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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Protest einmalige Verwilligungen zugestanden wurden "ohne Konsequenz und
Präjudiz". Durch geschickte Bearbeitung des ständischen Ausschusses, von
dem immer einzelne Mitglieder zu gewinnen waren, brachte es derselbe Fürst
dahin , daß ein regelmäßiges Militärbudget aufgestellt wurde, zunächst natur'
lich nur auf eine Anzahl von Jahren. Allein es blieb, und es wollte später
nie mehr ausreichen, so daß -- namentlich unter Herzog Karl -- die ge¬
waltsamsten Finanzkünste aufgeboten werden mußten, um das doppelte und
dreifache des ordentlichen Budgets zu decken.

Das sinnreichste Mittel aber, einen Militairstaat zu halten, wie er dem
Splendeur des Fürsten ziemte, ohne doch das eigene Land zu sehr zu be¬
schweren, bestand darin, geworbene Schaaren an fremde kriegführende Mächte
zu vermiethen. Der Krieg wurde als ein Geschäft, als eine gewinnbringende
Unternehmung betrieben. Der Zweck, für welchen die Truppen verwandt wurden,
der Welttheil, in dem sie ihre Heldenthaten verrichten sollten, war völlig gleich¬
gültig. Und das Geschäft muß lohnend gewesen sein, denn bekanntlich finden
wir die meisten deutschen Landesväter unter diesen Truppenlieferanten, die
freilich insofern den alten Condottieri nicht glichen, als sie inzwischen ge¬
mächlich in Friedenspassionen ihrem großen Vorbild zu Versailles nacheiferten.
Solche Liesecungstractate pflegten mit Frankreich, mit Oestreich, mit Venedig,
mit den Niederlanden, mit England abgeschlossen zu werden. Ihren Höhe¬
punkt erreichten sie in den Lieferungen für England zur Bekämpfung der
nordamerikanischen Freiheit. In Württemberg ist noch heute am bekann¬
testen und haftet am tiefsten im Gedächtniß ein für das Cap abgeschlossener
Vertrag, schon weil er Schubart's Caplied veranlaßte, das eines der ver-
breitetsten Volkslieder geworden ist, und weil sich ein Riesenproceß von
jenem Subsidientractat fortgesponnen hat bis in eine nicht zu ferne Ver-
gangenheit.

Der erste derartige Vertrag von Seiten Württembergs wurde 1687 mit
der Republik Venedig abgeschlossen, in deren Diensten zuerst 1000 Mann,
und nach Ablauf ihrer Zeit "aus besonderer Anhänglichkeit an die Republik"
weitere 3000 Mann abgelassen wurden, die ruhmvoll gegen die Türken
kämpften und die Felder des Peloponnes und Euboeas mit schwäbischen Blut
düngten. Während des spanischen Erbfolgekriegs standen, außer dem ver¬
tragsmäßigen Kreiscontingent, von 1704--1714 vier Regimenter im Dienst
der Niederlande und schlugen die Schlachten mit, theils an der Donau, theils
am Rhein. Aus den Resten dieser Truppen sollten im Sommer 1715 zwei
Regimenter wieder für venetianische Dienste gebildet werden. Aber die Feld¬
züge auf classischer Erde scheinen nicht die angenehmsten Erinnerungen zurück¬
gelassen zu haben. Es ist allgemeine Abneigung unter den Officieren vor¬
handen, "einen so weiten und bedenklichen Marsch" anzutreten. Alter, Krank-


Protest einmalige Verwilligungen zugestanden wurden „ohne Konsequenz und
Präjudiz". Durch geschickte Bearbeitung des ständischen Ausschusses, von
dem immer einzelne Mitglieder zu gewinnen waren, brachte es derselbe Fürst
dahin , daß ein regelmäßiges Militärbudget aufgestellt wurde, zunächst natur'
lich nur auf eine Anzahl von Jahren. Allein es blieb, und es wollte später
nie mehr ausreichen, so daß — namentlich unter Herzog Karl — die ge¬
waltsamsten Finanzkünste aufgeboten werden mußten, um das doppelte und
dreifache des ordentlichen Budgets zu decken.

Das sinnreichste Mittel aber, einen Militairstaat zu halten, wie er dem
Splendeur des Fürsten ziemte, ohne doch das eigene Land zu sehr zu be¬
schweren, bestand darin, geworbene Schaaren an fremde kriegführende Mächte
zu vermiethen. Der Krieg wurde als ein Geschäft, als eine gewinnbringende
Unternehmung betrieben. Der Zweck, für welchen die Truppen verwandt wurden,
der Welttheil, in dem sie ihre Heldenthaten verrichten sollten, war völlig gleich¬
gültig. Und das Geschäft muß lohnend gewesen sein, denn bekanntlich finden
wir die meisten deutschen Landesväter unter diesen Truppenlieferanten, die
freilich insofern den alten Condottieri nicht glichen, als sie inzwischen ge¬
mächlich in Friedenspassionen ihrem großen Vorbild zu Versailles nacheiferten.
Solche Liesecungstractate pflegten mit Frankreich, mit Oestreich, mit Venedig,
mit den Niederlanden, mit England abgeschlossen zu werden. Ihren Höhe¬
punkt erreichten sie in den Lieferungen für England zur Bekämpfung der
nordamerikanischen Freiheit. In Württemberg ist noch heute am bekann¬
testen und haftet am tiefsten im Gedächtniß ein für das Cap abgeschlossener
Vertrag, schon weil er Schubart's Caplied veranlaßte, das eines der ver-
breitetsten Volkslieder geworden ist, und weil sich ein Riesenproceß von
jenem Subsidientractat fortgesponnen hat bis in eine nicht zu ferne Ver-
gangenheit.

Der erste derartige Vertrag von Seiten Württembergs wurde 1687 mit
der Republik Venedig abgeschlossen, in deren Diensten zuerst 1000 Mann,
und nach Ablauf ihrer Zeit „aus besonderer Anhänglichkeit an die Republik"
weitere 3000 Mann abgelassen wurden, die ruhmvoll gegen die Türken
kämpften und die Felder des Peloponnes und Euboeas mit schwäbischen Blut
düngten. Während des spanischen Erbfolgekriegs standen, außer dem ver¬
tragsmäßigen Kreiscontingent, von 1704—1714 vier Regimenter im Dienst
der Niederlande und schlugen die Schlachten mit, theils an der Donau, theils
am Rhein. Aus den Resten dieser Truppen sollten im Sommer 1715 zwei
Regimenter wieder für venetianische Dienste gebildet werden. Aber die Feld¬
züge auf classischer Erde scheinen nicht die angenehmsten Erinnerungen zurück¬
gelassen zu haben. Es ist allgemeine Abneigung unter den Officieren vor¬
handen, „einen so weiten und bedenklichen Marsch" anzutreten. Alter, Krank-


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[0110] Protest einmalige Verwilligungen zugestanden wurden „ohne Konsequenz und Präjudiz". Durch geschickte Bearbeitung des ständischen Ausschusses, von dem immer einzelne Mitglieder zu gewinnen waren, brachte es derselbe Fürst dahin , daß ein regelmäßiges Militärbudget aufgestellt wurde, zunächst natur' lich nur auf eine Anzahl von Jahren. Allein es blieb, und es wollte später nie mehr ausreichen, so daß — namentlich unter Herzog Karl — die ge¬ waltsamsten Finanzkünste aufgeboten werden mußten, um das doppelte und dreifache des ordentlichen Budgets zu decken. Das sinnreichste Mittel aber, einen Militairstaat zu halten, wie er dem Splendeur des Fürsten ziemte, ohne doch das eigene Land zu sehr zu be¬ schweren, bestand darin, geworbene Schaaren an fremde kriegführende Mächte zu vermiethen. Der Krieg wurde als ein Geschäft, als eine gewinnbringende Unternehmung betrieben. Der Zweck, für welchen die Truppen verwandt wurden, der Welttheil, in dem sie ihre Heldenthaten verrichten sollten, war völlig gleich¬ gültig. Und das Geschäft muß lohnend gewesen sein, denn bekanntlich finden wir die meisten deutschen Landesväter unter diesen Truppenlieferanten, die freilich insofern den alten Condottieri nicht glichen, als sie inzwischen ge¬ mächlich in Friedenspassionen ihrem großen Vorbild zu Versailles nacheiferten. Solche Liesecungstractate pflegten mit Frankreich, mit Oestreich, mit Venedig, mit den Niederlanden, mit England abgeschlossen zu werden. Ihren Höhe¬ punkt erreichten sie in den Lieferungen für England zur Bekämpfung der nordamerikanischen Freiheit. In Württemberg ist noch heute am bekann¬ testen und haftet am tiefsten im Gedächtniß ein für das Cap abgeschlossener Vertrag, schon weil er Schubart's Caplied veranlaßte, das eines der ver- breitetsten Volkslieder geworden ist, und weil sich ein Riesenproceß von jenem Subsidientractat fortgesponnen hat bis in eine nicht zu ferne Ver- gangenheit. Der erste derartige Vertrag von Seiten Württembergs wurde 1687 mit der Republik Venedig abgeschlossen, in deren Diensten zuerst 1000 Mann, und nach Ablauf ihrer Zeit „aus besonderer Anhänglichkeit an die Republik" weitere 3000 Mann abgelassen wurden, die ruhmvoll gegen die Türken kämpften und die Felder des Peloponnes und Euboeas mit schwäbischen Blut düngten. Während des spanischen Erbfolgekriegs standen, außer dem ver¬ tragsmäßigen Kreiscontingent, von 1704—1714 vier Regimenter im Dienst der Niederlande und schlugen die Schlachten mit, theils an der Donau, theils am Rhein. Aus den Resten dieser Truppen sollten im Sommer 1715 zwei Regimenter wieder für venetianische Dienste gebildet werden. Aber die Feld¬ züge auf classischer Erde scheinen nicht die angenehmsten Erinnerungen zurück¬ gelassen zu haben. Es ist allgemeine Abneigung unter den Officieren vor¬ handen, „einen so weiten und bedenklichen Marsch" anzutreten. Alter, Krank-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/110>, abgerufen am 24.07.2024.