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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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nicht mehr beschieden sein, zum Fall der Republik selbst beitragen zu müssen.
Er starb 7 Meilen vor Florenz zu San Sassiano am Is. Dez. 1529.

In Neapel wie in Mailand, wo Antonio de Leva sich tapfer aufrecht
erhielt, waren die Waffen des Kaisers siegreich. Clemens VII.. froh, daß er
diesmal neutral geblieben, sah jetzt die Sache Italiens verloren, und war
einzig bemüht, seinen weltlichen Besitz zu retten. Deshalb näherte er sich
nun dem Kaiser, wie andererseits dieser seine Freude hatte, den Frieden mit
der Kirche zu suchen. Vergebens machten die Venetianer einen letzten Ver¬
such, den Papst zurückzuhalten, was ihnen um so weniger gelang, als zwischen
ihnen und dem Papst noch ein Gebietshandel schwebte. Es ist uns der Be¬
richt der denkwürdigen Audienz des Gesandten Gaspare Contarini bei Cle¬
mens erhalten, in welcher der Venezianer von der Leber weg als Italiener
sprach und dem Papst seine Gesinnung ganz enthüllte. "Eure Heiligkeit selbst
hat es gesagt, daß die Kaiserlichen nur den Zweck verfolgen, die Liga aus¬
zulösen, um so leichter die einzelnen Fürsten einen nach dem anderen ver¬
nichten zu können und sich dann zum Herrn des Ganzen zu machen, und doch
weiß ich, daß sie jetzt Eure Heiligkeit bestürmen, den Weg einzuschlagen, um
das eigene Privatinteresse zu verfolgen; und sich damit zum Instrument sür
den Untergang der anderen zu machen. Wofern Ihr das eigene Interesse
verfolgt, so machet Ihr Euch zur Partei und verliert die Prärogative des
einzigen und heiligen Friedensvermittlers unter diesen Fürsten. Um sie zu
vereinigen, muß man sie dafür gewinnen, daß sie bis auf einen gewissen Grad
ihren eigenen Vortheil dem der Gesammtheit unterordnen. Und dazu gibt
es kein wirksameres Mittel als Euer Beispiel. In der christlichen Republik
sind die anderen Fürsten die Privatpersonen; Euch allein ist von Christus
die Sorge für das allgemeine Wohl übertragen. Und was die Angelegen¬
heiten der Kirche betrifft, so will ich frei reden. Möge Eure Heiligkeit nicht
denken, daß das Wohl der Kirche Christi dieser kleine weltliche Staat ist, den
sie erworben; auch bevor dieser Staat existirte. war die Kirche und beste
Kirche; die Kirche ist die Gesammtheit aller Christen, dieser Staat aber ist
wie der jedes anderen italienischen Fürsten, und so muß Eure Heiligkeit
vornehmlich für das Wohl der wahren Kirche sorgen, das im Frieden und
der Ruhe der Christenheit besteht". Der Papst: "Ich erkenne und weiß
daß Ihr die Wahrheit saget, aber ich sehe, daß die Welt auf einen Punkt
gekommen ist, wo derjenige, der am schlauesten ist und mit dem besten Ge¬
schick das Seinige besorgt, für den mächtigsten Mann geachtet und geehrt
ist, und wer das Gegentheil thut, von dem sagt man, daß er eine gute Per¬
son sei und nichts tauge, und ihm bleibt nichts als dieses Prädicat. Die
Kaiserlichen werden ins Königreich Neapel dringen, dann kommen sie in die
Lombardei und Toscana, verständigen sich mit dem Herzog von Ferrara und


nicht mehr beschieden sein, zum Fall der Republik selbst beitragen zu müssen.
Er starb 7 Meilen vor Florenz zu San Sassiano am Is. Dez. 1529.

In Neapel wie in Mailand, wo Antonio de Leva sich tapfer aufrecht
erhielt, waren die Waffen des Kaisers siegreich. Clemens VII.. froh, daß er
diesmal neutral geblieben, sah jetzt die Sache Italiens verloren, und war
einzig bemüht, seinen weltlichen Besitz zu retten. Deshalb näherte er sich
nun dem Kaiser, wie andererseits dieser seine Freude hatte, den Frieden mit
der Kirche zu suchen. Vergebens machten die Venetianer einen letzten Ver¬
such, den Papst zurückzuhalten, was ihnen um so weniger gelang, als zwischen
ihnen und dem Papst noch ein Gebietshandel schwebte. Es ist uns der Be¬
richt der denkwürdigen Audienz des Gesandten Gaspare Contarini bei Cle¬
mens erhalten, in welcher der Venezianer von der Leber weg als Italiener
sprach und dem Papst seine Gesinnung ganz enthüllte. „Eure Heiligkeit selbst
hat es gesagt, daß die Kaiserlichen nur den Zweck verfolgen, die Liga aus¬
zulösen, um so leichter die einzelnen Fürsten einen nach dem anderen ver¬
nichten zu können und sich dann zum Herrn des Ganzen zu machen, und doch
weiß ich, daß sie jetzt Eure Heiligkeit bestürmen, den Weg einzuschlagen, um
das eigene Privatinteresse zu verfolgen; und sich damit zum Instrument sür
den Untergang der anderen zu machen. Wofern Ihr das eigene Interesse
verfolgt, so machet Ihr Euch zur Partei und verliert die Prärogative des
einzigen und heiligen Friedensvermittlers unter diesen Fürsten. Um sie zu
vereinigen, muß man sie dafür gewinnen, daß sie bis auf einen gewissen Grad
ihren eigenen Vortheil dem der Gesammtheit unterordnen. Und dazu gibt
es kein wirksameres Mittel als Euer Beispiel. In der christlichen Republik
sind die anderen Fürsten die Privatpersonen; Euch allein ist von Christus
die Sorge für das allgemeine Wohl übertragen. Und was die Angelegen¬
heiten der Kirche betrifft, so will ich frei reden. Möge Eure Heiligkeit nicht
denken, daß das Wohl der Kirche Christi dieser kleine weltliche Staat ist, den
sie erworben; auch bevor dieser Staat existirte. war die Kirche und beste
Kirche; die Kirche ist die Gesammtheit aller Christen, dieser Staat aber ist
wie der jedes anderen italienischen Fürsten, und so muß Eure Heiligkeit
vornehmlich für das Wohl der wahren Kirche sorgen, das im Frieden und
der Ruhe der Christenheit besteht". Der Papst: „Ich erkenne und weiß
daß Ihr die Wahrheit saget, aber ich sehe, daß die Welt auf einen Punkt
gekommen ist, wo derjenige, der am schlauesten ist und mit dem besten Ge¬
schick das Seinige besorgt, für den mächtigsten Mann geachtet und geehrt
ist, und wer das Gegentheil thut, von dem sagt man, daß er eine gute Per¬
son sei und nichts tauge, und ihm bleibt nichts als dieses Prädicat. Die
Kaiserlichen werden ins Königreich Neapel dringen, dann kommen sie in die
Lombardei und Toscana, verständigen sich mit dem Herzog von Ferrara und


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[0320] nicht mehr beschieden sein, zum Fall der Republik selbst beitragen zu müssen. Er starb 7 Meilen vor Florenz zu San Sassiano am Is. Dez. 1529. In Neapel wie in Mailand, wo Antonio de Leva sich tapfer aufrecht erhielt, waren die Waffen des Kaisers siegreich. Clemens VII.. froh, daß er diesmal neutral geblieben, sah jetzt die Sache Italiens verloren, und war einzig bemüht, seinen weltlichen Besitz zu retten. Deshalb näherte er sich nun dem Kaiser, wie andererseits dieser seine Freude hatte, den Frieden mit der Kirche zu suchen. Vergebens machten die Venetianer einen letzten Ver¬ such, den Papst zurückzuhalten, was ihnen um so weniger gelang, als zwischen ihnen und dem Papst noch ein Gebietshandel schwebte. Es ist uns der Be¬ richt der denkwürdigen Audienz des Gesandten Gaspare Contarini bei Cle¬ mens erhalten, in welcher der Venezianer von der Leber weg als Italiener sprach und dem Papst seine Gesinnung ganz enthüllte. „Eure Heiligkeit selbst hat es gesagt, daß die Kaiserlichen nur den Zweck verfolgen, die Liga aus¬ zulösen, um so leichter die einzelnen Fürsten einen nach dem anderen ver¬ nichten zu können und sich dann zum Herrn des Ganzen zu machen, und doch weiß ich, daß sie jetzt Eure Heiligkeit bestürmen, den Weg einzuschlagen, um das eigene Privatinteresse zu verfolgen; und sich damit zum Instrument sür den Untergang der anderen zu machen. Wofern Ihr das eigene Interesse verfolgt, so machet Ihr Euch zur Partei und verliert die Prärogative des einzigen und heiligen Friedensvermittlers unter diesen Fürsten. Um sie zu vereinigen, muß man sie dafür gewinnen, daß sie bis auf einen gewissen Grad ihren eigenen Vortheil dem der Gesammtheit unterordnen. Und dazu gibt es kein wirksameres Mittel als Euer Beispiel. In der christlichen Republik sind die anderen Fürsten die Privatpersonen; Euch allein ist von Christus die Sorge für das allgemeine Wohl übertragen. Und was die Angelegen¬ heiten der Kirche betrifft, so will ich frei reden. Möge Eure Heiligkeit nicht denken, daß das Wohl der Kirche Christi dieser kleine weltliche Staat ist, den sie erworben; auch bevor dieser Staat existirte. war die Kirche und beste Kirche; die Kirche ist die Gesammtheit aller Christen, dieser Staat aber ist wie der jedes anderen italienischen Fürsten, und so muß Eure Heiligkeit vornehmlich für das Wohl der wahren Kirche sorgen, das im Frieden und der Ruhe der Christenheit besteht". Der Papst: „Ich erkenne und weiß daß Ihr die Wahrheit saget, aber ich sehe, daß die Welt auf einen Punkt gekommen ist, wo derjenige, der am schlauesten ist und mit dem besten Ge¬ schick das Seinige besorgt, für den mächtigsten Mann geachtet und geehrt ist, und wer das Gegentheil thut, von dem sagt man, daß er eine gute Per¬ son sei und nichts tauge, und ihm bleibt nichts als dieses Prädicat. Die Kaiserlichen werden ins Königreich Neapel dringen, dann kommen sie in die Lombardei und Toscana, verständigen sich mit dem Herzog von Ferrara und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/320>, abgerufen am 28.09.2024.