Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.zweier durch ihre an Wahnsinn streifende Exaltation unzurechnungsfähiger Molinisten zweier durch ihre an Wahnsinn streifende Exaltation unzurechnungsfähiger Molinisten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120439"/> <p xml:id="ID_727" prev="#ID_726"> zweier durch ihre an Wahnsinn streifende Exaltation unzurechnungsfähiger Molinisten<lb/> des Fra Nomualoo genannten Augustinermönchs Ignatius Barben und der Nonne Phi¬<lb/> lipps Maria Corduana, gewöhnlich Suor Geltruda genannt). „Die Juden in Sicilien"<lb/> und „Zur Geschichte des Luxus in Sicilien". Den beiden ^ letztgenannten Aufsätzen<lb/> möchten wir ein besonderes Interesse vindiciren, weil sie ein interessantes Bild der ge-<lb/> sammten Entwickelungsgeschichte dieser Insel entwerfen und mit dankenswerther Aus¬<lb/> führlichkeit auf die Zeiten der normännischen und der deutschen Herrschaft in Sicilien<lb/> eingehen, namentlich die Beziehungen Kaiser Friedrichs II. zu den verschiedenen Ele¬<lb/> menten der sicilianischen Bevölkerung schildern. Im Mittelpunkt der Darstellung der<lb/> Geschichte der Juden steht die Schilderung ihrer Ausweisung im Jahre 1493, welche<lb/> auf Befehl Ferdinands des Katholischen mit so raffinirter Härte und Gründlichkeit be¬<lb/> trieben wurde, daß, wie es am Schlüsse heißt, nicht nur sämmtliche jüdische Bewohner<lb/> die Insel verließen, sondern niemals wieder Juden nach Sicilien zurückgekehrt sind, ob¬<lb/> gleich die Negierung schon im 17. Jahrhundert wiederholte Versuche machte, den tief<lb/> gesunkenen Handel Messina's durch Heranziehung des betriebsamsten Volks der Erde<lb/> wieder in Flor zu bringen. Die Geschichte dieser barbarischen Austreibung macht einen<lb/> um so widerwärtigeren Eindruck, als derselben eine systematische Aussaugung der wohl¬<lb/> habenden Judenfamilien vorausgegangen war und die Art und Weise der Austreibung<lb/> selbst von der römischen Curie mißbilligt wurde. In Sicilien selbst hatten die Nach¬<lb/> wirkungen der milden und toleranten Maurenherrschaft sich bis tief in die christlichen<lb/> Zeiten erstreckt, zumal Friedrich II. ein entschiedener Beschützer dieser verfolgten Nation<lb/> war und selbst den Beschlüssen des großen Lateranconcils von 1215 eine milde Aus¬<lb/> legung zu geben gewußt hatte. — Die Geschichte des Luzus geht bis in die griechi¬<lb/> schen und römischen Zeiten zurück und verweilt dann ausführlich bei dem großen und<lb/> nachhaltigen Einfluß, den das Saracenenthum auf die culturgeschichtliche und die künst¬<lb/> lerische Entwickelung unter den normännischen und deutschen Fürsten ausübte, und bei<lb/> den reichen Blüthen, welche es namentlich unter Wilhelm II. trieb, bis mit dem Tode<lb/> dieses Fürsten die Periode der Reaction und der Manrenverfolgung nach spanischem<lb/> Muster begann. — Die beiden Schlußartikel haben es mit dem unter Garibaldi's<lb/> Mitwirkung siegreich zu Ende geführten sicilianischen Aufstande von 1860 und mit<lb/> der palermitanischen Erneute im September 1866 zu thun, welche sich vor den Augen<lb/> des Verfassers vollzog. — Die freundliche Aufnahme, welche dem ersten Bande dieser<lb/> anziehenden und geschmackvollen Schrift zu Theil geworden, wird dem zweiten um so<lb/> weniger fehlen, als in demselben das historische und das ethnographische Interesse Hand<lb/> in Hand gehen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0250]
zweier durch ihre an Wahnsinn streifende Exaltation unzurechnungsfähiger Molinisten
des Fra Nomualoo genannten Augustinermönchs Ignatius Barben und der Nonne Phi¬
lipps Maria Corduana, gewöhnlich Suor Geltruda genannt). „Die Juden in Sicilien"
und „Zur Geschichte des Luxus in Sicilien". Den beiden ^ letztgenannten Aufsätzen
möchten wir ein besonderes Interesse vindiciren, weil sie ein interessantes Bild der ge-
sammten Entwickelungsgeschichte dieser Insel entwerfen und mit dankenswerther Aus¬
führlichkeit auf die Zeiten der normännischen und der deutschen Herrschaft in Sicilien
eingehen, namentlich die Beziehungen Kaiser Friedrichs II. zu den verschiedenen Ele¬
menten der sicilianischen Bevölkerung schildern. Im Mittelpunkt der Darstellung der
Geschichte der Juden steht die Schilderung ihrer Ausweisung im Jahre 1493, welche
auf Befehl Ferdinands des Katholischen mit so raffinirter Härte und Gründlichkeit be¬
trieben wurde, daß, wie es am Schlüsse heißt, nicht nur sämmtliche jüdische Bewohner
die Insel verließen, sondern niemals wieder Juden nach Sicilien zurückgekehrt sind, ob¬
gleich die Negierung schon im 17. Jahrhundert wiederholte Versuche machte, den tief
gesunkenen Handel Messina's durch Heranziehung des betriebsamsten Volks der Erde
wieder in Flor zu bringen. Die Geschichte dieser barbarischen Austreibung macht einen
um so widerwärtigeren Eindruck, als derselben eine systematische Aussaugung der wohl¬
habenden Judenfamilien vorausgegangen war und die Art und Weise der Austreibung
selbst von der römischen Curie mißbilligt wurde. In Sicilien selbst hatten die Nach¬
wirkungen der milden und toleranten Maurenherrschaft sich bis tief in die christlichen
Zeiten erstreckt, zumal Friedrich II. ein entschiedener Beschützer dieser verfolgten Nation
war und selbst den Beschlüssen des großen Lateranconcils von 1215 eine milde Aus¬
legung zu geben gewußt hatte. — Die Geschichte des Luzus geht bis in die griechi¬
schen und römischen Zeiten zurück und verweilt dann ausführlich bei dem großen und
nachhaltigen Einfluß, den das Saracenenthum auf die culturgeschichtliche und die künst¬
lerische Entwickelung unter den normännischen und deutschen Fürsten ausübte, und bei
den reichen Blüthen, welche es namentlich unter Wilhelm II. trieb, bis mit dem Tode
dieses Fürsten die Periode der Reaction und der Manrenverfolgung nach spanischem
Muster begann. — Die beiden Schlußartikel haben es mit dem unter Garibaldi's
Mitwirkung siegreich zu Ende geführten sicilianischen Aufstande von 1860 und mit
der palermitanischen Erneute im September 1866 zu thun, welche sich vor den Augen
des Verfassers vollzog. — Die freundliche Aufnahme, welche dem ersten Bande dieser
anziehenden und geschmackvollen Schrift zu Theil geworden, wird dem zweiten um so
weniger fehlen, als in demselben das historische und das ethnographische Interesse Hand
in Hand gehen.
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