
sittliche Entschließungen, welche von bewundernswerther Entsagung Zeugniß
geben, für die Ehelosigkeit entscheiden.

Es sei unserer Zeit zum Bewußtsein gekommen, daß, wie die verhei-
rathete Frau dem Schutze des Mannes anvertraut, so es die Pflicht der bür¬
gerlichen Gesellschaft sei, der unverheiratheten Frau die Wege zu einer sorgen¬
freien und ehrenhaften Existenz zu ebnen; es habe uns das Bewußtsein der
Pflicht'erfüllt, nicht nur alle künstlichen, insbesondere gesetzlichen oder in der
Gewohnheit und dem Vorurtheile wurzelnden Schranken, welche dem Weibe
auf solchem Wege begegnen, hinwegzuräumen, sondern auch durch die Reform
der weiblichen Erziehung die Betretung des geebneten Weges ersprießlich zu
machen. Wie uns der Mann, der nicht arbeite, als verächtlich erschienen sei.
-- denn unser Zeitalter habe in der Arbeit eine sittigende Macht erkannt --
so habe uns auch die Erziehung der Frau zur Arbeit für eine wichtige Zeit-
avfgabe gegolten, und minder scrupulös, als frühere Geschlechter, seien wir
gewesen in der Abgrenzung des weiblichen Arbeitsgebiets; keine ehrliche Ar¬
beit Schande das Weib, und jede, deren es fähig sei, zieme ihm -- so sei un¬
sere Meinung gewesen.

Großherzige und geistvolle Männer unseres Zeitalters seien so weit ge¬
gangen, für unsere Frauen das Recht der unmittelbaren Theilnahme an der
Gesetzgebung und Verwaltung in unseren politischen Gemeinwesen zu vindi-


gewiesen; unser Ideal der Frau habe sich gleich fern gehalten von dem Bilde
der Herrin wie von dem der Dienerin; insoweit haben wir uns die Ehe
als eine Lebensgemeinschaft vorgestellt, daß wir für diese auch wirthschafclich
hoch bedeutsame Vereinigung den Grundsatz der Covperation festgestellt, aber
es für das Erstrebenswerthe gehalten hätten, daß der Mann vorzugsweise
dem Erwerb, die Frau der Erhaltung des Erworbenen und der Verwerthung
desselben in der Hauswirthschaft ihre Kräfte widme. Aber wir seien fern
gewesen von dem Wahne, daß die hausw irthschaftlichen die wichtigsten oder auch
nur die vornehmsten Lebensfunctionen der Frau sein müßten. Und anderer¬
seits sei es uns auch nicht als ein besonderes Unglück erschienen, wenn die
Frau, insoweit es ihre Natur und ihre specifischen Aufgaben gestattet, sich an
der Erwerbsarbeit des Mannes betheiligt habe.

Jene innige Lebensgemeinschaft, als welche wir uns die Ehe vorgestellt,
sei uns allerdings in so schönem Lichte erschienen, daß wir in dem Wunsche,
„es möge ihr eine glückliche Ehe beschieden sein", alle unsere Wünsche für eine
von uns geachtete Frau zusammengefaßt hätten, aber wir seien nicht be¬
fangen gewesen in dem Vorurtheile, daß es für die Frau außer der Ehe kein
Lebensglück und keine Lebensaufgabe gebe. Im Gegentheil hätten wir uns
nicht nur mit dem oben erläuterten Naturgesetz, sondern auch mit der That¬
sache abzufinden gewußt, daß äußere, zufällige Umstände, oft bisweilen auch
sittliche Entschließungen, welche von bewundernswerther Entsagung Zeugniß
geben, für die Ehelosigkeit entscheiden.

Es sei unserer Zeit zum Bewußtsein gekommen, daß, wie die verhei-
rathete Frau dem Schutze des Mannes anvertraut, so es die Pflicht der bür¬
gerlichen Gesellschaft sei, der unverheiratheten Frau die Wege zu einer sorgen¬
freien und ehrenhaften Existenz zu ebnen; es habe uns das Bewußtsein der
Pflicht'erfüllt, nicht nur alle künstlichen, insbesondere gesetzlichen oder in der
Gewohnheit und dem Vorurtheile wurzelnden Schranken, welche dem Weibe
auf solchem Wege begegnen, hinwegzuräumen, sondern auch durch die Reform
der weiblichen Erziehung die Betretung des geebneten Weges ersprießlich zu
machen. Wie uns der Mann, der nicht arbeite, als verächtlich erschienen sei.
— denn unser Zeitalter habe in der Arbeit eine sittigende Macht erkannt —
so habe uns auch die Erziehung der Frau zur Arbeit für eine wichtige Zeit-
avfgabe gegolten, und minder scrupulös, als frühere Geschlechter, seien wir
gewesen in der Abgrenzung des weiblichen Arbeitsgebiets; keine ehrliche Ar¬
beit Schande das Weib, und jede, deren es fähig sei, zieme ihm — so sei un¬
sere Meinung gewesen.

Großherzige und geistvolle Männer unseres Zeitalters seien so weit ge¬
gangen, für unsere Frauen das Recht der unmittelbaren Theilnahme an der
Gesetzgebung und Verwaltung in unseren politischen Gemeinwesen zu vindi-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/132>, abgerufen am 24.07.2024.