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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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seiner Hand, aber auch auf die irinern übte er bestimmenden Einfluß, denn
allein durch die Reform im Innern konnten Hülfsquellen für die Behauptung
der europäischen Stellung Oestreichs gewonnen werden. Da es diese ausschlie߬
lich war, die Maria Theresia im Auge hatte, und nicht eine Belebung
der politischen Zustände an sich, so ward allerdings nicht daran gedacht jenes
oben erwähnte wunderliche Gewirre obrigkeitlicher Negierungsrechte zu be¬
seitigen, sondern das ganze Streben ging darauf den landesfürstlichen Be¬
hörden ein entschiedenes Uebergewicht über die ständischen Rechte zu geben.
Die böhmische Kreisverfassung ward in allen deutschen Erbländer eingeführt,
die Kreishauptleute traten als oberste landesfürstliche Behörde auf, welche
ihre Competenz allmälig auf die ganze Verwaltung ausdehnte und der Städte
wie Grundherren sich unterordnen mußten; sie selbst standen unter dem Landes¬
hauptmann der Provinz. Die Privilegien der Landtage und Stände waren
zwar von der Kaiserin bei ihrem Regierungsantritt ohne Widerrede be¬
stätigt, wurden aber immer mehr zur Form, die landesfürstltchen Behörden
drängten den Ausschuß des Landtages aus der Verwaltung zurück. Aber
auch gegen die Nebenregierung des Clerus schritt Maria Theresia ein; sie
theilte zwar nach innerster Ueberzeugung die Intoleranz der Curie und ver¬
folgte die Protestanten wo sie konnte, aber sie nahm doch nie ihren Beicht¬
vater zum politischen Rathgeber und ließ sich allmälig von ihren Räthen
bewegen, einzelne Finanzprivilegien der Hierarchie aufzuheben. Das Asylrecht
der Kirchen und Klöster ward beseitigt, dem Moatum re^inen in wichtigen
Fragen gemischter Natur Nachdruck gegeben, Vertretung geistlicher Corpo-
rationen durch eigene Agenten in Rom nicht mehr geduldet. Die geistliche
Gerichtsbarkeit über Cleriker blieb noch bestehen, aber falls auch nach welt¬
lichem Gesetz ein Delict vorlag, mußte der Betreffende dem fürstlichen Gericht
übergeben werden. Unter dem Einfluß des Jansenisten van Swieten wurde
die wiener Universität ein Staatsinstitut und dem Einfluß der Jesuiten entzogen,
die sich dagegen in der Volksschule bis zu JosephII. behaupteten. Vor Allem aber
war die Reform des Heeres das Augenmerk der Negierung; sie ging den Ständen
gegenüber davon aus, daß unter den drohenden Verhältnissen ein Friedens¬
präsenzstand von 82,400 Mann und 23,600 Reitern nothwendig sei, der
einen Aufwand von ca. 11 Mill. si. verlangte, während die bisherige Con-
tribution sich kaum auf 5 Mill. belief, und setzte diese Erhöhung allmälig
überall durch, zunächst sür 10 Jahre; die ständischen Rechte in Militärange¬
legenheiten wurden beseitigt. Hand in Hand hiermit ging die Steuerreform;
die Grundsteuer ward neu umgelegt, das Lotto als Monopol verpachtet,
Erbschafts- und Stempelabgaben eingeführt, Tranksteuern und Zölle, Salz-
und Tabaksmonopole besser ausgebeutet. Beim Ausbruch des großen Krieges
1768 ward freilich auch durch die erste Ausgabe von Papiergeld und ver-


seiner Hand, aber auch auf die irinern übte er bestimmenden Einfluß, denn
allein durch die Reform im Innern konnten Hülfsquellen für die Behauptung
der europäischen Stellung Oestreichs gewonnen werden. Da es diese ausschlie߬
lich war, die Maria Theresia im Auge hatte, und nicht eine Belebung
der politischen Zustände an sich, so ward allerdings nicht daran gedacht jenes
oben erwähnte wunderliche Gewirre obrigkeitlicher Negierungsrechte zu be¬
seitigen, sondern das ganze Streben ging darauf den landesfürstlichen Be¬
hörden ein entschiedenes Uebergewicht über die ständischen Rechte zu geben.
Die böhmische Kreisverfassung ward in allen deutschen Erbländer eingeführt,
die Kreishauptleute traten als oberste landesfürstliche Behörde auf, welche
ihre Competenz allmälig auf die ganze Verwaltung ausdehnte und der Städte
wie Grundherren sich unterordnen mußten; sie selbst standen unter dem Landes¬
hauptmann der Provinz. Die Privilegien der Landtage und Stände waren
zwar von der Kaiserin bei ihrem Regierungsantritt ohne Widerrede be¬
stätigt, wurden aber immer mehr zur Form, die landesfürstltchen Behörden
drängten den Ausschuß des Landtages aus der Verwaltung zurück. Aber
auch gegen die Nebenregierung des Clerus schritt Maria Theresia ein; sie
theilte zwar nach innerster Ueberzeugung die Intoleranz der Curie und ver¬
folgte die Protestanten wo sie konnte, aber sie nahm doch nie ihren Beicht¬
vater zum politischen Rathgeber und ließ sich allmälig von ihren Räthen
bewegen, einzelne Finanzprivilegien der Hierarchie aufzuheben. Das Asylrecht
der Kirchen und Klöster ward beseitigt, dem Moatum re^inen in wichtigen
Fragen gemischter Natur Nachdruck gegeben, Vertretung geistlicher Corpo-
rationen durch eigene Agenten in Rom nicht mehr geduldet. Die geistliche
Gerichtsbarkeit über Cleriker blieb noch bestehen, aber falls auch nach welt¬
lichem Gesetz ein Delict vorlag, mußte der Betreffende dem fürstlichen Gericht
übergeben werden. Unter dem Einfluß des Jansenisten van Swieten wurde
die wiener Universität ein Staatsinstitut und dem Einfluß der Jesuiten entzogen,
die sich dagegen in der Volksschule bis zu JosephII. behaupteten. Vor Allem aber
war die Reform des Heeres das Augenmerk der Negierung; sie ging den Ständen
gegenüber davon aus, daß unter den drohenden Verhältnissen ein Friedens¬
präsenzstand von 82,400 Mann und 23,600 Reitern nothwendig sei, der
einen Aufwand von ca. 11 Mill. si. verlangte, während die bisherige Con-
tribution sich kaum auf 5 Mill. belief, und setzte diese Erhöhung allmälig
überall durch, zunächst sür 10 Jahre; die ständischen Rechte in Militärange¬
legenheiten wurden beseitigt. Hand in Hand hiermit ging die Steuerreform;
die Grundsteuer ward neu umgelegt, das Lotto als Monopol verpachtet,
Erbschafts- und Stempelabgaben eingeführt, Tranksteuern und Zölle, Salz-
und Tabaksmonopole besser ausgebeutet. Beim Ausbruch des großen Krieges
1768 ward freilich auch durch die erste Ausgabe von Papiergeld und ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/139>, abgerufen am 28.09.2024.