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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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versöhnlichen Ton aus. Deßgleichen die zwei Redner von der Regierungs¬
partei, von denen aber, um das Doppelgesicht der ministeriellen Politik zu
repräsentiren. der eine. Sarwey, mehr gegen die Forderungen der nationalen
sich wandte und jammernd aufzählte, welche Opfer und Lasten dem Land
aus dem Eintritt in den norddeutschen Bund erwüchsen, während der andere,
Oberbürgermeister Sick, nachdrücklicher die Nothwendigkeit eines aufrichtigen
Zusammengehens mit dem Norden betonte. Er präludirte der Rede des
Hrn. v. Varnbüler.

Man durfte einigermaßen gespannt sein auf das Auftreten des Ministers,
der die Rede vom w. December 1867 gehalten, der nachher während der
Zollparlamentswahlen die bekannte Haltung eingenommen hatte und nun
heute den Bundesgenossen von damals sich gegenüber sah. ohne die Gegner
von damals versöhnt zu haben. In der That hält der Minister es vor Allem
für schicklich, seine damalige Sprache und Haltung zu erklären, sich zu recht¬
fertigen. Es ist gleichgiltig, wie ihm dies gelang, genug, daß er die Noth¬
wendigkeit solcher Erklärungen fühlte und anerkannte. Und dann, nachdem
dies peinliche Geschäft gethan, stellte er sich nicht wieder auf jene scheinbar
parteilose Höhe zwischen den Parteien, nach rechts und links gleichmäßig Lob¬
sprüche und Tadel vertheilend, sondern er wandte sich ausschließlich gegen die
großdeutsche Linke. Er vollendete die Kritik des Südbunds, er sprach sich für
die Verträge mit einer Art von patriotischer Wärme aus -- "nicht wie säu¬
mige Schuldner wollen wir die Verträge erfüllen, sondern voll patriotischen
Geistes, im Gefühl der nationalen Pflicht, die dadurch erfüllt wird" -- er
trat für die neue Heeresverfassung ein. die der preußischen nachgebildet unser
Heer in den Stand setzen soll, ebenbürtig unter die Fahnen zu treten, nicht
gegen unsere Brüder im Norden, sondern mit ihnen und für sie. Er wies
sogar den Gedanken einer Ausdehnung der gemeinsamen Gesetzgebung nicht
völlig von der Hand, obwohl er in diesem Punkt unsicher sprach und am
wenigsten die nationale Partei befriedigen konnte. Auch ist es nicht ganz zu¬
treffend, wenn der Minister besonders stark hervorhob, daß von Preußen in
keinerlei Beziehung je die Zumuthung gemacht worden sei. über das Maß
der Verträge hinauszugehen. Das ist doch nur eine Ausflucht, seitdem
durch das Bismarcksche Rundschreiben festgestellt ist, daß Preußen jede weitere
Annäherung von dem Bedürfniß und der Initiative der süddeutschen Regie¬
rungen abhängig macht. Auch jetzt noch ist die württembergische Regierung
am weitesten zurück: sie ist noch nicht einmal in die Linie des Hohenlohe'schen
"Verfassungsbündnisses" eingerückt. Allein der Fortschritt in der Sprache
des Ministers ist jedenfalls nicht zu verkennen. Eine Annäherung hat statt-
gefunden, und Herr v. Varnbüler hat sich zu ihr bekannt in einem Augen-


versöhnlichen Ton aus. Deßgleichen die zwei Redner von der Regierungs¬
partei, von denen aber, um das Doppelgesicht der ministeriellen Politik zu
repräsentiren. der eine. Sarwey, mehr gegen die Forderungen der nationalen
sich wandte und jammernd aufzählte, welche Opfer und Lasten dem Land
aus dem Eintritt in den norddeutschen Bund erwüchsen, während der andere,
Oberbürgermeister Sick, nachdrücklicher die Nothwendigkeit eines aufrichtigen
Zusammengehens mit dem Norden betonte. Er präludirte der Rede des
Hrn. v. Varnbüler.

Man durfte einigermaßen gespannt sein auf das Auftreten des Ministers,
der die Rede vom w. December 1867 gehalten, der nachher während der
Zollparlamentswahlen die bekannte Haltung eingenommen hatte und nun
heute den Bundesgenossen von damals sich gegenüber sah. ohne die Gegner
von damals versöhnt zu haben. In der That hält der Minister es vor Allem
für schicklich, seine damalige Sprache und Haltung zu erklären, sich zu recht¬
fertigen. Es ist gleichgiltig, wie ihm dies gelang, genug, daß er die Noth¬
wendigkeit solcher Erklärungen fühlte und anerkannte. Und dann, nachdem
dies peinliche Geschäft gethan, stellte er sich nicht wieder auf jene scheinbar
parteilose Höhe zwischen den Parteien, nach rechts und links gleichmäßig Lob¬
sprüche und Tadel vertheilend, sondern er wandte sich ausschließlich gegen die
großdeutsche Linke. Er vollendete die Kritik des Südbunds, er sprach sich für
die Verträge mit einer Art von patriotischer Wärme aus — „nicht wie säu¬
mige Schuldner wollen wir die Verträge erfüllen, sondern voll patriotischen
Geistes, im Gefühl der nationalen Pflicht, die dadurch erfüllt wird" — er
trat für die neue Heeresverfassung ein. die der preußischen nachgebildet unser
Heer in den Stand setzen soll, ebenbürtig unter die Fahnen zu treten, nicht
gegen unsere Brüder im Norden, sondern mit ihnen und für sie. Er wies
sogar den Gedanken einer Ausdehnung der gemeinsamen Gesetzgebung nicht
völlig von der Hand, obwohl er in diesem Punkt unsicher sprach und am
wenigsten die nationale Partei befriedigen konnte. Auch ist es nicht ganz zu¬
treffend, wenn der Minister besonders stark hervorhob, daß von Preußen in
keinerlei Beziehung je die Zumuthung gemacht worden sei. über das Maß
der Verträge hinauszugehen. Das ist doch nur eine Ausflucht, seitdem
durch das Bismarcksche Rundschreiben festgestellt ist, daß Preußen jede weitere
Annäherung von dem Bedürfniß und der Initiative der süddeutschen Regie¬
rungen abhängig macht. Auch jetzt noch ist die württembergische Regierung
am weitesten zurück: sie ist noch nicht einmal in die Linie des Hohenlohe'schen
„Verfassungsbündnisses" eingerückt. Allein der Fortschritt in der Sprache
des Ministers ist jedenfalls nicht zu verkennen. Eine Annäherung hat statt-
gefunden, und Herr v. Varnbüler hat sich zu ihr bekannt in einem Augen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/39>, abgerufen am 28.09.2024.