Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Ministerium sich noch so ehrlich bemüht, radicale Ausschreitungen zu hin¬ Die Sache verhält sich so, daß das Cabinet Giskra wirklich den kräftig- Ministerium sich noch so ehrlich bemüht, radicale Ausschreitungen zu hin¬ Die Sache verhält sich so, daß das Cabinet Giskra wirklich den kräftig- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117613"/> <p xml:id="ID_264" prev="#ID_263"> Ministerium sich noch so ehrlich bemüht, radicale Ausschreitungen zu hin¬<lb/> dern, schon um den Monarchen, dem einflußreiche Persönlichkeiten in -kirch¬<lb/> lichem Sinne zusprechen, den Erziehung und Angewöhnung kirchlich gestimmt<lb/> haben, nicht noch mißtrauischer zu machen, die Kirchenfürsten mit der clericalen<lb/> Partei werden niemals sich aussöhnen, niemals aufhören, gegen die „Coneor-<lb/> datsbrecher" anzustürmen. Das liberale Ministerium muß vielfach ängst¬<lb/> lichere Rücksichten nehmen als eine conservative RegieruriL, es durfte z. B.<lb/> die Einziehung des Kirchenvermögens nicht in seine Finanzpläne aufnehmen,<lb/> denn nur Schritt für Schritt kann es gegen seine mächtigen Gegner vor¬<lb/> gehen, es konnte namentlich jetzt sich nicht dem Borwurf aussetzen, daß es<lb/> noch andere als sittlich-ideale Gründe gegen das Concordat ins Feld führe,<lb/> das wird aber nicht hindern, daß gegen sein Fincmzproject Clericale, Feudale<lb/> und Föderalisten vereinigt kämpfen werden. Und wie es scheint nicht ohne<lb/> Erfolg. Der Reformplan des wackern Dr. Brestl, dem seine alten Freunde<lb/> vom Jahre 1848 her alles Andere eher geweissagt hätten, als seinen Einzug<lb/> in den Palast des Finanzministeriums, der als ein trefflicher abstracter Finanz¬<lb/> kritiker große Achtung besaß, in dem aber Niemand eine wirkliche schöpferische<lb/> Begabung vermuthete, hat in der That gar arge Schwächen. Nicht die<lb/> Couponsteuer oder klarer gesprochen die Zmsenreduction ist an sich zu tadeln.<lb/> Den Minister trifft keine Verantwortlichkeit dafür, daß er zu einer Maßregel<lb/> greift, die schon längst alle Welt als unabweisbar bezeichnet hat und die<lb/> durch Verschiebung und Verschleppung nur an Härte zugenommen hätte.<lb/> Welche politische Naivetät gehört aber dazu, diese zwölf Millionen als<lb/> Strafe zu bezeichnen, welche den Deutschöstreichern und Staatsgläubigern<lb/> dafür auferlegt ward, daß die Ungarn im Ausgleiche zu günstige Bedingungen<lb/> erhalten hatten. „Die 12 Millionen, sagt Brestl im Reichstag, sind derjenige<lb/> Beitrag, welchen Ungarn weniger leistet, als es nach dem Verhältniß zu<lb/> leisten hätte." Das gebrauchte Wort weckte diesseits und jenseits der Leitha<lb/> ein vielfältiges Echo. — Vollends unausführbar ist die auf drei Jahre ver¬<lb/> theilte, zur Deckung des Deficits bestimmte Capitalsteuer. Doch darüber wird<lb/> bei Gelegenheit der Neichstagsdebatten weiter zu reden sein. Hier sei nur noch<lb/> der Punkt hervorgehoben, welcher die Achillesferse des Finanzplanes wie<lb/> des ministeriellen Liberalismus überhaupt bildet: die Abhängigkeit der Mi¬<lb/> nister von Herrn v. Reuse und ihre Gleichgiltigkeit gegen die äußere Politik,<lb/> als ob diese auf den Gang der inneren Reformen keinen Einfluß hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_265" next="#ID_266"> Die Sache verhält sich so, daß das Cabinet Giskra wirklich den kräftig-<lb/> sten Schutz bei dem Reichskanzler findet, nur durch feinen Einfluß eingesetzt<lb/> wurde, nur so lange er es schützt, sich erhalten kann. Er hat dem wider¬<lb/> strebenden Hofe auch diese Maßregel als nothwendig dargestellt, als einen<lb/> Schritt, der dem erwünschten Ziele, die Macht Oestreichs in Deutschland</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
Ministerium sich noch so ehrlich bemüht, radicale Ausschreitungen zu hin¬
dern, schon um den Monarchen, dem einflußreiche Persönlichkeiten in -kirch¬
lichem Sinne zusprechen, den Erziehung und Angewöhnung kirchlich gestimmt
haben, nicht noch mißtrauischer zu machen, die Kirchenfürsten mit der clericalen
Partei werden niemals sich aussöhnen, niemals aufhören, gegen die „Coneor-
datsbrecher" anzustürmen. Das liberale Ministerium muß vielfach ängst¬
lichere Rücksichten nehmen als eine conservative RegieruriL, es durfte z. B.
die Einziehung des Kirchenvermögens nicht in seine Finanzpläne aufnehmen,
denn nur Schritt für Schritt kann es gegen seine mächtigen Gegner vor¬
gehen, es konnte namentlich jetzt sich nicht dem Borwurf aussetzen, daß es
noch andere als sittlich-ideale Gründe gegen das Concordat ins Feld führe,
das wird aber nicht hindern, daß gegen sein Fincmzproject Clericale, Feudale
und Föderalisten vereinigt kämpfen werden. Und wie es scheint nicht ohne
Erfolg. Der Reformplan des wackern Dr. Brestl, dem seine alten Freunde
vom Jahre 1848 her alles Andere eher geweissagt hätten, als seinen Einzug
in den Palast des Finanzministeriums, der als ein trefflicher abstracter Finanz¬
kritiker große Achtung besaß, in dem aber Niemand eine wirkliche schöpferische
Begabung vermuthete, hat in der That gar arge Schwächen. Nicht die
Couponsteuer oder klarer gesprochen die Zmsenreduction ist an sich zu tadeln.
Den Minister trifft keine Verantwortlichkeit dafür, daß er zu einer Maßregel
greift, die schon längst alle Welt als unabweisbar bezeichnet hat und die
durch Verschiebung und Verschleppung nur an Härte zugenommen hätte.
Welche politische Naivetät gehört aber dazu, diese zwölf Millionen als
Strafe zu bezeichnen, welche den Deutschöstreichern und Staatsgläubigern
dafür auferlegt ward, daß die Ungarn im Ausgleiche zu günstige Bedingungen
erhalten hatten. „Die 12 Millionen, sagt Brestl im Reichstag, sind derjenige
Beitrag, welchen Ungarn weniger leistet, als es nach dem Verhältniß zu
leisten hätte." Das gebrauchte Wort weckte diesseits und jenseits der Leitha
ein vielfältiges Echo. — Vollends unausführbar ist die auf drei Jahre ver¬
theilte, zur Deckung des Deficits bestimmte Capitalsteuer. Doch darüber wird
bei Gelegenheit der Neichstagsdebatten weiter zu reden sein. Hier sei nur noch
der Punkt hervorgehoben, welcher die Achillesferse des Finanzplanes wie
des ministeriellen Liberalismus überhaupt bildet: die Abhängigkeit der Mi¬
nister von Herrn v. Reuse und ihre Gleichgiltigkeit gegen die äußere Politik,
als ob diese auf den Gang der inneren Reformen keinen Einfluß hätte.
Die Sache verhält sich so, daß das Cabinet Giskra wirklich den kräftig-
sten Schutz bei dem Reichskanzler findet, nur durch feinen Einfluß eingesetzt
wurde, nur so lange er es schützt, sich erhalten kann. Er hat dem wider¬
strebenden Hofe auch diese Maßregel als nothwendig dargestellt, als einen
Schritt, der dem erwünschten Ziele, die Macht Oestreichs in Deutschland
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