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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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traten ferner bei die Florentiner, der Herzog von Ferrara, der Doge Adorno
von Genua, endlich Lucca. Siena, Alle von Eifer und Ungeduld brennend.
Pescara sollte das Königreich Neapel zu dieser Föderation Italiens hinzu¬
bringen, dessen nationale Unabhängigkeit damit gegen jeden Feind gesichert
schien. "Ich sehe," rief frohlockend der Kanzler des Papstes. Man Matteo
Giberto aus, "ich sehe die Welt sich erneuern und aus äußerstem Jammer
Italiens Geschick in höchste Glückseligkeit sich wandeln."

Die Enttäuschung blieb nicht lange aus. Schon im September 1S25
bemerkte derselbe Giberto, daß die Franzosen sich des italienischen Bundes
einzig dazu bedienen wollten, um von Karl V. bessere Bedingungen für die
Freilassung des gefangenen Königs herauszuschlagen. Die Venetianer wur¬
den mit Befremden gewahr, daß neues Fußvolk aus Deutschland ins mat-
ländische herabkam. Als Morone darüber Beschwerde führte, läugnete
Pescara. Er werde vielmehr, fügte er bei, dem geheimen Vertrag gemäß
auch die schon dastehenden Truppen aufheben, wofern er Geld zu ihrer Löh¬
nung erhalte. Morone beeilte sich 16.000 Ducaten zu schaffen, aber das
kaiserliche Heer, anstatt zu gehen, vermehrte sich fortwährend. Gleichzeitig
kamen vom madrider Hof Andeutungen, welche verriethen, daß man dort
von dem Plane wußte. Der Kaiser war wüthend über den Verräther Gi¬
berto. und die Venetianer fragten sich staunend, woher dieser ganz unge¬
wohnte Zornesausbruch komme. Niemand konnte sich erklären, warum man
die beste Zeit zur Ueberrumpelung des Feindes verstreichen ließ. Alles war
längst zur Ausführung bereit, aber Pescara zog unter diesen und jenen Vor¬
wänden die Sache immer wieder hinaus, so lange, bis alle Verbündeten
derart compromittirt waren, daß sie nicht mehr läugnen konnten. Im Ok¬
tober kam endlich die erwartete Erklärung Frankreichs, die freilich,
weit nicht den früheren Abmachungen entsprach. Der Papst verlangte jetzt
den förmlichen Abschluß des Vertrags, und Venedig gab seinem Gesandten
Vollmacht, den italienischen Bund abzuschließen "zur Vertheidigung der ge¬
meinsamen Staaten gegen jeglichen Fürsten der Christenheit". Jetzt schien
es Pescara Zeit, die Maske zu lüften.

Schon am 11. August hatte er durch Giambattita Castalda vom Kaiser
' unbedingte Vollmacht für Mailand und Genua erhalten, eine Vollmacht, die
Karl V. später durch eigenhändige Unterschrift vom 15. September bestätigte,
wobei er nur die Bedingung beifügte, daß Pescara im Einverständnis) mit
den beiden anderen kaiserlichen Feldherren Karl von Bourbon und Antonio
de Leva handeln solle. Pescara war dem Mißtrauen Karl's bereits zuvor¬
gekommen, am 9. September hatte er mit Karl von Bourbon und Antonio
de Leva das Schriftstück unterzeichnet des Inhalts, daß sie über die Noth¬
wendigkeit übereingekommen seien, den Herzog Franz und das Kastell von


traten ferner bei die Florentiner, der Herzog von Ferrara, der Doge Adorno
von Genua, endlich Lucca. Siena, Alle von Eifer und Ungeduld brennend.
Pescara sollte das Königreich Neapel zu dieser Föderation Italiens hinzu¬
bringen, dessen nationale Unabhängigkeit damit gegen jeden Feind gesichert
schien. „Ich sehe," rief frohlockend der Kanzler des Papstes. Man Matteo
Giberto aus, „ich sehe die Welt sich erneuern und aus äußerstem Jammer
Italiens Geschick in höchste Glückseligkeit sich wandeln."

Die Enttäuschung blieb nicht lange aus. Schon im September 1S25
bemerkte derselbe Giberto, daß die Franzosen sich des italienischen Bundes
einzig dazu bedienen wollten, um von Karl V. bessere Bedingungen für die
Freilassung des gefangenen Königs herauszuschlagen. Die Venetianer wur¬
den mit Befremden gewahr, daß neues Fußvolk aus Deutschland ins mat-
ländische herabkam. Als Morone darüber Beschwerde führte, läugnete
Pescara. Er werde vielmehr, fügte er bei, dem geheimen Vertrag gemäß
auch die schon dastehenden Truppen aufheben, wofern er Geld zu ihrer Löh¬
nung erhalte. Morone beeilte sich 16.000 Ducaten zu schaffen, aber das
kaiserliche Heer, anstatt zu gehen, vermehrte sich fortwährend. Gleichzeitig
kamen vom madrider Hof Andeutungen, welche verriethen, daß man dort
von dem Plane wußte. Der Kaiser war wüthend über den Verräther Gi¬
berto. und die Venetianer fragten sich staunend, woher dieser ganz unge¬
wohnte Zornesausbruch komme. Niemand konnte sich erklären, warum man
die beste Zeit zur Ueberrumpelung des Feindes verstreichen ließ. Alles war
längst zur Ausführung bereit, aber Pescara zog unter diesen und jenen Vor¬
wänden die Sache immer wieder hinaus, so lange, bis alle Verbündeten
derart compromittirt waren, daß sie nicht mehr läugnen konnten. Im Ok¬
tober kam endlich die erwartete Erklärung Frankreichs, die freilich,
weit nicht den früheren Abmachungen entsprach. Der Papst verlangte jetzt
den förmlichen Abschluß des Vertrags, und Venedig gab seinem Gesandten
Vollmacht, den italienischen Bund abzuschließen „zur Vertheidigung der ge¬
meinsamen Staaten gegen jeglichen Fürsten der Christenheit". Jetzt schien
es Pescara Zeit, die Maske zu lüften.

Schon am 11. August hatte er durch Giambattita Castalda vom Kaiser
' unbedingte Vollmacht für Mailand und Genua erhalten, eine Vollmacht, die
Karl V. später durch eigenhändige Unterschrift vom 15. September bestätigte,
wobei er nur die Bedingung beifügte, daß Pescara im Einverständnis) mit
den beiden anderen kaiserlichen Feldherren Karl von Bourbon und Antonio
de Leva handeln solle. Pescara war dem Mißtrauen Karl's bereits zuvor¬
gekommen, am 9. September hatte er mit Karl von Bourbon und Antonio
de Leva das Schriftstück unterzeichnet des Inhalts, daß sie über die Noth¬
wendigkeit übereingekommen seien, den Herzog Franz und das Kastell von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/314>, abgerufen am 28.09.2024.