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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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nehmen oder zu schützen, aber beim Vormarsch können sie die letzteren nicht
decken, und sie mögen sich glücklich schätzen, wenn Wind und Wetter er¬
lauben, am Landungsplatze zu bleiben, nicht auf die hohe See hinaustreiben
oder gar auf den Strand werfen. Das Landungscorps aber wird wieder
bei jeder Meile weiteren Vordringens durch Detachirungen geschwächt, welche
zum Schutz der Verbindung mit der Flotte nach allen Seiten zu entsenden
sind. Auch wenn der Angreifer Erfolge gegen Truppen des Vertheidigers
erringt, so kann er sie nicht ausnutzen, da ein LandAngscorps aus Mangel
an Raum auf den Schiffen möglichst wenig Cavallerie mit sich führt. Jede
Stunde Verzögerung im Vormarsch aber verstärkt den Vertheidiger. der mit¬
telst der Telegraphen und der Eisenbahnen von allen Seiten Verstärkungen
heranzieht, und dessen Truppen von jedem Punkt die Operationsbasis und
die lange Verbindungslinie des Angreifers mit seinen Schiffen bedrohen.

Betrachten wir also die Maßregeln, welche der Vertheidiger entgegen¬
zusetzen hat. Zur Abwehr gegen Landungen darf man keineswegs die Truppen
längs der ganzen Küste zerstreuen, sondern man muß sie an den Knoten¬
punkten der Küsteneisenbahnen concentriren, um sie in jedem Augenblick nach
dem gefährdeten Punkt dirigiren zu können. Wenn diese Maßnahmen einiger¬
maßen gut getroffen sind, wird der Vertheidiger fast immer das verhält¬
nißmäßig schwache Landungscorps aufzuhalten im Stande sein. Hierzu
kommt, daß gerade unsere deutschen Küsten eine Landung sehr schwierig
machen. Vieles in der Configuration unserer Küsten ist ungünstig, aber die
große Gunst hat uns das Meer erwiesen, daß wir vom Schiffsbord aus
schwer zu überfallen sind. Nur wenige Küstenpunkte, die nicht durch Marine¬
stationen oder Befestigungen gedeckt sind, und den Feind bei der Landung
wenigstens so lange aufhalten, bis Succurs herangezogen ist, lassen über¬
haupt eine Annäherung tiefgehender feindlicher Schiffe zu. An allen anderen
Stellen müßte die Transportflotte weit draußen in der See ankern, um nicht
plötzlich auf Untiefen getrieben zu werden, ohne Schutz vor dem Winde und
in einer Entfernung, welche den landenden Booten den Weg außerordent¬
lich verlängert, die Zeit der Landung selbst in gefährlicher Weise ausdehnt,
und Gelegenheit bietet, während des Heranfahrens die Boote wirksam zu
beschießen, ohne daß die feindliche Flotte wegen der Entfernung mit den
Schiffsgeschützen viel ausrichten kann. Für den Fall, daß es an solchen,
nicht durch Marinestationen gedeckten Punkten gelingt, den Feind noch wäh¬
rend der Landung selbst zu überraschen, gilt es zunächst, die Landungsboote
in den Grund zu bohren. Nicht nur durch Strandgeschütze, auch durch Küsten¬
fahrzeuge, in weiterer Entfernung vom Strande nicht durch Kanonenboote,
deren Mannschaft leicht mit Kartätschen vom Deck gefegt werden kann, sondern
durch größere gedeckte Fahrzeuge. In solchem Fall würden sich die Kriegsfahr-


nehmen oder zu schützen, aber beim Vormarsch können sie die letzteren nicht
decken, und sie mögen sich glücklich schätzen, wenn Wind und Wetter er¬
lauben, am Landungsplatze zu bleiben, nicht auf die hohe See hinaustreiben
oder gar auf den Strand werfen. Das Landungscorps aber wird wieder
bei jeder Meile weiteren Vordringens durch Detachirungen geschwächt, welche
zum Schutz der Verbindung mit der Flotte nach allen Seiten zu entsenden
sind. Auch wenn der Angreifer Erfolge gegen Truppen des Vertheidigers
erringt, so kann er sie nicht ausnutzen, da ein LandAngscorps aus Mangel
an Raum auf den Schiffen möglichst wenig Cavallerie mit sich führt. Jede
Stunde Verzögerung im Vormarsch aber verstärkt den Vertheidiger. der mit¬
telst der Telegraphen und der Eisenbahnen von allen Seiten Verstärkungen
heranzieht, und dessen Truppen von jedem Punkt die Operationsbasis und
die lange Verbindungslinie des Angreifers mit seinen Schiffen bedrohen.

Betrachten wir also die Maßregeln, welche der Vertheidiger entgegen¬
zusetzen hat. Zur Abwehr gegen Landungen darf man keineswegs die Truppen
längs der ganzen Küste zerstreuen, sondern man muß sie an den Knoten¬
punkten der Küsteneisenbahnen concentriren, um sie in jedem Augenblick nach
dem gefährdeten Punkt dirigiren zu können. Wenn diese Maßnahmen einiger¬
maßen gut getroffen sind, wird der Vertheidiger fast immer das verhält¬
nißmäßig schwache Landungscorps aufzuhalten im Stande sein. Hierzu
kommt, daß gerade unsere deutschen Küsten eine Landung sehr schwierig
machen. Vieles in der Configuration unserer Küsten ist ungünstig, aber die
große Gunst hat uns das Meer erwiesen, daß wir vom Schiffsbord aus
schwer zu überfallen sind. Nur wenige Küstenpunkte, die nicht durch Marine¬
stationen oder Befestigungen gedeckt sind, und den Feind bei der Landung
wenigstens so lange aufhalten, bis Succurs herangezogen ist, lassen über¬
haupt eine Annäherung tiefgehender feindlicher Schiffe zu. An allen anderen
Stellen müßte die Transportflotte weit draußen in der See ankern, um nicht
plötzlich auf Untiefen getrieben zu werden, ohne Schutz vor dem Winde und
in einer Entfernung, welche den landenden Booten den Weg außerordent¬
lich verlängert, die Zeit der Landung selbst in gefährlicher Weise ausdehnt,
und Gelegenheit bietet, während des Heranfahrens die Boote wirksam zu
beschießen, ohne daß die feindliche Flotte wegen der Entfernung mit den
Schiffsgeschützen viel ausrichten kann. Für den Fall, daß es an solchen,
nicht durch Marinestationen gedeckten Punkten gelingt, den Feind noch wäh¬
rend der Landung selbst zu überraschen, gilt es zunächst, die Landungsboote
in den Grund zu bohren. Nicht nur durch Strandgeschütze, auch durch Küsten¬
fahrzeuge, in weiterer Entfernung vom Strande nicht durch Kanonenboote,
deren Mannschaft leicht mit Kartätschen vom Deck gefegt werden kann, sondern
durch größere gedeckte Fahrzeuge. In solchem Fall würden sich die Kriegsfahr-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/384>, abgerufen am 28.09.2024.