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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Herausgeber dafür und für die einleitenden biographischen Notizen zu Dank
verpflichtet, denn er eröffnet uns Einblick in ein vielbewegtes Menschenleben,
welches sich gefügig und klug in den harten Kämpfen seiner Zeit tummelt
und an mehreren wichtigen Zeitereignissen betheiligt ist. Erich lernte 1567
auf der lateinischen Schule zu Görlitz. dann in Leipzig, 1573 ging er nach
Italien, wie es scheint, um in Padua zu studiren. nach seiner Rückkehr nahm
er Kriegsdienst in einem Regiment deutscher Knechte, welches König Philipp II.
von Spanien zum Krieg gegen Portugal anwarb. Sein Regiment half
Portugal erobern und wurde wiederholt gegen die Azoren eingeschifft, deren
Besetzung er schildert. Nach seiner Rückkehr wurde Lassota 1585 Hofdiener
Kaiser Rudolph's, bald vertrauter Diener des Erzherzogs Maximilian; in
dieser Eigenschaft wurde er vielfach als diplomatischer Agent, aber auch als
Kriegsmann bei den unglücklichen Versuchen Maximilian's, die polnische
Königskrone zu erwerben, verwandt. Er führte eine Zeitlang den Befehl
über das Kriegsvolk. welches Maximilian zum Erwerb des polnischen Reiches
geworben hatte und wurde bei Pirschen mit seinem Erzherzog von den Polen
gefangen; endlich im Jahr 1590 mit einem geheimen Auftrage zum Czaren von
Moskau gesandt. Seine Schicksale auf dieser Fahrt sollen im Folgenden
nach seinem Tagebuch in getreuer Uebertragung mit wenigen unwesentlichen
Auslassungen geschildert werden. Erich Lassota erzählt:

"Den 21. September 1590 habe ich zu Lübeck mit einem Schiffer Keiften
Asmus von Sonderburg den Vertrag geschlossen, daß er mich an die Naroa
führen und daselbst auf der russischen Seite absetzen sollte, wogegen ich ihm
246 Thaler zusagte. Sein Schiff war 40 Lasten groß und sonst mit keiner
Kaufmannschaft beladen.

Am 15, October sind wir ziemlich hoch in der See die Mündung der
Narva vorübergelaufen, und als der Schiffer das Loth warfund nicht mehr
als drei Faden Tiefe fand, hat er alsbald die Segel gestrichen und mir ge¬
rathen, daß ich mich von da auf dem Boot, das wir anführten, an das
Land sollte setzen lassen, weil es wegen dem seichten Ufer, wegen der steilen
und blinden Klippen sorglich sei, mit dem großen Schiff sich näher ans Land
zu wagen. Deshalb habe ich sogleich meine Sachen in das Boot gebracht,
bin mit meinen Dienern eingestiegen und sammt dem Schiffer und drei
Bootsknechten dem Lande zugefahren. Auf dem Schiffe ist Niemand ge¬
blieben, als nur der Steuermann; da aber die See ungestüm war und große
Wellen gab. auch das Wasser oft in das Boot schlug, ist uns nicht ganz
wohl zu Muth gewesen. Wir sind aber nach ungefähr drei Stunden, da
eben der Tag anbrach, glücklich zu Land gekommen. Als wir nun aus¬
gestiegen waren, habe ich den Bootsleuten einen Dukaten verehrt und einen
Thaler gegeben, den sie in ein Spital ihrer Heimath verehren sollten, habe


os*

Herausgeber dafür und für die einleitenden biographischen Notizen zu Dank
verpflichtet, denn er eröffnet uns Einblick in ein vielbewegtes Menschenleben,
welches sich gefügig und klug in den harten Kämpfen seiner Zeit tummelt
und an mehreren wichtigen Zeitereignissen betheiligt ist. Erich lernte 1567
auf der lateinischen Schule zu Görlitz. dann in Leipzig, 1573 ging er nach
Italien, wie es scheint, um in Padua zu studiren. nach seiner Rückkehr nahm
er Kriegsdienst in einem Regiment deutscher Knechte, welches König Philipp II.
von Spanien zum Krieg gegen Portugal anwarb. Sein Regiment half
Portugal erobern und wurde wiederholt gegen die Azoren eingeschifft, deren
Besetzung er schildert. Nach seiner Rückkehr wurde Lassota 1585 Hofdiener
Kaiser Rudolph's, bald vertrauter Diener des Erzherzogs Maximilian; in
dieser Eigenschaft wurde er vielfach als diplomatischer Agent, aber auch als
Kriegsmann bei den unglücklichen Versuchen Maximilian's, die polnische
Königskrone zu erwerben, verwandt. Er führte eine Zeitlang den Befehl
über das Kriegsvolk. welches Maximilian zum Erwerb des polnischen Reiches
geworben hatte und wurde bei Pirschen mit seinem Erzherzog von den Polen
gefangen; endlich im Jahr 1590 mit einem geheimen Auftrage zum Czaren von
Moskau gesandt. Seine Schicksale auf dieser Fahrt sollen im Folgenden
nach seinem Tagebuch in getreuer Uebertragung mit wenigen unwesentlichen
Auslassungen geschildert werden. Erich Lassota erzählt:

„Den 21. September 1590 habe ich zu Lübeck mit einem Schiffer Keiften
Asmus von Sonderburg den Vertrag geschlossen, daß er mich an die Naroa
führen und daselbst auf der russischen Seite absetzen sollte, wogegen ich ihm
246 Thaler zusagte. Sein Schiff war 40 Lasten groß und sonst mit keiner
Kaufmannschaft beladen.

Am 15, October sind wir ziemlich hoch in der See die Mündung der
Narva vorübergelaufen, und als der Schiffer das Loth warfund nicht mehr
als drei Faden Tiefe fand, hat er alsbald die Segel gestrichen und mir ge¬
rathen, daß ich mich von da auf dem Boot, das wir anführten, an das
Land sollte setzen lassen, weil es wegen dem seichten Ufer, wegen der steilen
und blinden Klippen sorglich sei, mit dem großen Schiff sich näher ans Land
zu wagen. Deshalb habe ich sogleich meine Sachen in das Boot gebracht,
bin mit meinen Dienern eingestiegen und sammt dem Schiffer und drei
Bootsknechten dem Lande zugefahren. Auf dem Schiffe ist Niemand ge¬
blieben, als nur der Steuermann; da aber die See ungestüm war und große
Wellen gab. auch das Wasser oft in das Boot schlug, ist uns nicht ganz
wohl zu Muth gewesen. Wir sind aber nach ungefähr drei Stunden, da
eben der Tag anbrach, glücklich zu Land gekommen. Als wir nun aus¬
gestiegen waren, habe ich den Bootsleuten einen Dukaten verehrt und einen
Thaler gegeben, den sie in ein Spital ihrer Heimath verehren sollten, habe


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[0471] Herausgeber dafür und für die einleitenden biographischen Notizen zu Dank verpflichtet, denn er eröffnet uns Einblick in ein vielbewegtes Menschenleben, welches sich gefügig und klug in den harten Kämpfen seiner Zeit tummelt und an mehreren wichtigen Zeitereignissen betheiligt ist. Erich lernte 1567 auf der lateinischen Schule zu Görlitz. dann in Leipzig, 1573 ging er nach Italien, wie es scheint, um in Padua zu studiren. nach seiner Rückkehr nahm er Kriegsdienst in einem Regiment deutscher Knechte, welches König Philipp II. von Spanien zum Krieg gegen Portugal anwarb. Sein Regiment half Portugal erobern und wurde wiederholt gegen die Azoren eingeschifft, deren Besetzung er schildert. Nach seiner Rückkehr wurde Lassota 1585 Hofdiener Kaiser Rudolph's, bald vertrauter Diener des Erzherzogs Maximilian; in dieser Eigenschaft wurde er vielfach als diplomatischer Agent, aber auch als Kriegsmann bei den unglücklichen Versuchen Maximilian's, die polnische Königskrone zu erwerben, verwandt. Er führte eine Zeitlang den Befehl über das Kriegsvolk. welches Maximilian zum Erwerb des polnischen Reiches geworben hatte und wurde bei Pirschen mit seinem Erzherzog von den Polen gefangen; endlich im Jahr 1590 mit einem geheimen Auftrage zum Czaren von Moskau gesandt. Seine Schicksale auf dieser Fahrt sollen im Folgenden nach seinem Tagebuch in getreuer Uebertragung mit wenigen unwesentlichen Auslassungen geschildert werden. Erich Lassota erzählt: „Den 21. September 1590 habe ich zu Lübeck mit einem Schiffer Keiften Asmus von Sonderburg den Vertrag geschlossen, daß er mich an die Naroa führen und daselbst auf der russischen Seite absetzen sollte, wogegen ich ihm 246 Thaler zusagte. Sein Schiff war 40 Lasten groß und sonst mit keiner Kaufmannschaft beladen. Am 15, October sind wir ziemlich hoch in der See die Mündung der Narva vorübergelaufen, und als der Schiffer das Loth warfund nicht mehr als drei Faden Tiefe fand, hat er alsbald die Segel gestrichen und mir ge¬ rathen, daß ich mich von da auf dem Boot, das wir anführten, an das Land sollte setzen lassen, weil es wegen dem seichten Ufer, wegen der steilen und blinden Klippen sorglich sei, mit dem großen Schiff sich näher ans Land zu wagen. Deshalb habe ich sogleich meine Sachen in das Boot gebracht, bin mit meinen Dienern eingestiegen und sammt dem Schiffer und drei Bootsknechten dem Lande zugefahren. Auf dem Schiffe ist Niemand ge¬ blieben, als nur der Steuermann; da aber die See ungestüm war und große Wellen gab. auch das Wasser oft in das Boot schlug, ist uns nicht ganz wohl zu Muth gewesen. Wir sind aber nach ungefähr drei Stunden, da eben der Tag anbrach, glücklich zu Land gekommen. Als wir nun aus¬ gestiegen waren, habe ich den Bootsleuten einen Dukaten verehrt und einen Thaler gegeben, den sie in ein Spital ihrer Heimath verehren sollten, habe os*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/471>, abgerufen am 28.09.2024.