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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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einzutreten. Auf allen Punkten sollte die verhaßte spanische Macht gleich¬
zeitig angegriffen werden. Es fehlte nicht an guten Condottieri, Giovanni
de' Medici der beste, während der oberste Befehl dem Herzog von Urbino,
Francesco Maria della Rovere, übertragen wurde. Alles war guten Muths.
Man Matteo Giberto schrieb an den Bischof von Veruli (Juni 1526):
"Nicht um einen Ehrenpunkt wird dieser Krieg geführt, oder aus Rache, oder
für die Erhaltung einer Stadt, sondern in ihm handelt es sich um die Ret¬
tung oder um die ewige Sclaverei von ganz Italien!"

Aber es ging, wie es immer in diesen Bundeskriegen gegangen; das
Heer war nicht von patriotischem Gefühl zusammengehalten. Zum größten
Theil bestand es aus beutelustigen Abenteurern, von Mannszucht keine Spur,
dazu die Unsicherheit der Oberleitung, das gegenseitige Mißtrauen der Ver¬
bündeten. Jeder behielt sich die volle Freiheit der Action vor, der Papst
hatte seinen Statthalter, die Venetianer den Proveditore, jedes Stäätchen
seinen Anführer. In der Zahl von 20--22 nahmen sie an den Kriegsräthen
Alle Theil unter dem bezeichnenden Titel: die Herren Hauptleute des Bundes.
Dem Herzog von Urbino fehlte es nicht an militärischem Muth., noch an
Kenntnissen, aber um so mehr an Selbstvertrauen. Er hielt, wie dies frei¬
lich auch Giovanni's de' Medici und Guicciardini's Ansicht war, wenig auf
das päpstliche Fußvolk und wartete auf die Schweizer, die ausblieben, weil
man ihre exorbitanten Forderungen nicht bewilligen wollte. So ging die
beste Zeit, das Kastell von Mailand zu entsetzen, verloren. Am 27. Juli
mußte es, aller Lebensmittel baar, den Kaiserlichen übergeben werden, welche
in Stadt und Land in furchtbarer Weise hausten. Sforza, dem man von
allen Bedingungen der Kapitulation nur die eine hielt, daß er nämlich un¬
versehrt das Kastell verlassen dürfe, zog sich gänzlich mittellos nach Crema
auf venetianischen Boden zurück.

Die Briefe Guicciardini's, der damals Statthalter von Parma war und
als päpstlicher Kommissair das Heer begleitete, gewähren einen lebendigen
Einblick in die unglückliche Art und Weise der Kriegführung. Er erkannte
die Schäden genau, war aber fast ohne Einfluß; denn als bürgerliche, in
militärischen Dingen unerfahrene Persönlichkeit, war er allen Heerführern,
nach seinem eigenen Ausdruck, gründlich verhaßt. Um so bitterer äußerte
er brieflich seinen Unmuth über diese Generale, die nur aus-Habsucht oder
Eitelkeit sich in die ersten Stellen drängten, die kein Interesse sür die gemein¬
same Sache hatten, ein unwürdiges Proteetionssystem unterhielten, und unter
sich in beständigem Hader waren. Daß der Herzog von Urbino nicht die an¬
scheinend leichte Aufgabe, das Kastell zu entsetzen, ausführte, konnte er nur
dessen ganz übertriebener Furcht vor der Kriegstüchtigkeit der Spanier zu¬
schreiben und seinem Zögerungssystem, worin er in unglücklicher Weise Pros-


Grenzboten I. 1869. Zg

einzutreten. Auf allen Punkten sollte die verhaßte spanische Macht gleich¬
zeitig angegriffen werden. Es fehlte nicht an guten Condottieri, Giovanni
de' Medici der beste, während der oberste Befehl dem Herzog von Urbino,
Francesco Maria della Rovere, übertragen wurde. Alles war guten Muths.
Man Matteo Giberto schrieb an den Bischof von Veruli (Juni 1526):
„Nicht um einen Ehrenpunkt wird dieser Krieg geführt, oder aus Rache, oder
für die Erhaltung einer Stadt, sondern in ihm handelt es sich um die Ret¬
tung oder um die ewige Sclaverei von ganz Italien!"

Aber es ging, wie es immer in diesen Bundeskriegen gegangen; das
Heer war nicht von patriotischem Gefühl zusammengehalten. Zum größten
Theil bestand es aus beutelustigen Abenteurern, von Mannszucht keine Spur,
dazu die Unsicherheit der Oberleitung, das gegenseitige Mißtrauen der Ver¬
bündeten. Jeder behielt sich die volle Freiheit der Action vor, der Papst
hatte seinen Statthalter, die Venetianer den Proveditore, jedes Stäätchen
seinen Anführer. In der Zahl von 20—22 nahmen sie an den Kriegsräthen
Alle Theil unter dem bezeichnenden Titel: die Herren Hauptleute des Bundes.
Dem Herzog von Urbino fehlte es nicht an militärischem Muth., noch an
Kenntnissen, aber um so mehr an Selbstvertrauen. Er hielt, wie dies frei¬
lich auch Giovanni's de' Medici und Guicciardini's Ansicht war, wenig auf
das päpstliche Fußvolk und wartete auf die Schweizer, die ausblieben, weil
man ihre exorbitanten Forderungen nicht bewilligen wollte. So ging die
beste Zeit, das Kastell von Mailand zu entsetzen, verloren. Am 27. Juli
mußte es, aller Lebensmittel baar, den Kaiserlichen übergeben werden, welche
in Stadt und Land in furchtbarer Weise hausten. Sforza, dem man von
allen Bedingungen der Kapitulation nur die eine hielt, daß er nämlich un¬
versehrt das Kastell verlassen dürfe, zog sich gänzlich mittellos nach Crema
auf venetianischen Boden zurück.

Die Briefe Guicciardini's, der damals Statthalter von Parma war und
als päpstlicher Kommissair das Heer begleitete, gewähren einen lebendigen
Einblick in die unglückliche Art und Weise der Kriegführung. Er erkannte
die Schäden genau, war aber fast ohne Einfluß; denn als bürgerliche, in
militärischen Dingen unerfahrene Persönlichkeit, war er allen Heerführern,
nach seinem eigenen Ausdruck, gründlich verhaßt. Um so bitterer äußerte
er brieflich seinen Unmuth über diese Generale, die nur aus-Habsucht oder
Eitelkeit sich in die ersten Stellen drängten, die kein Interesse sür die gemein¬
same Sache hatten, ein unwürdiges Proteetionssystem unterhielten, und unter
sich in beständigem Hader waren. Daß der Herzog von Urbino nicht die an¬
scheinend leichte Aufgabe, das Kastell zu entsetzen, ausführte, konnte er nur
dessen ganz übertriebener Furcht vor der Kriegstüchtigkeit der Spanier zu¬
schreiben und seinem Zögerungssystem, worin er in unglücklicher Weise Pros-


Grenzboten I. 1869. Zg
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[0317] einzutreten. Auf allen Punkten sollte die verhaßte spanische Macht gleich¬ zeitig angegriffen werden. Es fehlte nicht an guten Condottieri, Giovanni de' Medici der beste, während der oberste Befehl dem Herzog von Urbino, Francesco Maria della Rovere, übertragen wurde. Alles war guten Muths. Man Matteo Giberto schrieb an den Bischof von Veruli (Juni 1526): „Nicht um einen Ehrenpunkt wird dieser Krieg geführt, oder aus Rache, oder für die Erhaltung einer Stadt, sondern in ihm handelt es sich um die Ret¬ tung oder um die ewige Sclaverei von ganz Italien!" Aber es ging, wie es immer in diesen Bundeskriegen gegangen; das Heer war nicht von patriotischem Gefühl zusammengehalten. Zum größten Theil bestand es aus beutelustigen Abenteurern, von Mannszucht keine Spur, dazu die Unsicherheit der Oberleitung, das gegenseitige Mißtrauen der Ver¬ bündeten. Jeder behielt sich die volle Freiheit der Action vor, der Papst hatte seinen Statthalter, die Venetianer den Proveditore, jedes Stäätchen seinen Anführer. In der Zahl von 20—22 nahmen sie an den Kriegsräthen Alle Theil unter dem bezeichnenden Titel: die Herren Hauptleute des Bundes. Dem Herzog von Urbino fehlte es nicht an militärischem Muth., noch an Kenntnissen, aber um so mehr an Selbstvertrauen. Er hielt, wie dies frei¬ lich auch Giovanni's de' Medici und Guicciardini's Ansicht war, wenig auf das päpstliche Fußvolk und wartete auf die Schweizer, die ausblieben, weil man ihre exorbitanten Forderungen nicht bewilligen wollte. So ging die beste Zeit, das Kastell von Mailand zu entsetzen, verloren. Am 27. Juli mußte es, aller Lebensmittel baar, den Kaiserlichen übergeben werden, welche in Stadt und Land in furchtbarer Weise hausten. Sforza, dem man von allen Bedingungen der Kapitulation nur die eine hielt, daß er nämlich un¬ versehrt das Kastell verlassen dürfe, zog sich gänzlich mittellos nach Crema auf venetianischen Boden zurück. Die Briefe Guicciardini's, der damals Statthalter von Parma war und als päpstlicher Kommissair das Heer begleitete, gewähren einen lebendigen Einblick in die unglückliche Art und Weise der Kriegführung. Er erkannte die Schäden genau, war aber fast ohne Einfluß; denn als bürgerliche, in militärischen Dingen unerfahrene Persönlichkeit, war er allen Heerführern, nach seinem eigenen Ausdruck, gründlich verhaßt. Um so bitterer äußerte er brieflich seinen Unmuth über diese Generale, die nur aus-Habsucht oder Eitelkeit sich in die ersten Stellen drängten, die kein Interesse sür die gemein¬ same Sache hatten, ein unwürdiges Proteetionssystem unterhielten, und unter sich in beständigem Hader waren. Daß der Herzog von Urbino nicht die an¬ scheinend leichte Aufgabe, das Kastell zu entsetzen, ausführte, konnte er nur dessen ganz übertriebener Furcht vor der Kriegstüchtigkeit der Spanier zu¬ schreiben und seinem Zögerungssystem, worin er in unglücklicher Weise Pros- Grenzboten I. 1869. Zg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/317>, abgerufen am 20.10.2024.