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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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der Noth Ausnahmen gemacht werden. Die Oberhofchargen, welche bis
dahin das Burgtheater nach oben repräsentirt hatten, waren nur durch ge-
legentliche Einmischung lästig geworden, und Laube scheint durch eine kluge
Verbindung von Fügsamkeit und Energie im Ganzen wohl mit ihnen fertig
geworden zu sein. Jetzt beschloß man bei Hofe etwas, was dort als eine
fast demokratische Aenderung erschien: der neue Chef des Instituts, welches
für die öffentliche Meinung Wiens eine so große Bedeutung gewonnen hatte,
sollte selbst eine Concession an die fortschreitende Zeit sein, ein Mann, der
nicht nur die Qualifikation eines Hofdieners hatte, sondern auch eigene geistige
Bedeutung, und doch als Mann von Familie und geborner Oestreicher die
wünschenswerthen Sicherheiten gab. Der Freiherr Münch-Bellinghausen, selbst
namhafter dramatischer Dichter, wurde zum Vorgesetzten Laube's ernannt.
Natürlich wollte Baron Münch selbst das Detail regieren, und die abhängige
Stellung wurde für das Selbstgefühl Laube's mit Recht unerträglich. So
schied er ungern aus seiner Thätigkeit, die ihm sehr lieb geworden war, und
aus einem Kreise von Künstlern, die er zum großen Theil gefördert und ge.
formt hatte und die mit warmer Verehrung an ihm hingen.

Näheres möge man in dem angezeigten Buche nachlesen. Es enthält
eine kurze Geschichte des Burgtheaters vor Laube's Direktion, dann nach
Jahren geordnet eine Uebersicht über seine Thätigkeit, zahlreiche Charakteri¬
stiken von Schriftstellern und ihren Werken und von den darstellenden Künst-
sern der Hofbühne. Die Abschnitte desselben sind zuerst als Journalartikel ge.
lchrieben, sie verleugnen in Ton und Farbe diesen Ursprung nicht, und man
ersehnt bei der Zusammenfügung in ein größeres Werk zuweilen breitere
Ausführung, welche genaueren Einblick in seine eigene Arbeit, in seine Aende¬
rungen bei Zurichtung der Stücke und die Grundsätze derselben so wie in das
Detail der Ausführung bei hervorragenden Rollen seiner Schauspieler gewährte.
Aber wie das Buch vor uns liegt, ist es ein sehr unterhaltendes und auch
lehrreiches Werk, mit der unverwüstlichen Frische und Offenheit geschrieben,
welche dem Verfasser von jeher eigen waren. Der beste Eindruck desselben
aber ist, daß man aus ihm erfährt, wie ein ganzer Mann mit größter Hin¬
gabe und Pflichttreue seinem erwählten Berufe gelebt hat.

Leipzig hat Ursache, sich zu der Veränderung Glück zu wünschen, welche
dem erfahrenen Dichter möglich machte, die Leitung des hiesigen Stadttheaters
zu übernehmen. In diesen Tagen hat Laube die Direction unter günstigen
Auspicken übernommen. Möge ihm hier Freude und Lohn werden und
der deutschen Bühne seine Thätigkeit auf lange zum Heil sein!




der Noth Ausnahmen gemacht werden. Die Oberhofchargen, welche bis
dahin das Burgtheater nach oben repräsentirt hatten, waren nur durch ge-
legentliche Einmischung lästig geworden, und Laube scheint durch eine kluge
Verbindung von Fügsamkeit und Energie im Ganzen wohl mit ihnen fertig
geworden zu sein. Jetzt beschloß man bei Hofe etwas, was dort als eine
fast demokratische Aenderung erschien: der neue Chef des Instituts, welches
für die öffentliche Meinung Wiens eine so große Bedeutung gewonnen hatte,
sollte selbst eine Concession an die fortschreitende Zeit sein, ein Mann, der
nicht nur die Qualifikation eines Hofdieners hatte, sondern auch eigene geistige
Bedeutung, und doch als Mann von Familie und geborner Oestreicher die
wünschenswerthen Sicherheiten gab. Der Freiherr Münch-Bellinghausen, selbst
namhafter dramatischer Dichter, wurde zum Vorgesetzten Laube's ernannt.
Natürlich wollte Baron Münch selbst das Detail regieren, und die abhängige
Stellung wurde für das Selbstgefühl Laube's mit Recht unerträglich. So
schied er ungern aus seiner Thätigkeit, die ihm sehr lieb geworden war, und
aus einem Kreise von Künstlern, die er zum großen Theil gefördert und ge.
formt hatte und die mit warmer Verehrung an ihm hingen.

Näheres möge man in dem angezeigten Buche nachlesen. Es enthält
eine kurze Geschichte des Burgtheaters vor Laube's Direktion, dann nach
Jahren geordnet eine Uebersicht über seine Thätigkeit, zahlreiche Charakteri¬
stiken von Schriftstellern und ihren Werken und von den darstellenden Künst-
sern der Hofbühne. Die Abschnitte desselben sind zuerst als Journalartikel ge.
lchrieben, sie verleugnen in Ton und Farbe diesen Ursprung nicht, und man
ersehnt bei der Zusammenfügung in ein größeres Werk zuweilen breitere
Ausführung, welche genaueren Einblick in seine eigene Arbeit, in seine Aende¬
rungen bei Zurichtung der Stücke und die Grundsätze derselben so wie in das
Detail der Ausführung bei hervorragenden Rollen seiner Schauspieler gewährte.
Aber wie das Buch vor uns liegt, ist es ein sehr unterhaltendes und auch
lehrreiches Werk, mit der unverwüstlichen Frische und Offenheit geschrieben,
welche dem Verfasser von jeher eigen waren. Der beste Eindruck desselben
aber ist, daß man aus ihm erfährt, wie ein ganzer Mann mit größter Hin¬
gabe und Pflichttreue seinem erwählten Berufe gelebt hat.

Leipzig hat Ursache, sich zu der Veränderung Glück zu wünschen, welche
dem erfahrenen Dichter möglich machte, die Leitung des hiesigen Stadttheaters
zu übernehmen. In diesen Tagen hat Laube die Direction unter günstigen
Auspicken übernommen. Möge ihm hier Freude und Lohn werden und
der deutschen Bühne seine Thätigkeit auf lange zum Heil sein!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/216>, abgerufen am 28.09.2024.