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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Aus dem Nachlaß von Clemens Werthes.

Politische Zustände und Personen in den deutschen Ländern des Hauses Oestreich
von Karl VII. bis Metternich. Aus dem Nachlasse des Verf. herausgegeben von
A. Springer 1869.

Wir haben dies Buch, dessen erster Theil vor einigen Jahren in den
Grenzvoten besprochen ward, mit Wehmuth in die Hand genommen. Da¬
mals schrieb der Verfasser, dessen Absicht es war eine Entwickelungsgeschichte
der politischen Parteien in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft
zu geben, in der Vorrede: "Durch meine Gesundheit werde ich daran erinnert,
daß mir Kraft und Zeit zur Ausführung des ganzen Werkes schwerlich ver-
gönnt sein werden/' Seine Ahnung ging leider in Erfüllung: er starb am
25. Nov. 1867 ohne seine große Aufgabe vollenden zu können.

Clemens Perthes war ein Mann, der wenig auf den eigentlichen Markt
des politischen Lebens hinausgetreten ist, und doch eine bedeutende Einwirkung
auf die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse gehabt hat. Einmal indem
er der Lehrer fast aller deutschen Fürsten und Prinzen geworden, welche seit
1835 studirten: wir nennen unter seinen Schülern nur den Herzog von
Coburg, Prinz Albert, Prinz Friedrich Karl und vor Allem den Kronprinzen
von Preußen. Begreiflicherweise knüpften sich hieran einflußreiche Beziehungen,
sowohl zu den Herren selbst wie zu ihnen nahestehenden bedeutenden Persön-
lichkeiten; unter den letzteren mag nur des jetzigen Kriegsministers von Roon
gedacht werden, welcher 1847 den Prinzen Friedrich Karl als Gouverneur
auf die Universität Bonn begleitete und dessen politischer Vertrauter und
Berather Perthes stets geblieben ist. Ob sein Einfluß im praktischen Staats¬
leben immer ein glücklicher war, ist fraglich; er gehörte zwar zu den Unter-
Zeichnern des Bethmann-Hollweg'schen Programms und Mitbegründern des
Preußischen Wochenblattes, aber er zog sich später von seinen Freunden mehr
und mehr zurück, opponirte entschieden gegen die Entlassung des Ministeriums
Manteuffel unter der Regentschaft und stellte sich während des Conflicts so
unbedingt auf die Seite der Negierung, daß er sogar den Obertribunals-


Grenzboten I. 1869. 16
Aus dem Nachlaß von Clemens Werthes.

Politische Zustände und Personen in den deutschen Ländern des Hauses Oestreich
von Karl VII. bis Metternich. Aus dem Nachlasse des Verf. herausgegeben von
A. Springer 1869.

Wir haben dies Buch, dessen erster Theil vor einigen Jahren in den
Grenzvoten besprochen ward, mit Wehmuth in die Hand genommen. Da¬
mals schrieb der Verfasser, dessen Absicht es war eine Entwickelungsgeschichte
der politischen Parteien in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft
zu geben, in der Vorrede: „Durch meine Gesundheit werde ich daran erinnert,
daß mir Kraft und Zeit zur Ausführung des ganzen Werkes schwerlich ver-
gönnt sein werden/' Seine Ahnung ging leider in Erfüllung: er starb am
25. Nov. 1867 ohne seine große Aufgabe vollenden zu können.

Clemens Perthes war ein Mann, der wenig auf den eigentlichen Markt
des politischen Lebens hinausgetreten ist, und doch eine bedeutende Einwirkung
auf die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse gehabt hat. Einmal indem
er der Lehrer fast aller deutschen Fürsten und Prinzen geworden, welche seit
1835 studirten: wir nennen unter seinen Schülern nur den Herzog von
Coburg, Prinz Albert, Prinz Friedrich Karl und vor Allem den Kronprinzen
von Preußen. Begreiflicherweise knüpften sich hieran einflußreiche Beziehungen,
sowohl zu den Herren selbst wie zu ihnen nahestehenden bedeutenden Persön-
lichkeiten; unter den letzteren mag nur des jetzigen Kriegsministers von Roon
gedacht werden, welcher 1847 den Prinzen Friedrich Karl als Gouverneur
auf die Universität Bonn begleitete und dessen politischer Vertrauter und
Berather Perthes stets geblieben ist. Ob sein Einfluß im praktischen Staats¬
leben immer ein glücklicher war, ist fraglich; er gehörte zwar zu den Unter-
Zeichnern des Bethmann-Hollweg'schen Programms und Mitbegründern des
Preußischen Wochenblattes, aber er zog sich später von seinen Freunden mehr
und mehr zurück, opponirte entschieden gegen die Entlassung des Ministeriums
Manteuffel unter der Regentschaft und stellte sich während des Conflicts so
unbedingt auf die Seite der Negierung, daß er sogar den Obertribunals-


Grenzboten I. 1869. 16
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[0132] Aus dem Nachlaß von Clemens Werthes. Politische Zustände und Personen in den deutschen Ländern des Hauses Oestreich von Karl VII. bis Metternich. Aus dem Nachlasse des Verf. herausgegeben von A. Springer 1869. Wir haben dies Buch, dessen erster Theil vor einigen Jahren in den Grenzvoten besprochen ward, mit Wehmuth in die Hand genommen. Da¬ mals schrieb der Verfasser, dessen Absicht es war eine Entwickelungsgeschichte der politischen Parteien in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft zu geben, in der Vorrede: „Durch meine Gesundheit werde ich daran erinnert, daß mir Kraft und Zeit zur Ausführung des ganzen Werkes schwerlich ver- gönnt sein werden/' Seine Ahnung ging leider in Erfüllung: er starb am 25. Nov. 1867 ohne seine große Aufgabe vollenden zu können. Clemens Perthes war ein Mann, der wenig auf den eigentlichen Markt des politischen Lebens hinausgetreten ist, und doch eine bedeutende Einwirkung auf die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse gehabt hat. Einmal indem er der Lehrer fast aller deutschen Fürsten und Prinzen geworden, welche seit 1835 studirten: wir nennen unter seinen Schülern nur den Herzog von Coburg, Prinz Albert, Prinz Friedrich Karl und vor Allem den Kronprinzen von Preußen. Begreiflicherweise knüpften sich hieran einflußreiche Beziehungen, sowohl zu den Herren selbst wie zu ihnen nahestehenden bedeutenden Persön- lichkeiten; unter den letzteren mag nur des jetzigen Kriegsministers von Roon gedacht werden, welcher 1847 den Prinzen Friedrich Karl als Gouverneur auf die Universität Bonn begleitete und dessen politischer Vertrauter und Berather Perthes stets geblieben ist. Ob sein Einfluß im praktischen Staats¬ leben immer ein glücklicher war, ist fraglich; er gehörte zwar zu den Unter- Zeichnern des Bethmann-Hollweg'schen Programms und Mitbegründern des Preußischen Wochenblattes, aber er zog sich später von seinen Freunden mehr und mehr zurück, opponirte entschieden gegen die Entlassung des Ministeriums Manteuffel unter der Regentschaft und stellte sich während des Conflicts so unbedingt auf die Seite der Negierung, daß er sogar den Obertribunals- Grenzboten I. 1869. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/132>, abgerufen am 28.09.2024.