Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bringen und die Anlegung der Berieselung begann. Wir können hier den
Verlauf nicht verfolgen und wollen uur den gegenwärtigen Stand der Sache
illustriren. Höchstens 20Vi Sgr. jährlichen Beitrag pro Morgen hatte Herr
W.....calculirt, während man dafür 18 Centr. jährlichen Mehrgewinn an
Heu verhieß. Der Jahresbeitrag beläuft sich heute auf 2 Thaler und muß
sich wieder steigern, denn es ist noch endloses Deficit vorhanden. Berieselt
werden höchstens 1500 Morgen. Die Eigenthümer der letzteren 4300 Morgen
klagen bereits seit Jahren gegen die Genossenschaft und der Wirrwarr ist
haarsträubend; sie verlangen bis Dato nicht weniger als 150,000 Thaler
Schadenersatz. In Folge der künstlichen Hochleitung des Wassers leiden nun
die angrenzenden Aecker wieder durch Thau und Nässe. Die Enclave Lippe¬
rode und Cappel versumpft jährlich; die armen Gemeinden ringen umsonst
die Hände und beklagen sich bei der Regierung, die neuerdings wieder 5000
Thaler Entschädigung verlangt hat.

Der finanzielle Stand des Unternehmens trägt alle Zeichen eines schlech¬
ten Geschäftes an der Stirne und bildet ein Beispiel verfehlter Aufwendung
von Staatsgeldern, wie es seines Gleichen sucht. Einmal sind jene 108,000
Thlr. Staatsfonds längst verbraucht, aber nicht genug, daß bisher, also 19
Jahre darnach, nicht ein Pfennig Zins oder Amortisation hat gezahlt
werden können, der Staat hat noch ferner 121,288 Thlr. ebenfalls zinslos
aus dem Meliorationsfonds zugeschossen. -- und da dies noch nicht zu
der Unglücksanlage gereicht, so hat die Genossenschaft selbst noch 110,000
Thlr. andere Schulden aufgenommen. Von diesen letzteren sind die Hälfte
aus der Provinzialhilfskasse zu Münster mit4"/<> Zinsen geflossen, die andere
Hälfte hat man der Sparkasse zu Lippstadt abgeborgt."

Genossenschaften mit corporativen Rechten und gleichzeitiger Staats¬
unterstützung auszustatten, ist immer ein gefahrvolles Unternehmen; diese
versuchte Haidemelioration sollte uns in der Richtung der Staatshilfe eine
weise Lehre sein. Alljährlich werden dem landwirthschaftlichen, Ministerium
121,000 Thlr. Meliorationsfonds bewilligt, warum fragt Niemand in der
Kammer, ob sie auch rentable Verwendung finden? Wie kann es passiren,
daß 230,000 Thlr. Staatsgelder auf einen Fetzen Haideland von einer
Viertelquadratmeile, die dem Staat nicht einmal gehört 1) verwandt, und
2) neunzehn,Jahre lang zinslos hingegeben worden sind, während gesetz¬
lich seit fünfzehn Jahren Zinsen gezahlt und Amortisation aufgebracht wer¬
den sollen? Nun ist bereits mit Zins auf Zins eine halbe Million in diesen
Schlund geworfen worden, -- und was ist der Erfolg? 6000 Morgen
Haidenland haben die 600,000 Thlr. Berieselungskosten verschlungen das
macht pro Morgen 100 Thlr.; davon hat der Staat 90 Thlr. bezahlt, ohne
auch nur Segen und Dank zu ernten.


bringen und die Anlegung der Berieselung begann. Wir können hier den
Verlauf nicht verfolgen und wollen uur den gegenwärtigen Stand der Sache
illustriren. Höchstens 20Vi Sgr. jährlichen Beitrag pro Morgen hatte Herr
W.....calculirt, während man dafür 18 Centr. jährlichen Mehrgewinn an
Heu verhieß. Der Jahresbeitrag beläuft sich heute auf 2 Thaler und muß
sich wieder steigern, denn es ist noch endloses Deficit vorhanden. Berieselt
werden höchstens 1500 Morgen. Die Eigenthümer der letzteren 4300 Morgen
klagen bereits seit Jahren gegen die Genossenschaft und der Wirrwarr ist
haarsträubend; sie verlangen bis Dato nicht weniger als 150,000 Thaler
Schadenersatz. In Folge der künstlichen Hochleitung des Wassers leiden nun
die angrenzenden Aecker wieder durch Thau und Nässe. Die Enclave Lippe¬
rode und Cappel versumpft jährlich; die armen Gemeinden ringen umsonst
die Hände und beklagen sich bei der Regierung, die neuerdings wieder 5000
Thaler Entschädigung verlangt hat.

Der finanzielle Stand des Unternehmens trägt alle Zeichen eines schlech¬
ten Geschäftes an der Stirne und bildet ein Beispiel verfehlter Aufwendung
von Staatsgeldern, wie es seines Gleichen sucht. Einmal sind jene 108,000
Thlr. Staatsfonds längst verbraucht, aber nicht genug, daß bisher, also 19
Jahre darnach, nicht ein Pfennig Zins oder Amortisation hat gezahlt
werden können, der Staat hat noch ferner 121,288 Thlr. ebenfalls zinslos
aus dem Meliorationsfonds zugeschossen. — und da dies noch nicht zu
der Unglücksanlage gereicht, so hat die Genossenschaft selbst noch 110,000
Thlr. andere Schulden aufgenommen. Von diesen letzteren sind die Hälfte
aus der Provinzialhilfskasse zu Münster mit4«/<> Zinsen geflossen, die andere
Hälfte hat man der Sparkasse zu Lippstadt abgeborgt."

Genossenschaften mit corporativen Rechten und gleichzeitiger Staats¬
unterstützung auszustatten, ist immer ein gefahrvolles Unternehmen; diese
versuchte Haidemelioration sollte uns in der Richtung der Staatshilfe eine
weise Lehre sein. Alljährlich werden dem landwirthschaftlichen, Ministerium
121,000 Thlr. Meliorationsfonds bewilligt, warum fragt Niemand in der
Kammer, ob sie auch rentable Verwendung finden? Wie kann es passiren,
daß 230,000 Thlr. Staatsgelder auf einen Fetzen Haideland von einer
Viertelquadratmeile, die dem Staat nicht einmal gehört 1) verwandt, und
2) neunzehn,Jahre lang zinslos hingegeben worden sind, während gesetz¬
lich seit fünfzehn Jahren Zinsen gezahlt und Amortisation aufgebracht wer¬
den sollen? Nun ist bereits mit Zins auf Zins eine halbe Million in diesen
Schlund geworfen worden, — und was ist der Erfolg? 6000 Morgen
Haidenland haben die 600,000 Thlr. Berieselungskosten verschlungen das
macht pro Morgen 100 Thlr.; davon hat der Staat 90 Thlr. bezahlt, ohne
auch nur Segen und Dank zu ernten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120513"/>
          <p xml:id="ID_921" prev="#ID_920"> bringen und die Anlegung der Berieselung begann. Wir können hier den<lb/>
Verlauf nicht verfolgen und wollen uur den gegenwärtigen Stand der Sache<lb/>
illustriren. Höchstens 20Vi Sgr. jährlichen Beitrag pro Morgen hatte Herr<lb/>
W.....calculirt, während man dafür 18 Centr. jährlichen Mehrgewinn an<lb/>
Heu verhieß. Der Jahresbeitrag beläuft sich heute auf 2 Thaler und muß<lb/>
sich wieder steigern, denn es ist noch endloses Deficit vorhanden. Berieselt<lb/>
werden höchstens 1500 Morgen. Die Eigenthümer der letzteren 4300 Morgen<lb/>
klagen bereits seit Jahren gegen die Genossenschaft und der Wirrwarr ist<lb/>
haarsträubend; sie verlangen bis Dato nicht weniger als 150,000 Thaler<lb/>
Schadenersatz. In Folge der künstlichen Hochleitung des Wassers leiden nun<lb/>
die angrenzenden Aecker wieder durch Thau und Nässe. Die Enclave Lippe¬<lb/>
rode und Cappel versumpft jährlich; die armen Gemeinden ringen umsonst<lb/>
die Hände und beklagen sich bei der Regierung, die neuerdings wieder 5000<lb/>
Thaler Entschädigung verlangt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_922"> Der finanzielle Stand des Unternehmens trägt alle Zeichen eines schlech¬<lb/>
ten Geschäftes an der Stirne und bildet ein Beispiel verfehlter Aufwendung<lb/>
von Staatsgeldern, wie es seines Gleichen sucht. Einmal sind jene 108,000<lb/>
Thlr. Staatsfonds längst verbraucht, aber nicht genug, daß bisher, also 19<lb/>
Jahre darnach, nicht ein Pfennig Zins oder Amortisation hat gezahlt<lb/>
werden können, der Staat hat noch ferner 121,288 Thlr. ebenfalls zinslos<lb/>
aus dem Meliorationsfonds zugeschossen. &#x2014; und da dies noch nicht zu<lb/>
der Unglücksanlage gereicht, so hat die Genossenschaft selbst noch 110,000<lb/>
Thlr. andere Schulden aufgenommen. Von diesen letzteren sind die Hälfte<lb/>
aus der Provinzialhilfskasse zu Münster mit4«/&lt;&gt; Zinsen geflossen, die andere<lb/>
Hälfte hat man der Sparkasse zu Lippstadt abgeborgt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_923"> Genossenschaften mit corporativen Rechten und gleichzeitiger Staats¬<lb/>
unterstützung auszustatten, ist immer ein gefahrvolles Unternehmen; diese<lb/>
versuchte Haidemelioration sollte uns in der Richtung der Staatshilfe eine<lb/>
weise Lehre sein. Alljährlich werden dem landwirthschaftlichen, Ministerium<lb/>
121,000 Thlr. Meliorationsfonds bewilligt, warum fragt Niemand in der<lb/>
Kammer, ob sie auch rentable Verwendung finden? Wie kann es passiren,<lb/>
daß 230,000 Thlr. Staatsgelder auf einen Fetzen Haideland von einer<lb/>
Viertelquadratmeile, die dem Staat nicht einmal gehört 1) verwandt, und<lb/>
2) neunzehn,Jahre lang zinslos hingegeben worden sind, während gesetz¬<lb/>
lich seit fünfzehn Jahren Zinsen gezahlt und Amortisation aufgebracht wer¬<lb/>
den sollen? Nun ist bereits mit Zins auf Zins eine halbe Million in diesen<lb/>
Schlund geworfen worden, &#x2014; und was ist der Erfolg? 6000 Morgen<lb/>
Haidenland haben die 600,000 Thlr. Berieselungskosten verschlungen das<lb/>
macht pro Morgen 100 Thlr.; davon hat der Staat 90 Thlr. bezahlt, ohne<lb/>
auch nur Segen und Dank zu ernten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0324] bringen und die Anlegung der Berieselung begann. Wir können hier den Verlauf nicht verfolgen und wollen uur den gegenwärtigen Stand der Sache illustriren. Höchstens 20Vi Sgr. jährlichen Beitrag pro Morgen hatte Herr W.....calculirt, während man dafür 18 Centr. jährlichen Mehrgewinn an Heu verhieß. Der Jahresbeitrag beläuft sich heute auf 2 Thaler und muß sich wieder steigern, denn es ist noch endloses Deficit vorhanden. Berieselt werden höchstens 1500 Morgen. Die Eigenthümer der letzteren 4300 Morgen klagen bereits seit Jahren gegen die Genossenschaft und der Wirrwarr ist haarsträubend; sie verlangen bis Dato nicht weniger als 150,000 Thaler Schadenersatz. In Folge der künstlichen Hochleitung des Wassers leiden nun die angrenzenden Aecker wieder durch Thau und Nässe. Die Enclave Lippe¬ rode und Cappel versumpft jährlich; die armen Gemeinden ringen umsonst die Hände und beklagen sich bei der Regierung, die neuerdings wieder 5000 Thaler Entschädigung verlangt hat. Der finanzielle Stand des Unternehmens trägt alle Zeichen eines schlech¬ ten Geschäftes an der Stirne und bildet ein Beispiel verfehlter Aufwendung von Staatsgeldern, wie es seines Gleichen sucht. Einmal sind jene 108,000 Thlr. Staatsfonds längst verbraucht, aber nicht genug, daß bisher, also 19 Jahre darnach, nicht ein Pfennig Zins oder Amortisation hat gezahlt werden können, der Staat hat noch ferner 121,288 Thlr. ebenfalls zinslos aus dem Meliorationsfonds zugeschossen. — und da dies noch nicht zu der Unglücksanlage gereicht, so hat die Genossenschaft selbst noch 110,000 Thlr. andere Schulden aufgenommen. Von diesen letzteren sind die Hälfte aus der Provinzialhilfskasse zu Münster mit4«/<> Zinsen geflossen, die andere Hälfte hat man der Sparkasse zu Lippstadt abgeborgt." Genossenschaften mit corporativen Rechten und gleichzeitiger Staats¬ unterstützung auszustatten, ist immer ein gefahrvolles Unternehmen; diese versuchte Haidemelioration sollte uns in der Richtung der Staatshilfe eine weise Lehre sein. Alljährlich werden dem landwirthschaftlichen, Ministerium 121,000 Thlr. Meliorationsfonds bewilligt, warum fragt Niemand in der Kammer, ob sie auch rentable Verwendung finden? Wie kann es passiren, daß 230,000 Thlr. Staatsgelder auf einen Fetzen Haideland von einer Viertelquadratmeile, die dem Staat nicht einmal gehört 1) verwandt, und 2) neunzehn,Jahre lang zinslos hingegeben worden sind, während gesetz¬ lich seit fünfzehn Jahren Zinsen gezahlt und Amortisation aufgebracht wer¬ den sollen? Nun ist bereits mit Zins auf Zins eine halbe Million in diesen Schlund geworfen worden, — und was ist der Erfolg? 6000 Morgen Haidenland haben die 600,000 Thlr. Berieselungskosten verschlungen das macht pro Morgen 100 Thlr.; davon hat der Staat 90 Thlr. bezahlt, ohne auch nur Segen und Dank zu ernten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/324
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/324>, abgerufen am 28.09.2024.