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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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kam dem Kriege ein neues Pensum, neue Dispositionen waren vorzubereiten
und zu befehlen. Denn die leitenden Gedanken des Krieges waren bei den
Preußen allzu ausschließlich im Generalstabe, während sie es bei den Oestreichern
viel zu wenig waren. Der Kronprinz hatte dem energischen General
Steinmetz mit seinem Corps, das allerdings bereits einen beschwerlichen
Marsch von drei Meilen gemacht hatte, auf dem Schlachtfelde selbst die Ver¬
folgung aufgetragen. Der König änderte die Disposition und bestimmte
eventuell die Elbarmee dafür, welche ihre Pflicht an diesem Tage mit sicherer
Tapferkeit gethan, aber keinen Ueberschuß von Unternehmungsgeist bewährt
hatte. So geschah es, daß die Verfolgung zwei Tage unterblieb, d. h. gar
nicht den weichenden Feind erreichte. Ohne Zweifel war das ein großer
militärischer Uebelstand und diese Unterlassung ist oft genug getadelt wor¬
den; es ist auch gar kein Zweifel, daß das Corps Steinmetz, allenfalls
nach einigen Stunden Ruhe, noch viele Früchte des Sieges hätte einsammeln
können und daß die gewaltigen Resultate der großen Schlacht dadurch ge¬
steigert worden wären. Aber ebenso klar ist, daß nach den ganzen Be¬
dingungen des preußischen Einmarsches nicht die gesammte Armee aus der
Stelle hätte folgen können; die Sammlung und Verpflegung der erschöpften
Truppen forderte bei der schwierigen Communication mit dem Hinterkante
in jedem Fall einige Tage Rast, und so hätte auch die Verfolgung durch
das fünfte Corps sehr bald einen zurückhaltender Zügel gesunden.

Ein weiteres Hinderniß wurde, daß man am Abend des Schlachttages,
ja noch am Morgen des 4ten Juli im preußischen Hauptquartier von der Größe
des eigenen Sieges nicht völlig überzeugt war, und daß schon am 4ten
durch das Eingreifen militärischer und kurz darauf diplomatischer Verhand¬
lungen ein fremdes Element in das Hauptquartier kam, getheilte Aufmerk¬
samkeit und Rücksichten. Zwar in dem neuen strategischen Plan des General¬
stabs wurde wieder ein energischer Vormarsch disponirt, die zweite Armee sollte
sich gegen Olmütz aufstellen, wohin sich Feldzeugmeister Benedek, wie man
annahm, mit der geschlagenen Armee zurückgezogen, die erste und Elbarmee
sollten direct gegen Wien ziehen, um den eingeleiteten Unterhandlungen Nach¬
druck zu geben. Auch dieser zweite Plan, welcher den Versuch Frankreichs
die Operation zum Stehen zubringen, glücklich kreuzte, wurde pünktlich aus¬
geführt. Das Commando der zweiten Armee erwarb sich noch das Verdienst,
daß es eine Modifikation seiner Aufstellung durchsetzte, um die Verbindung
zwischen Olmütz und Wien zu bedrohen, und die erste Armee rückte mit der
Elbarmee unaufhaltsam der kaiserlichen Hauptstadt und der Donau zu. Aber
die volle militärische Energie kam in dem Commando der einzelnen Heere nicht
mehr zur Geltung, die zweite Armee begnügte sich, als der Abmarsch des öst¬
reichischen Heeres von Olmütz nach Wien ersichtlich wurde, bei Tovitschau durch


kam dem Kriege ein neues Pensum, neue Dispositionen waren vorzubereiten
und zu befehlen. Denn die leitenden Gedanken des Krieges waren bei den
Preußen allzu ausschließlich im Generalstabe, während sie es bei den Oestreichern
viel zu wenig waren. Der Kronprinz hatte dem energischen General
Steinmetz mit seinem Corps, das allerdings bereits einen beschwerlichen
Marsch von drei Meilen gemacht hatte, auf dem Schlachtfelde selbst die Ver¬
folgung aufgetragen. Der König änderte die Disposition und bestimmte
eventuell die Elbarmee dafür, welche ihre Pflicht an diesem Tage mit sicherer
Tapferkeit gethan, aber keinen Ueberschuß von Unternehmungsgeist bewährt
hatte. So geschah es, daß die Verfolgung zwei Tage unterblieb, d. h. gar
nicht den weichenden Feind erreichte. Ohne Zweifel war das ein großer
militärischer Uebelstand und diese Unterlassung ist oft genug getadelt wor¬
den; es ist auch gar kein Zweifel, daß das Corps Steinmetz, allenfalls
nach einigen Stunden Ruhe, noch viele Früchte des Sieges hätte einsammeln
können und daß die gewaltigen Resultate der großen Schlacht dadurch ge¬
steigert worden wären. Aber ebenso klar ist, daß nach den ganzen Be¬
dingungen des preußischen Einmarsches nicht die gesammte Armee aus der
Stelle hätte folgen können; die Sammlung und Verpflegung der erschöpften
Truppen forderte bei der schwierigen Communication mit dem Hinterkante
in jedem Fall einige Tage Rast, und so hätte auch die Verfolgung durch
das fünfte Corps sehr bald einen zurückhaltender Zügel gesunden.

Ein weiteres Hinderniß wurde, daß man am Abend des Schlachttages,
ja noch am Morgen des 4ten Juli im preußischen Hauptquartier von der Größe
des eigenen Sieges nicht völlig überzeugt war, und daß schon am 4ten
durch das Eingreifen militärischer und kurz darauf diplomatischer Verhand¬
lungen ein fremdes Element in das Hauptquartier kam, getheilte Aufmerk¬
samkeit und Rücksichten. Zwar in dem neuen strategischen Plan des General¬
stabs wurde wieder ein energischer Vormarsch disponirt, die zweite Armee sollte
sich gegen Olmütz aufstellen, wohin sich Feldzeugmeister Benedek, wie man
annahm, mit der geschlagenen Armee zurückgezogen, die erste und Elbarmee
sollten direct gegen Wien ziehen, um den eingeleiteten Unterhandlungen Nach¬
druck zu geben. Auch dieser zweite Plan, welcher den Versuch Frankreichs
die Operation zum Stehen zubringen, glücklich kreuzte, wurde pünktlich aus¬
geführt. Das Commando der zweiten Armee erwarb sich noch das Verdienst,
daß es eine Modifikation seiner Aufstellung durchsetzte, um die Verbindung
zwischen Olmütz und Wien zu bedrohen, und die erste Armee rückte mit der
Elbarmee unaufhaltsam der kaiserlichen Hauptstadt und der Donau zu. Aber
die volle militärische Energie kam in dem Commando der einzelnen Heere nicht
mehr zur Geltung, die zweite Armee begnügte sich, als der Abmarsch des öst¬
reichischen Heeres von Olmütz nach Wien ersichtlich wurde, bei Tovitschau durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/21>, abgerufen am 28.09.2024.