Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wahrscheinlich die Herrschenden daran erinnert, daß ihr eigener Vortheil ge¬
biete, in solchem Fall über ein gewisses Maß von Zorn nicht hinauszugehen.

Auch Anderes an diesem Abenteuer ist lehrreich- die Gefahren diploma¬
tischer Agenten und die Schwierigkeit, eine Botschaft in fremde Lande zu
bringen, vor Allem die politische Stellung Schwedens zum Kaiser und deut¬
schem Reiche. Schon vierzig Jahre vor Gustav Adolf's Landung besteht der
feindliche Gegensatz zwischen germanischem Norden und habsburgischer Politik
in stärkster Spannung, schon damals ist Schlesien ein Stein des Anstoßes, und
es erscheint wie providentiell, daß wieder Schlesien es ist, welches noch im
18. Jahrhundert die letzte segensreiche Einwirkung der schwedischen Macht auf
die Schicksale Deutschlands erfährt, damals als Karl XII. den evangelischen
Schlesiern vor dem Frieden von Altranstädt 1706 Rettung brachte. Wir ver¬
mögen jetzt als eine sehr merkwürdige und gnadenvolle Fügung zu erkennen,
daß in einer Zeit, in welcher die Hohenzollern noch nicht im Stande
waren, den großen Kampf deutscher Nationalität gegen die Habsburgische
Universalmonarchie und die Jesuiten aufzunehmen, die Fürsten der Gothen-
stämme in Schweden durch ihr eigenes Interesse veranlaßt wurden, diesen
Kampf zu beginnen. Der große Kurfürst war der Neffe Gustav Adolf's,
durch ihn ging die Führerschaft in diesem großen Entwickelungskampfe
auf Brandenburg über. Die Hohenzollern wurden die Erben der schwedi¬
schen Interessen auch an der Ostseeküste; Friedrich II. setzte siegreich
den Kampf um Schlesien fort; die Kämpfe der jüngsten Vergangenheit ent¬
schieden die nationale Selbständigkeit der deutschen Politik. Aber auch gegen
Rußland ist Preußen der Erbe Schwedens geworden, und zu den Pflichten
und Lasten unserer Zukunft gehört auch der Schutz des germanischen Ele¬
mentes längs der entfernten Küste, von welcher Erich Lassota das Reich
Mostow zu erreichen suchte.

Als Lassota nach dreijähriger Gefangenschaft nach Oestreich zurückkehrte,
wurde seine erprobte Treue vom Kaiser zu neuen schwierigen Aufträgen ge¬
braucht bei den zaporogischen Kosaken, in Ungarn. Im Jahre 1611 wurde
der vielgeprüfte Mann kaiserlicher Rath. Ueber seine letzten Lebensschicksale
ist Nichts bekannt.




Die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.

An den deutschen Küsten. Nordsee und Ostsee verstanden, sind im
Jahre 1868 im Ganzen IIS Schiffe verunglückt, gegen 128 im Jahre 1867
und 81 im Jahre 1866. Darunter waren 66 deutsche und 60 fremde, --
Si eigentliche Seeschiffe und 64 Küstenfahrer. nachweislich verunglückten


wahrscheinlich die Herrschenden daran erinnert, daß ihr eigener Vortheil ge¬
biete, in solchem Fall über ein gewisses Maß von Zorn nicht hinauszugehen.

Auch Anderes an diesem Abenteuer ist lehrreich- die Gefahren diploma¬
tischer Agenten und die Schwierigkeit, eine Botschaft in fremde Lande zu
bringen, vor Allem die politische Stellung Schwedens zum Kaiser und deut¬
schem Reiche. Schon vierzig Jahre vor Gustav Adolf's Landung besteht der
feindliche Gegensatz zwischen germanischem Norden und habsburgischer Politik
in stärkster Spannung, schon damals ist Schlesien ein Stein des Anstoßes, und
es erscheint wie providentiell, daß wieder Schlesien es ist, welches noch im
18. Jahrhundert die letzte segensreiche Einwirkung der schwedischen Macht auf
die Schicksale Deutschlands erfährt, damals als Karl XII. den evangelischen
Schlesiern vor dem Frieden von Altranstädt 1706 Rettung brachte. Wir ver¬
mögen jetzt als eine sehr merkwürdige und gnadenvolle Fügung zu erkennen,
daß in einer Zeit, in welcher die Hohenzollern noch nicht im Stande
waren, den großen Kampf deutscher Nationalität gegen die Habsburgische
Universalmonarchie und die Jesuiten aufzunehmen, die Fürsten der Gothen-
stämme in Schweden durch ihr eigenes Interesse veranlaßt wurden, diesen
Kampf zu beginnen. Der große Kurfürst war der Neffe Gustav Adolf's,
durch ihn ging die Führerschaft in diesem großen Entwickelungskampfe
auf Brandenburg über. Die Hohenzollern wurden die Erben der schwedi¬
schen Interessen auch an der Ostseeküste; Friedrich II. setzte siegreich
den Kampf um Schlesien fort; die Kämpfe der jüngsten Vergangenheit ent¬
schieden die nationale Selbständigkeit der deutschen Politik. Aber auch gegen
Rußland ist Preußen der Erbe Schwedens geworden, und zu den Pflichten
und Lasten unserer Zukunft gehört auch der Schutz des germanischen Ele¬
mentes längs der entfernten Küste, von welcher Erich Lassota das Reich
Mostow zu erreichen suchte.

Als Lassota nach dreijähriger Gefangenschaft nach Oestreich zurückkehrte,
wurde seine erprobte Treue vom Kaiser zu neuen schwierigen Aufträgen ge¬
braucht bei den zaporogischen Kosaken, in Ungarn. Im Jahre 1611 wurde
der vielgeprüfte Mann kaiserlicher Rath. Ueber seine letzten Lebensschicksale
ist Nichts bekannt.




Die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.

An den deutschen Küsten. Nordsee und Ostsee verstanden, sind im
Jahre 1868 im Ganzen IIS Schiffe verunglückt, gegen 128 im Jahre 1867
und 81 im Jahre 1866. Darunter waren 66 deutsche und 60 fremde, —
Si eigentliche Seeschiffe und 64 Küstenfahrer. nachweislich verunglückten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120673"/>
          <p xml:id="ID_1416" prev="#ID_1415"> wahrscheinlich die Herrschenden daran erinnert, daß ihr eigener Vortheil ge¬<lb/>
biete, in solchem Fall über ein gewisses Maß von Zorn nicht hinauszugehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1417"> Auch Anderes an diesem Abenteuer ist lehrreich- die Gefahren diploma¬<lb/>
tischer Agenten und die Schwierigkeit, eine Botschaft in fremde Lande zu<lb/>
bringen, vor Allem die politische Stellung Schwedens zum Kaiser und deut¬<lb/>
schem Reiche. Schon vierzig Jahre vor Gustav Adolf's Landung besteht der<lb/>
feindliche Gegensatz zwischen germanischem Norden und habsburgischer Politik<lb/>
in stärkster Spannung, schon damals ist Schlesien ein Stein des Anstoßes, und<lb/>
es erscheint wie providentiell, daß wieder Schlesien es ist, welches noch im<lb/>
18. Jahrhundert die letzte segensreiche Einwirkung der schwedischen Macht auf<lb/>
die Schicksale Deutschlands erfährt, damals als Karl XII. den evangelischen<lb/>
Schlesiern vor dem Frieden von Altranstädt 1706 Rettung brachte. Wir ver¬<lb/>
mögen jetzt als eine sehr merkwürdige und gnadenvolle Fügung zu erkennen,<lb/>
daß in einer Zeit, in welcher die Hohenzollern noch nicht im Stande<lb/>
waren, den großen Kampf deutscher Nationalität gegen die Habsburgische<lb/>
Universalmonarchie und die Jesuiten aufzunehmen, die Fürsten der Gothen-<lb/>
stämme in Schweden durch ihr eigenes Interesse veranlaßt wurden, diesen<lb/>
Kampf zu beginnen. Der große Kurfürst war der Neffe Gustav Adolf's,<lb/>
durch ihn ging die Führerschaft in diesem großen Entwickelungskampfe<lb/>
auf Brandenburg über. Die Hohenzollern wurden die Erben der schwedi¬<lb/>
schen Interessen auch an der Ostseeküste; Friedrich II. setzte siegreich<lb/>
den Kampf um Schlesien fort; die Kämpfe der jüngsten Vergangenheit ent¬<lb/>
schieden die nationale Selbständigkeit der deutschen Politik. Aber auch gegen<lb/>
Rußland ist Preußen der Erbe Schwedens geworden, und zu den Pflichten<lb/>
und Lasten unserer Zukunft gehört auch der Schutz des germanischen Ele¬<lb/>
mentes längs der entfernten Küste, von welcher Erich Lassota das Reich<lb/>
Mostow zu erreichen suchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1418"> Als Lassota nach dreijähriger Gefangenschaft nach Oestreich zurückkehrte,<lb/>
wurde seine erprobte Treue vom Kaiser zu neuen schwierigen Aufträgen ge¬<lb/>
braucht bei den zaporogischen Kosaken, in Ungarn. Im Jahre 1611 wurde<lb/>
der vielgeprüfte Mann kaiserlicher Rath. Ueber seine letzten Lebensschicksale<lb/>
ist Nichts bekannt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1419" next="#ID_1420"> An den deutschen Küsten. Nordsee und Ostsee verstanden, sind im<lb/>
Jahre 1868 im Ganzen IIS Schiffe verunglückt, gegen 128 im Jahre 1867<lb/>
und 81 im Jahre 1866. Darunter waren 66 deutsche und 60 fremde, &#x2014;<lb/>
Si eigentliche Seeschiffe und 64 Küstenfahrer.  nachweislich verunglückten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0484] wahrscheinlich die Herrschenden daran erinnert, daß ihr eigener Vortheil ge¬ biete, in solchem Fall über ein gewisses Maß von Zorn nicht hinauszugehen. Auch Anderes an diesem Abenteuer ist lehrreich- die Gefahren diploma¬ tischer Agenten und die Schwierigkeit, eine Botschaft in fremde Lande zu bringen, vor Allem die politische Stellung Schwedens zum Kaiser und deut¬ schem Reiche. Schon vierzig Jahre vor Gustav Adolf's Landung besteht der feindliche Gegensatz zwischen germanischem Norden und habsburgischer Politik in stärkster Spannung, schon damals ist Schlesien ein Stein des Anstoßes, und es erscheint wie providentiell, daß wieder Schlesien es ist, welches noch im 18. Jahrhundert die letzte segensreiche Einwirkung der schwedischen Macht auf die Schicksale Deutschlands erfährt, damals als Karl XII. den evangelischen Schlesiern vor dem Frieden von Altranstädt 1706 Rettung brachte. Wir ver¬ mögen jetzt als eine sehr merkwürdige und gnadenvolle Fügung zu erkennen, daß in einer Zeit, in welcher die Hohenzollern noch nicht im Stande waren, den großen Kampf deutscher Nationalität gegen die Habsburgische Universalmonarchie und die Jesuiten aufzunehmen, die Fürsten der Gothen- stämme in Schweden durch ihr eigenes Interesse veranlaßt wurden, diesen Kampf zu beginnen. Der große Kurfürst war der Neffe Gustav Adolf's, durch ihn ging die Führerschaft in diesem großen Entwickelungskampfe auf Brandenburg über. Die Hohenzollern wurden die Erben der schwedi¬ schen Interessen auch an der Ostseeküste; Friedrich II. setzte siegreich den Kampf um Schlesien fort; die Kämpfe der jüngsten Vergangenheit ent¬ schieden die nationale Selbständigkeit der deutschen Politik. Aber auch gegen Rußland ist Preußen der Erbe Schwedens geworden, und zu den Pflichten und Lasten unserer Zukunft gehört auch der Schutz des germanischen Ele¬ mentes längs der entfernten Küste, von welcher Erich Lassota das Reich Mostow zu erreichen suchte. Als Lassota nach dreijähriger Gefangenschaft nach Oestreich zurückkehrte, wurde seine erprobte Treue vom Kaiser zu neuen schwierigen Aufträgen ge¬ braucht bei den zaporogischen Kosaken, in Ungarn. Im Jahre 1611 wurde der vielgeprüfte Mann kaiserlicher Rath. Ueber seine letzten Lebensschicksale ist Nichts bekannt. Die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. An den deutschen Küsten. Nordsee und Ostsee verstanden, sind im Jahre 1868 im Ganzen IIS Schiffe verunglückt, gegen 128 im Jahre 1867 und 81 im Jahre 1866. Darunter waren 66 deutsche und 60 fremde, — Si eigentliche Seeschiffe und 64 Küstenfahrer. nachweislich verunglückten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/484
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/484>, abgerufen am 28.09.2024.