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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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I. 416) ist zu lesen: "Die Medici zeigen sich hier so unerbittlich, daß einer
von den Valori's . . . nur deshalb zum Tode und zu ewigem Gefängniß
verurtheilt wird ze." (Unbillige Autorengrausamkeit, erst zu tödten und dann
einzusperren!) Bd. II. 254 (1. Aufl. II. 160) wird die Kirche Se. Miniato
ohne Weiteres "den besten hohenstaufischen Zeiten" zugeschrieben, während
sie eine Neugründung Kaiser Heinrich's II. und der Kunigunde vom 1.1013
ist und die vorgebrachten Zweifel gegen die Zurückführung des jetzigen Baues
auf diese Zeit noch nicht genügend erörtert sind (vergl. Schnaase, Gesch. d.
b. K. IV. 2. S. 192. u. VII, 1. S. 81 ff.). Bd. III. 39 (1. Aufl. II. 239)
ist die architectonische Beschreibung der Kapelle bei Se. Lorenzo falsch. "Die
Fußspitzen der auf den Sarkophagen liegenden Gestalten" erreichen keineswegs
"beinahe die die Ecken der Sakristei bildenden starken Pfeiler aus dunklem
Marmor," denn zwischen der Architectur, innerhalb deren die Sarkophage
stehen, und den Ecken der Sacristei befinden sich noch Thüren. Wenige
Zeilen weiter wird das Gesims, welches den Sockel der Wand schließt, und
auf welchem die Pilaster aufsitzen, ein "kühn vorspringender, die Breite der
Wand durchschneidender Fries" genannt. Eine derartige Ungenauigkeit muß
lästig berühren, da entweder der Verfasser aus einer trüben Erinnerung her¬
aus seine Beschreibung gemacht oder den Unterschied zweier so wesentlich
verschiedener baulicher Glieder, wie Gesims und Fries, nicht beachtet hat.
-- Auch die undeutsche Art, zeitwortlose "kurze Sätze mit prägnanten Schlag¬
wörtern" (Bd. III. 61) möglichst anzuwenden, findet sich, mit allzugroßer
Hartnäckigkeit gehegt, unverändert in der dritten Auflage vor.

Endlich muß der beharrlich festgehaltene Mangel eines sachlichen Ver¬
zeichnisses, das zur dauernden Benutzung des Buches ein unentbehrliches
Hilfsmittel ist, gerügt werden. Einige Züge von Nichtbeachtung der bezüg¬
lichen Literatur oder neuerer Ereignisse im Bereiche der neudeutschen Kunst,
deren andeutende Erwähnung den Schluß des Buches bildet, lassen wir gern
auf sich beruhen. Denn der Kritik kann es billig erspart werden, dasjenige
des Längerer zu erörtern, was jeder Leser sehr bald nothwendig gewahr
werden muß: daß das Buch mit einem unnöthig gesteigerten, fast gereizten
Selbstgefühl geschrieben ist, was der Sache, um die es uns einzig zu thun
ist, mehrfach nicht dienlich war.

Unsere Bedenken oder Ausstellungen richten sich also ausschließlich auf
Dinge, die von einer fleißigen und wahrhaft tüchtigen Arbeit unter allen
Umständen gefordert werden müssen, die nicht vom Belieben oder einer
genialischer Laune des Einzelnen abhängen, sondern die aus allgemeinen und
unabänderlichen Bedingungen sich ergeben. Es muß wunder nehmen, daß
ein Schriftsteller von Hermann Grimm's Bedeutung diesen Anforderungen


I. 416) ist zu lesen: „Die Medici zeigen sich hier so unerbittlich, daß einer
von den Valori's . . . nur deshalb zum Tode und zu ewigem Gefängniß
verurtheilt wird ze." (Unbillige Autorengrausamkeit, erst zu tödten und dann
einzusperren!) Bd. II. 254 (1. Aufl. II. 160) wird die Kirche Se. Miniato
ohne Weiteres „den besten hohenstaufischen Zeiten" zugeschrieben, während
sie eine Neugründung Kaiser Heinrich's II. und der Kunigunde vom 1.1013
ist und die vorgebrachten Zweifel gegen die Zurückführung des jetzigen Baues
auf diese Zeit noch nicht genügend erörtert sind (vergl. Schnaase, Gesch. d.
b. K. IV. 2. S. 192. u. VII, 1. S. 81 ff.). Bd. III. 39 (1. Aufl. II. 239)
ist die architectonische Beschreibung der Kapelle bei Se. Lorenzo falsch. „Die
Fußspitzen der auf den Sarkophagen liegenden Gestalten" erreichen keineswegs
„beinahe die die Ecken der Sakristei bildenden starken Pfeiler aus dunklem
Marmor," denn zwischen der Architectur, innerhalb deren die Sarkophage
stehen, und den Ecken der Sacristei befinden sich noch Thüren. Wenige
Zeilen weiter wird das Gesims, welches den Sockel der Wand schließt, und
auf welchem die Pilaster aufsitzen, ein „kühn vorspringender, die Breite der
Wand durchschneidender Fries" genannt. Eine derartige Ungenauigkeit muß
lästig berühren, da entweder der Verfasser aus einer trüben Erinnerung her¬
aus seine Beschreibung gemacht oder den Unterschied zweier so wesentlich
verschiedener baulicher Glieder, wie Gesims und Fries, nicht beachtet hat.
— Auch die undeutsche Art, zeitwortlose „kurze Sätze mit prägnanten Schlag¬
wörtern" (Bd. III. 61) möglichst anzuwenden, findet sich, mit allzugroßer
Hartnäckigkeit gehegt, unverändert in der dritten Auflage vor.

Endlich muß der beharrlich festgehaltene Mangel eines sachlichen Ver¬
zeichnisses, das zur dauernden Benutzung des Buches ein unentbehrliches
Hilfsmittel ist, gerügt werden. Einige Züge von Nichtbeachtung der bezüg¬
lichen Literatur oder neuerer Ereignisse im Bereiche der neudeutschen Kunst,
deren andeutende Erwähnung den Schluß des Buches bildet, lassen wir gern
auf sich beruhen. Denn der Kritik kann es billig erspart werden, dasjenige
des Längerer zu erörtern, was jeder Leser sehr bald nothwendig gewahr
werden muß: daß das Buch mit einem unnöthig gesteigerten, fast gereizten
Selbstgefühl geschrieben ist, was der Sache, um die es uns einzig zu thun
ist, mehrfach nicht dienlich war.

Unsere Bedenken oder Ausstellungen richten sich also ausschließlich auf
Dinge, die von einer fleißigen und wahrhaft tüchtigen Arbeit unter allen
Umständen gefordert werden müssen, die nicht vom Belieben oder einer
genialischer Laune des Einzelnen abhängen, sondern die aus allgemeinen und
unabänderlichen Bedingungen sich ergeben. Es muß wunder nehmen, daß
ein Schriftsteller von Hermann Grimm's Bedeutung diesen Anforderungen


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[0394] I. 416) ist zu lesen: „Die Medici zeigen sich hier so unerbittlich, daß einer von den Valori's . . . nur deshalb zum Tode und zu ewigem Gefängniß verurtheilt wird ze." (Unbillige Autorengrausamkeit, erst zu tödten und dann einzusperren!) Bd. II. 254 (1. Aufl. II. 160) wird die Kirche Se. Miniato ohne Weiteres „den besten hohenstaufischen Zeiten" zugeschrieben, während sie eine Neugründung Kaiser Heinrich's II. und der Kunigunde vom 1.1013 ist und die vorgebrachten Zweifel gegen die Zurückführung des jetzigen Baues auf diese Zeit noch nicht genügend erörtert sind (vergl. Schnaase, Gesch. d. b. K. IV. 2. S. 192. u. VII, 1. S. 81 ff.). Bd. III. 39 (1. Aufl. II. 239) ist die architectonische Beschreibung der Kapelle bei Se. Lorenzo falsch. „Die Fußspitzen der auf den Sarkophagen liegenden Gestalten" erreichen keineswegs „beinahe die die Ecken der Sakristei bildenden starken Pfeiler aus dunklem Marmor," denn zwischen der Architectur, innerhalb deren die Sarkophage stehen, und den Ecken der Sacristei befinden sich noch Thüren. Wenige Zeilen weiter wird das Gesims, welches den Sockel der Wand schließt, und auf welchem die Pilaster aufsitzen, ein „kühn vorspringender, die Breite der Wand durchschneidender Fries" genannt. Eine derartige Ungenauigkeit muß lästig berühren, da entweder der Verfasser aus einer trüben Erinnerung her¬ aus seine Beschreibung gemacht oder den Unterschied zweier so wesentlich verschiedener baulicher Glieder, wie Gesims und Fries, nicht beachtet hat. — Auch die undeutsche Art, zeitwortlose „kurze Sätze mit prägnanten Schlag¬ wörtern" (Bd. III. 61) möglichst anzuwenden, findet sich, mit allzugroßer Hartnäckigkeit gehegt, unverändert in der dritten Auflage vor. Endlich muß der beharrlich festgehaltene Mangel eines sachlichen Ver¬ zeichnisses, das zur dauernden Benutzung des Buches ein unentbehrliches Hilfsmittel ist, gerügt werden. Einige Züge von Nichtbeachtung der bezüg¬ lichen Literatur oder neuerer Ereignisse im Bereiche der neudeutschen Kunst, deren andeutende Erwähnung den Schluß des Buches bildet, lassen wir gern auf sich beruhen. Denn der Kritik kann es billig erspart werden, dasjenige des Längerer zu erörtern, was jeder Leser sehr bald nothwendig gewahr werden muß: daß das Buch mit einem unnöthig gesteigerten, fast gereizten Selbstgefühl geschrieben ist, was der Sache, um die es uns einzig zu thun ist, mehrfach nicht dienlich war. Unsere Bedenken oder Ausstellungen richten sich also ausschließlich auf Dinge, die von einer fleißigen und wahrhaft tüchtigen Arbeit unter allen Umständen gefordert werden müssen, die nicht vom Belieben oder einer genialischer Laune des Einzelnen abhängen, sondern die aus allgemeinen und unabänderlichen Bedingungen sich ergeben. Es muß wunder nehmen, daß ein Schriftsteller von Hermann Grimm's Bedeutung diesen Anforderungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/394>, abgerufen am 28.09.2024.