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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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bin ick heftig erschrocken, doch habe ich es nicht merken lassen, und da ich
sah, daß ich schon verrathen war und auf meiner Aussage, die ich zu Narva
gethan, nicht werde bestehen können, habe ich auf einen anderen Anschlag
denken müssen. Ich ließ meinen Dienern auf dem anderen Schiff sagen, daß
sie mir etliche Flaschen mit Bier, woran wir Mangel hatten, schicken sollten,
und als sie zu mir kamen, zeigte ich ihnen an, Hermann sei gefangen, und
es sei vergebens,, bei der vorigen Aussage zu bleiben; sie möchten deshalb
frei heraus bekennen, daß sie meine Diener wären; sie wüßten aber von mei¬
nen Sachen nichts weiter, als daß ich mit kaiserlichen Briefen nach Moskau
geschickt worden sei, die ich den Tag zuvor, ehe man uns gefangen, verbrannt
hätte. Mit solcher Information entließ ich sie.

Als wir am 17. December durch die Aalandischen Scheeren fuhren, ist
Hauptmann Abraham Nielson mit drei Trabanten aus der königlichen
Guardia mit Befehl vom König gekommen, uns auf einem kleinen Boot
schleunigst nach Schweden zu bringen, wenn die großen Schiffe wegen Frost
in Finnland wintern müßten. Und er meldete, daß ihm der König selbst
persönlich befohlen, mit seinem Kopf für uns zu stehen. Damit hat er uns
zwar schlechten Trost gegeben, denn wir hatten uns böser Liebe zu besorgen;
doch ließen wir uns das nicht merken. Am 19. December stiegen wir von
der Galeere und fuhren auf einem Boot bis nahe an Stockholm, von da zu
Schlitten bis gen Upsala.

Als wir dort am 22. December ankamen, schickte Herzog Karl, des Kö¬
nigs Bruder, etliche seiner Hofjunker und Diener zu uns und ließ uns auf
das Schloß fordern. Dort hatten wir im Beisein des Herrn Ricks Gulden¬
stern, obersten Kanzlers der K-one Schweden, und etlicher anderer Herren
aus dem Reichsrath ein seltsames Gespräch mit dem Herzog, denn er ver¬
meinte, we^en meiner Reise nach Moskau große Geheimnisse zu erfahren; ich
aber richtete meine Rede und Antwort ein, wie es damals die Zeit forderte,
und gab an, ich sei nur mit kaiserlichen Schreiben, deren Inhalt mir un¬
bekannt, an den Großfürsten in Moskau abgefertigt worden, in Kurzem
hätte eine große Botschaft nachfolgen sollen. Damit wollte er nicht zufrieden
sein, sondern setzte mir mit ungestümen Worten und Geberden hart zu. Er
wüßte recht gut, daß ich kein einfacher Briefträger, sondern in mehr ein¬
geweiht sei, als ich vorgehe, und darum sollte und müßte ich ihm bekennen,
was mir in Moskau zu verrichten befohlen worden, oder aber er wollte, so
wahr er adlich geboren sei, die Diebeshenker über mich schicken. Darauf
protestirte ich gegen Gewalt und bat, Fürstliche Durchlaucht wolle sich als
ein christlicher Potentat zunächst anders bedenken und nicht solche Mittel
gegen mich anwenden. Er aber antwortete: "Du bist der rechten Gesellen
einer. Mir ist in zwölf Jahren Keiner vorgekommen, den ich lieber gesehen


bin ick heftig erschrocken, doch habe ich es nicht merken lassen, und da ich
sah, daß ich schon verrathen war und auf meiner Aussage, die ich zu Narva
gethan, nicht werde bestehen können, habe ich auf einen anderen Anschlag
denken müssen. Ich ließ meinen Dienern auf dem anderen Schiff sagen, daß
sie mir etliche Flaschen mit Bier, woran wir Mangel hatten, schicken sollten,
und als sie zu mir kamen, zeigte ich ihnen an, Hermann sei gefangen, und
es sei vergebens,, bei der vorigen Aussage zu bleiben; sie möchten deshalb
frei heraus bekennen, daß sie meine Diener wären; sie wüßten aber von mei¬
nen Sachen nichts weiter, als daß ich mit kaiserlichen Briefen nach Moskau
geschickt worden sei, die ich den Tag zuvor, ehe man uns gefangen, verbrannt
hätte. Mit solcher Information entließ ich sie.

Als wir am 17. December durch die Aalandischen Scheeren fuhren, ist
Hauptmann Abraham Nielson mit drei Trabanten aus der königlichen
Guardia mit Befehl vom König gekommen, uns auf einem kleinen Boot
schleunigst nach Schweden zu bringen, wenn die großen Schiffe wegen Frost
in Finnland wintern müßten. Und er meldete, daß ihm der König selbst
persönlich befohlen, mit seinem Kopf für uns zu stehen. Damit hat er uns
zwar schlechten Trost gegeben, denn wir hatten uns böser Liebe zu besorgen;
doch ließen wir uns das nicht merken. Am 19. December stiegen wir von
der Galeere und fuhren auf einem Boot bis nahe an Stockholm, von da zu
Schlitten bis gen Upsala.

Als wir dort am 22. December ankamen, schickte Herzog Karl, des Kö¬
nigs Bruder, etliche seiner Hofjunker und Diener zu uns und ließ uns auf
das Schloß fordern. Dort hatten wir im Beisein des Herrn Ricks Gulden¬
stern, obersten Kanzlers der K-one Schweden, und etlicher anderer Herren
aus dem Reichsrath ein seltsames Gespräch mit dem Herzog, denn er ver¬
meinte, we^en meiner Reise nach Moskau große Geheimnisse zu erfahren; ich
aber richtete meine Rede und Antwort ein, wie es damals die Zeit forderte,
und gab an, ich sei nur mit kaiserlichen Schreiben, deren Inhalt mir un¬
bekannt, an den Großfürsten in Moskau abgefertigt worden, in Kurzem
hätte eine große Botschaft nachfolgen sollen. Damit wollte er nicht zufrieden
sein, sondern setzte mir mit ungestümen Worten und Geberden hart zu. Er
wüßte recht gut, daß ich kein einfacher Briefträger, sondern in mehr ein¬
geweiht sei, als ich vorgehe, und darum sollte und müßte ich ihm bekennen,
was mir in Moskau zu verrichten befohlen worden, oder aber er wollte, so
wahr er adlich geboren sei, die Diebeshenker über mich schicken. Darauf
protestirte ich gegen Gewalt und bat, Fürstliche Durchlaucht wolle sich als
ein christlicher Potentat zunächst anders bedenken und nicht solche Mittel
gegen mich anwenden. Er aber antwortete: „Du bist der rechten Gesellen
einer. Mir ist in zwölf Jahren Keiner vorgekommen, den ich lieber gesehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/476>, abgerufen am 20.10.2024.