Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.aus, und den gewaltigen Wogen der Zeitströmung, welche Mecklenburgs Unter den Auspicien des alten Bundes war es möglich, Mecklenburg Freiwillig gedenken die mecklenburgischen Stände ihre Machtstellung und 12"
aus, und den gewaltigen Wogen der Zeitströmung, welche Mecklenburgs Unter den Auspicien des alten Bundes war es möglich, Mecklenburg Freiwillig gedenken die mecklenburgischen Stände ihre Machtstellung und 12"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120291"/> <p xml:id="ID_276" prev="#ID_275"> aus, und den gewaltigen Wogen der Zeitströmung, welche Mecklenburgs<lb/> Charte, den landesgrundgesetzlichen Erbvergleich — in technischer Abkürzung<lb/> LGGEV. — umbrausen, wird auch dieser auf die Dauer nicht widerstehen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_277"> Unter den Auspicien des alten Bundes war es möglich, Mecklenburg<lb/> gegen den Einfluß des fortschreitenden Zeitgeistes in einer Art abzusperren,<lb/> die ihr Prototyp in der chinesischen Mauer, ihr Symbol in der Grenzlinie<lb/> fand, durch die Mecklenburg sich in commercieller Beziehung gegen das na¬<lb/> türlich gegebene Hinterland, das Gebiet des Zollvereins, abschied. Der<lb/> Kanonendonner von Königgrätz hat den deutschen Bund unter dem Wust<lb/> seiner Acten und Protokolle begraben; aus dem Pulverdampf der böh¬<lb/> mischen Schlachtfelder hat sich der Phönix des norddeutschen Bundes er¬<lb/> hoben und das Wehen seiner Schwingen, das Throne und Grenzpfähle<lb/> umstürzte, berührte auch Mecklenburg. Die einheitliche deutsche Zolllinie ist<lb/> überall bis an die User der Ostsee hinausgeschoben, die mecklenburgische<lb/> Steuer- und Zollgesetzgebung von 1863, das Product zwanzigjähriger Be¬<lb/> rathungen, ist nach kaum fünfjährigem Bestehen über den Haufen geworfen<lb/> --aber der LGGEV-, der Schirm und Hort der mecklenburgischen Stände,<lb/> ist stehen geblieben. Nach wie vor kommen die Ritter und Mannen beider<lb/> Mecklenbuvg zusammen, bald in Sternberg , bald in Malchin, und denken im<lb/> Lärm stürmischer, regelloser Debatten die Stimme der neuen Aera, die an<lb/> die Pforten ihrer Burgen klopft, zu übertönen. Sie sehen nicht den Schutt<lb/> und Moder der mittelalterlichen Institutionen, deren Trümmer sie vergeblich<lb/> zu stützen suchen: ihnen erscheint das umliegende „Reich" in Auflösung und<lb/> Zerfall begriffen und ihre Stellung allein halten sie für unerschüttert und<lb/> unwandelbar. Die Privilegien der Städte sind zwar gefallen, die Privilegien<lb/> der Ritter ein eitler Schemen: aber die Phantasie eines Don Quixote füllt<lb/> die Lücken und Breschen des LGGEV. mit dem Phantom restaurirter Herrlich¬<lb/> keit des Fortbestandes mittelalterlicher Macht und Privilegien aus. Und die<lb/> mecklenburgischen Regierungen, obwohl in der ihrer absoluten Gewalt unter¬<lb/> worfenen Domanialverwaltung nicht ohne liberale Tendenzen, tragen das<lb/> Ihrige dazu bei, die Stände in dem Wahn zu erhalten, der sie über den<lb/> Verfall der alten Zustände täuscht. Anstatt sie an die UnHaltbarkeit der¬<lb/> selben zu mahnen, suchen sie in ihren Verhandlungen mit den Ständen<lb/> wenigstens den Schein des ständischen Princips aufrecht zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_278" next="#ID_279"> Freiwillig gedenken die mecklenburgischen Stände ihre Machtstellung und<lb/> ihren Widerspruch gegen die Zeitideen auch jetzt noch nicht aufzugeben. Das<lb/> hat, wenn noch Jemand darüber zweifelhaft sein konnte, der bisherige Gang<lb/> der jüngsten Verhandlungen über die von den Landesherr» proponirte Steuer¬<lb/> reform zeigen müssen. Die auf diese Reform bezüglichen Propositionen sind<lb/> es, die uns zu der Aeußerung veranlaßten, daß die Regierungen die Stände</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 12"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
aus, und den gewaltigen Wogen der Zeitströmung, welche Mecklenburgs
Charte, den landesgrundgesetzlichen Erbvergleich — in technischer Abkürzung
LGGEV. — umbrausen, wird auch dieser auf die Dauer nicht widerstehen können.
Unter den Auspicien des alten Bundes war es möglich, Mecklenburg
gegen den Einfluß des fortschreitenden Zeitgeistes in einer Art abzusperren,
die ihr Prototyp in der chinesischen Mauer, ihr Symbol in der Grenzlinie
fand, durch die Mecklenburg sich in commercieller Beziehung gegen das na¬
türlich gegebene Hinterland, das Gebiet des Zollvereins, abschied. Der
Kanonendonner von Königgrätz hat den deutschen Bund unter dem Wust
seiner Acten und Protokolle begraben; aus dem Pulverdampf der böh¬
mischen Schlachtfelder hat sich der Phönix des norddeutschen Bundes er¬
hoben und das Wehen seiner Schwingen, das Throne und Grenzpfähle
umstürzte, berührte auch Mecklenburg. Die einheitliche deutsche Zolllinie ist
überall bis an die User der Ostsee hinausgeschoben, die mecklenburgische
Steuer- und Zollgesetzgebung von 1863, das Product zwanzigjähriger Be¬
rathungen, ist nach kaum fünfjährigem Bestehen über den Haufen geworfen
--aber der LGGEV-, der Schirm und Hort der mecklenburgischen Stände,
ist stehen geblieben. Nach wie vor kommen die Ritter und Mannen beider
Mecklenbuvg zusammen, bald in Sternberg , bald in Malchin, und denken im
Lärm stürmischer, regelloser Debatten die Stimme der neuen Aera, die an
die Pforten ihrer Burgen klopft, zu übertönen. Sie sehen nicht den Schutt
und Moder der mittelalterlichen Institutionen, deren Trümmer sie vergeblich
zu stützen suchen: ihnen erscheint das umliegende „Reich" in Auflösung und
Zerfall begriffen und ihre Stellung allein halten sie für unerschüttert und
unwandelbar. Die Privilegien der Städte sind zwar gefallen, die Privilegien
der Ritter ein eitler Schemen: aber die Phantasie eines Don Quixote füllt
die Lücken und Breschen des LGGEV. mit dem Phantom restaurirter Herrlich¬
keit des Fortbestandes mittelalterlicher Macht und Privilegien aus. Und die
mecklenburgischen Regierungen, obwohl in der ihrer absoluten Gewalt unter¬
worfenen Domanialverwaltung nicht ohne liberale Tendenzen, tragen das
Ihrige dazu bei, die Stände in dem Wahn zu erhalten, der sie über den
Verfall der alten Zustände täuscht. Anstatt sie an die UnHaltbarkeit der¬
selben zu mahnen, suchen sie in ihren Verhandlungen mit den Ständen
wenigstens den Schein des ständischen Princips aufrecht zu erhalten.
Freiwillig gedenken die mecklenburgischen Stände ihre Machtstellung und
ihren Widerspruch gegen die Zeitideen auch jetzt noch nicht aufzugeben. Das
hat, wenn noch Jemand darüber zweifelhaft sein konnte, der bisherige Gang
der jüngsten Verhandlungen über die von den Landesherr» proponirte Steuer¬
reform zeigen müssen. Die auf diese Reform bezüglichen Propositionen sind
es, die uns zu der Aeußerung veranlaßten, daß die Regierungen die Stände
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