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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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würdigste" erwartet hätte. Wenn schon an der absoluten Tugend und Weisheit
der Ortsseelsorger zu zweifeln erlaubt sei, walte dies Bedenken noch mehr gegen das
Veto der Landesbischöfe ob, da die Rücksichten der.. Religion und Sittlichkeit doch
am Ende mehr oder weniger subjective seien. Vor 300 Jahren habe man die
Lehre, daß die Erde sich um die Sonne bewege, als mit der religiösen Anschauung
unvereinbar erklärt: so könne es auch heutzutage gewisse Wahrheiten geben, die. wie¬
wohl jetzt verketzert, auch von der Kirche dereinst als zulässig erkannt werden würden.

Nun trat der Fürstbischof Nincenz von Brixen selbst an die Spitze seiner
Kämpen. Vor allem versicherte er, daß die vernommenen Vorwürfe an seiner Brust
völlig abprallten, weil sie gedeckt ist vom Schilde des reinsten Bewußtseins und der
innersten Ueberzeugung. Am meisten schmerze ihn, daß der neue, der confessionslose
Staat dazu kommen solle, die religiös-sittliche Erziehung zu überwachen. Darin er¬
blicke er ein schweres Unrecht insbesondere gegen den tiroler Clerus, der seit dem
Jahre 1768 bemüht gewesen, das Volksschulwesen auf dem Lande so sehr zu heben,
daß es da nachgerade "in gar mancher Beziehung unter allen Kronländern obenan
steht." Er erkannte zwar "die liebenswürdige Inconsequenz" der Regierungsvor¬
lage an, die in den Orts-, Bezirks- und Landesschulrath den einen oder anderen
Geistlichen hineinnahm; "allein damit geschehe den gerechten Anforderungen der Kirche
noch lange kein Genüge. In der Vertröstung auf eine bessere Praxis liege nur die
alte östreichische Halbheit." Die Kirche sei in der Volksschule nur dann vertreten,
wenn es dem Bischöfe kraft seines Amtes möglich sei, das Doppelrecht der
Aufsicht und Pflege des sittlich-religiösen Bewußtseins in nachdrücklicher Weise zu üben.
Selbst die Möglichkeit der Bestellung von Protestanten und Juden zu Lehrern
wurde herangezogen trotz der vom Unterrichtsminister betonten praktischen Noth¬
wendigkeit, daß die Erziehung in der Volksschule nur in el nem Sinne zu leiten sei.

Am Schluß der Debatte sprach noch der schlagfertigste Redner, der Statthalter
Freiherr v. Lasser. In andern Landtagen habe man die Regierungsvorlage bekämpft,
weil sie den bisherigen übermächtigen Einfluß der Geistlichkeit immer noch befestige.
Wenn Jemand, der jenen Verhandlungen beigewohnt, in diesen Saal träte, würde
er verwundert fragen, ob hier ein ganz verschiedener Vorschlag gemacht worden, oder
wenn nicht, ob bei den Lehrern, Gemeindevorständen und dem Volke in Tirol so
wenig Sinn für Religion, Sittlichkeit und Bildung vorhanden, daß man die Über¬
wachung der Geistlichkeit durchaus nicht entbehren könne. Keine dieser Voraus¬
setzungen treffe zu; man müßte dem neugierigen Frager aber erwidern, er kenne die¬
jenigen nicht, die den herrschenden Einfluß im Landtage haben und ihre Herrschaft
auch in der Schule behalten wollen. Die der Regierung gemachten Vorwürfe, daß
sie die Schule entchristliche, Juden und Protestanten als Lehrer heranziehe, seien
nur Scheiben, die sich die Herren selbst aufgestellt, um nach Belieben darauf zu
schießen. Der Kirche sei ihr Antheil nicht erst durch eine spätere Inconsequenz.
sondern schon im Gesetze vom 25. Mai 1868 zugewiesen.

Die Gegner bestünden eben nur auf einer Vollzugsvorschrift des VIII. Artikels
des Concordats, wogegen er allerdings reinen Wein einschenken und betonen müsse,
daß der Staat durch das neue Gesetz sein Aufsichtsrecht zu wahren und den schon
von der Kaiserin Maria Theresia ausgesprochenen Grundsatz: "Das Schulwesen ist
und bleibt allzeit ein Politicum" aufrecht zu erhalten denke. Der Ausschuß beab¬
sichtige die wesentlichsten Bestimmungen der Staatsgesetze umzustürzen und Beschlüsse
hervorzurufen, denen die Regierung nicht' zustimmen könne und dürfe. Wer das
beste Mittel die Staatsgesetze in Tirol nicht zur Ausführung kommen zu lassen
darin erblicke, daß man fort und fort ein Landesgesetz beschließe, das die Sanction
der Krone "unmöglich macht", irre sehr. Bei beharrlichem Widerstande des Land¬
tags könne der Reichsrath nach Artikel XI litt. in. des Gesetzes über die Reichs¬
vertretung, die Durchführung der Schulaufsicht in die eigene Hand nehmen.

Bei der Specialdebatte war der vom Ausschuß gestellte Antrag, daß der Seel-


würdigste" erwartet hätte. Wenn schon an der absoluten Tugend und Weisheit
der Ortsseelsorger zu zweifeln erlaubt sei, walte dies Bedenken noch mehr gegen das
Veto der Landesbischöfe ob, da die Rücksichten der.. Religion und Sittlichkeit doch
am Ende mehr oder weniger subjective seien. Vor 300 Jahren habe man die
Lehre, daß die Erde sich um die Sonne bewege, als mit der religiösen Anschauung
unvereinbar erklärt: so könne es auch heutzutage gewisse Wahrheiten geben, die. wie¬
wohl jetzt verketzert, auch von der Kirche dereinst als zulässig erkannt werden würden.

Nun trat der Fürstbischof Nincenz von Brixen selbst an die Spitze seiner
Kämpen. Vor allem versicherte er, daß die vernommenen Vorwürfe an seiner Brust
völlig abprallten, weil sie gedeckt ist vom Schilde des reinsten Bewußtseins und der
innersten Ueberzeugung. Am meisten schmerze ihn, daß der neue, der confessionslose
Staat dazu kommen solle, die religiös-sittliche Erziehung zu überwachen. Darin er¬
blicke er ein schweres Unrecht insbesondere gegen den tiroler Clerus, der seit dem
Jahre 1768 bemüht gewesen, das Volksschulwesen auf dem Lande so sehr zu heben,
daß es da nachgerade „in gar mancher Beziehung unter allen Kronländern obenan
steht." Er erkannte zwar „die liebenswürdige Inconsequenz" der Regierungsvor¬
lage an, die in den Orts-, Bezirks- und Landesschulrath den einen oder anderen
Geistlichen hineinnahm; „allein damit geschehe den gerechten Anforderungen der Kirche
noch lange kein Genüge. In der Vertröstung auf eine bessere Praxis liege nur die
alte östreichische Halbheit." Die Kirche sei in der Volksschule nur dann vertreten,
wenn es dem Bischöfe kraft seines Amtes möglich sei, das Doppelrecht der
Aufsicht und Pflege des sittlich-religiösen Bewußtseins in nachdrücklicher Weise zu üben.
Selbst die Möglichkeit der Bestellung von Protestanten und Juden zu Lehrern
wurde herangezogen trotz der vom Unterrichtsminister betonten praktischen Noth¬
wendigkeit, daß die Erziehung in der Volksschule nur in el nem Sinne zu leiten sei.

Am Schluß der Debatte sprach noch der schlagfertigste Redner, der Statthalter
Freiherr v. Lasser. In andern Landtagen habe man die Regierungsvorlage bekämpft,
weil sie den bisherigen übermächtigen Einfluß der Geistlichkeit immer noch befestige.
Wenn Jemand, der jenen Verhandlungen beigewohnt, in diesen Saal träte, würde
er verwundert fragen, ob hier ein ganz verschiedener Vorschlag gemacht worden, oder
wenn nicht, ob bei den Lehrern, Gemeindevorständen und dem Volke in Tirol so
wenig Sinn für Religion, Sittlichkeit und Bildung vorhanden, daß man die Über¬
wachung der Geistlichkeit durchaus nicht entbehren könne. Keine dieser Voraus¬
setzungen treffe zu; man müßte dem neugierigen Frager aber erwidern, er kenne die¬
jenigen nicht, die den herrschenden Einfluß im Landtage haben und ihre Herrschaft
auch in der Schule behalten wollen. Die der Regierung gemachten Vorwürfe, daß
sie die Schule entchristliche, Juden und Protestanten als Lehrer heranziehe, seien
nur Scheiben, die sich die Herren selbst aufgestellt, um nach Belieben darauf zu
schießen. Der Kirche sei ihr Antheil nicht erst durch eine spätere Inconsequenz.
sondern schon im Gesetze vom 25. Mai 1868 zugewiesen.

Die Gegner bestünden eben nur auf einer Vollzugsvorschrift des VIII. Artikels
des Concordats, wogegen er allerdings reinen Wein einschenken und betonen müsse,
daß der Staat durch das neue Gesetz sein Aufsichtsrecht zu wahren und den schon
von der Kaiserin Maria Theresia ausgesprochenen Grundsatz: „Das Schulwesen ist
und bleibt allzeit ein Politicum" aufrecht zu erhalten denke. Der Ausschuß beab¬
sichtige die wesentlichsten Bestimmungen der Staatsgesetze umzustürzen und Beschlüsse
hervorzurufen, denen die Regierung nicht' zustimmen könne und dürfe. Wer das
beste Mittel die Staatsgesetze in Tirol nicht zur Ausführung kommen zu lassen
darin erblicke, daß man fort und fort ein Landesgesetz beschließe, das die Sanction
der Krone „unmöglich macht", irre sehr. Bei beharrlichem Widerstande des Land¬
tags könne der Reichsrath nach Artikel XI litt. in. des Gesetzes über die Reichs¬
vertretung, die Durchführung der Schulaufsicht in die eigene Hand nehmen.

Bei der Specialdebatte war der vom Ausschuß gestellte Antrag, daß der Seel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/90>, abgerufen am 28.09.2024.