Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schichte der vorhergehenden Jahre, bei Wachsmuth. v. Sybel, Hausier u. s. w.
maßgebend gewesen ist. Wie der Friede von Basel die Hauptwerkstatt ist,
aus welcher das Material für jene Anschauung beschafft wird, welche Preußen
für alles Elend der napoleonischen Ueberfluthung Deutschlands verantwort¬
lich macht, so haben die Friedensschlüsse von Leoben und Campo Formio
herhalten müssen, wenn der Nachweis dafür gegeben werden sollte, daß der
Grundgedanke der Habsburgischen Politik schon lange vor Auflösung des alten
Reichsverbandes, Haß gegen Preußen gewesen sei.

Denen die an das Hüffersche Buch mit der Hoffnung gehen, aus dem¬
selben Bestätigung ihrer vorgefaßten Parteimeinungen holen zu können, steht
eine ziemlich gründliche Enttäuschung bevor. Das Hauptresultat der in dem¬
selben niedergelegten Forschungen besteht in dem Nachweise dafür, daß keiner
der beiden Bundesgenossen, welche im Jahre 1792 zur Vertheidigung der
alten Weltordnung über den Rhein zogen, absichtliche Schädigung des andern
geplant hat. und daß der Jnstinct der Zeitgenossen, welche die Erfolglosig¬
keit jener conservativen Kreuzzüge aus der politischen und militärischen Ta-
lentlosigkeit der hohen Verbündeten ableiteten, im wesentlichen richtig ge¬
wesen ist. Angesichts der Schärfe und Entschiedenheit, mit welcher moderne
Geschichtsschreiber ihre Verbiete über die "verräterischen" Beweggründe der
preußischen, beziehungsweise der östreichischen Politik jener Zeit fällen, ist es
nämlich von ganz besonderem Interesse, mit der sehr viel milderen und ge¬
mäßigteren Auffassung bekannt gemacht zu werden, die bei den betroffenen
Theilen selbst und zu einer Zeit gangbar war, in welcher diese unter dem
vollen Eindruck der auf ihre Unkosten vollzogenen Thatsachen standen. Nicht
den preußischen und östreichischen Staatsmännern, welche sie erleben mußten,
erst den Historikern der Neuzeit, welche über sie zu berichten hatten, sind die
Verträge von Basel und Leoben zu unverzeihlicher, von verräterischer Ge-
sinnung dictirten Verbrechen geworden.

Der vorliegende erste Band der "diplomatischen Verhandlungen aus der
Zeit der französischen Revolution" zerfällt in drei Abschnitte: "Vom Anfang
des Revolutionskrieges bis zum Frieden von Basel", "die Präliminarien von
Leoben" und "der Friede von Campo Formio". 'Aus dem ersten Abschnitt
sind zwei Punkte von besonderer Wichtigkeit: jene Räumung Belgiens, welche
herkömmlich den Kabalen Thuguts zugeschrieben wird, und der baseler Frie¬
densvertrag. Was den Verlust Belgiens und des linken Rheinufers anlangt,
so wird allem zuvor der Beweis geliefert, daß der Kaiser es mit der Er¬
oberung und Behauptung Belgiens ernst gemeint habe und daß der "Mangel
an besondern Jnstructionen gegen den Rückzug" aus dem einfachen Umstände
zu erklären sei, daß vor der Schlacht bei Fleurus für das wiener Cabinet
kein Grund vorgelegen habe, einen solchen für wahrscheinlich zu halten. Eine


schichte der vorhergehenden Jahre, bei Wachsmuth. v. Sybel, Hausier u. s. w.
maßgebend gewesen ist. Wie der Friede von Basel die Hauptwerkstatt ist,
aus welcher das Material für jene Anschauung beschafft wird, welche Preußen
für alles Elend der napoleonischen Ueberfluthung Deutschlands verantwort¬
lich macht, so haben die Friedensschlüsse von Leoben und Campo Formio
herhalten müssen, wenn der Nachweis dafür gegeben werden sollte, daß der
Grundgedanke der Habsburgischen Politik schon lange vor Auflösung des alten
Reichsverbandes, Haß gegen Preußen gewesen sei.

Denen die an das Hüffersche Buch mit der Hoffnung gehen, aus dem¬
selben Bestätigung ihrer vorgefaßten Parteimeinungen holen zu können, steht
eine ziemlich gründliche Enttäuschung bevor. Das Hauptresultat der in dem¬
selben niedergelegten Forschungen besteht in dem Nachweise dafür, daß keiner
der beiden Bundesgenossen, welche im Jahre 1792 zur Vertheidigung der
alten Weltordnung über den Rhein zogen, absichtliche Schädigung des andern
geplant hat. und daß der Jnstinct der Zeitgenossen, welche die Erfolglosig¬
keit jener conservativen Kreuzzüge aus der politischen und militärischen Ta-
lentlosigkeit der hohen Verbündeten ableiteten, im wesentlichen richtig ge¬
wesen ist. Angesichts der Schärfe und Entschiedenheit, mit welcher moderne
Geschichtsschreiber ihre Verbiete über die „verräterischen" Beweggründe der
preußischen, beziehungsweise der östreichischen Politik jener Zeit fällen, ist es
nämlich von ganz besonderem Interesse, mit der sehr viel milderen und ge¬
mäßigteren Auffassung bekannt gemacht zu werden, die bei den betroffenen
Theilen selbst und zu einer Zeit gangbar war, in welcher diese unter dem
vollen Eindruck der auf ihre Unkosten vollzogenen Thatsachen standen. Nicht
den preußischen und östreichischen Staatsmännern, welche sie erleben mußten,
erst den Historikern der Neuzeit, welche über sie zu berichten hatten, sind die
Verträge von Basel und Leoben zu unverzeihlicher, von verräterischer Ge-
sinnung dictirten Verbrechen geworden.

Der vorliegende erste Band der „diplomatischen Verhandlungen aus der
Zeit der französischen Revolution" zerfällt in drei Abschnitte: „Vom Anfang
des Revolutionskrieges bis zum Frieden von Basel", „die Präliminarien von
Leoben" und „der Friede von Campo Formio". 'Aus dem ersten Abschnitt
sind zwei Punkte von besonderer Wichtigkeit: jene Räumung Belgiens, welche
herkömmlich den Kabalen Thuguts zugeschrieben wird, und der baseler Frie¬
densvertrag. Was den Verlust Belgiens und des linken Rheinufers anlangt,
so wird allem zuvor der Beweis geliefert, daß der Kaiser es mit der Er¬
oberung und Behauptung Belgiens ernst gemeint habe und daß der „Mangel
an besondern Jnstructionen gegen den Rückzug" aus dem einfachen Umstände
zu erklären sei, daß vor der Schlacht bei Fleurus für das wiener Cabinet
kein Grund vorgelegen habe, einen solchen für wahrscheinlich zu halten. Eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118037"/>
          <p xml:id="ID_1567" prev="#ID_1566"> schichte der vorhergehenden Jahre, bei Wachsmuth. v. Sybel, Hausier u. s. w.<lb/>
maßgebend gewesen ist. Wie der Friede von Basel die Hauptwerkstatt ist,<lb/>
aus welcher das Material für jene Anschauung beschafft wird, welche Preußen<lb/>
für alles Elend der napoleonischen Ueberfluthung Deutschlands verantwort¬<lb/>
lich macht, so haben die Friedensschlüsse von Leoben und Campo Formio<lb/>
herhalten müssen, wenn der Nachweis dafür gegeben werden sollte, daß der<lb/>
Grundgedanke der Habsburgischen Politik schon lange vor Auflösung des alten<lb/>
Reichsverbandes, Haß gegen Preußen gewesen sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1568"> Denen die an das Hüffersche Buch mit der Hoffnung gehen, aus dem¬<lb/>
selben Bestätigung ihrer vorgefaßten Parteimeinungen holen zu können, steht<lb/>
eine ziemlich gründliche Enttäuschung bevor. Das Hauptresultat der in dem¬<lb/>
selben niedergelegten Forschungen besteht in dem Nachweise dafür, daß keiner<lb/>
der beiden Bundesgenossen, welche im Jahre 1792 zur Vertheidigung der<lb/>
alten Weltordnung über den Rhein zogen, absichtliche Schädigung des andern<lb/>
geplant hat. und daß der Jnstinct der Zeitgenossen, welche die Erfolglosig¬<lb/>
keit jener conservativen Kreuzzüge aus der politischen und militärischen Ta-<lb/>
lentlosigkeit der hohen Verbündeten ableiteten, im wesentlichen richtig ge¬<lb/>
wesen ist. Angesichts der Schärfe und Entschiedenheit, mit welcher moderne<lb/>
Geschichtsschreiber ihre Verbiete über die &#x201E;verräterischen" Beweggründe der<lb/>
preußischen, beziehungsweise der östreichischen Politik jener Zeit fällen, ist es<lb/>
nämlich von ganz besonderem Interesse, mit der sehr viel milderen und ge¬<lb/>
mäßigteren Auffassung bekannt gemacht zu werden, die bei den betroffenen<lb/>
Theilen selbst und zu einer Zeit gangbar war, in welcher diese unter dem<lb/>
vollen Eindruck der auf ihre Unkosten vollzogenen Thatsachen standen. Nicht<lb/>
den preußischen und östreichischen Staatsmännern, welche sie erleben mußten,<lb/>
erst den Historikern der Neuzeit, welche über sie zu berichten hatten, sind die<lb/>
Verträge von Basel und Leoben zu unverzeihlicher, von verräterischer Ge-<lb/>
sinnung dictirten Verbrechen geworden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1569" next="#ID_1570"> Der vorliegende erste Band der &#x201E;diplomatischen Verhandlungen aus der<lb/>
Zeit der französischen Revolution" zerfällt in drei Abschnitte: &#x201E;Vom Anfang<lb/>
des Revolutionskrieges bis zum Frieden von Basel", &#x201E;die Präliminarien von<lb/>
Leoben" und &#x201E;der Friede von Campo Formio". 'Aus dem ersten Abschnitt<lb/>
sind zwei Punkte von besonderer Wichtigkeit: jene Räumung Belgiens, welche<lb/>
herkömmlich den Kabalen Thuguts zugeschrieben wird, und der baseler Frie¬<lb/>
densvertrag. Was den Verlust Belgiens und des linken Rheinufers anlangt,<lb/>
so wird allem zuvor der Beweis geliefert, daß der Kaiser es mit der Er¬<lb/>
oberung und Behauptung Belgiens ernst gemeint habe und daß der &#x201E;Mangel<lb/>
an besondern Jnstructionen gegen den Rückzug" aus dem einfachen Umstände<lb/>
zu erklären sei, daß vor der Schlacht bei Fleurus für das wiener Cabinet<lb/>
kein Grund vorgelegen habe, einen solchen für wahrscheinlich zu halten. Eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0505] schichte der vorhergehenden Jahre, bei Wachsmuth. v. Sybel, Hausier u. s. w. maßgebend gewesen ist. Wie der Friede von Basel die Hauptwerkstatt ist, aus welcher das Material für jene Anschauung beschafft wird, welche Preußen für alles Elend der napoleonischen Ueberfluthung Deutschlands verantwort¬ lich macht, so haben die Friedensschlüsse von Leoben und Campo Formio herhalten müssen, wenn der Nachweis dafür gegeben werden sollte, daß der Grundgedanke der Habsburgischen Politik schon lange vor Auflösung des alten Reichsverbandes, Haß gegen Preußen gewesen sei. Denen die an das Hüffersche Buch mit der Hoffnung gehen, aus dem¬ selben Bestätigung ihrer vorgefaßten Parteimeinungen holen zu können, steht eine ziemlich gründliche Enttäuschung bevor. Das Hauptresultat der in dem¬ selben niedergelegten Forschungen besteht in dem Nachweise dafür, daß keiner der beiden Bundesgenossen, welche im Jahre 1792 zur Vertheidigung der alten Weltordnung über den Rhein zogen, absichtliche Schädigung des andern geplant hat. und daß der Jnstinct der Zeitgenossen, welche die Erfolglosig¬ keit jener conservativen Kreuzzüge aus der politischen und militärischen Ta- lentlosigkeit der hohen Verbündeten ableiteten, im wesentlichen richtig ge¬ wesen ist. Angesichts der Schärfe und Entschiedenheit, mit welcher moderne Geschichtsschreiber ihre Verbiete über die „verräterischen" Beweggründe der preußischen, beziehungsweise der östreichischen Politik jener Zeit fällen, ist es nämlich von ganz besonderem Interesse, mit der sehr viel milderen und ge¬ mäßigteren Auffassung bekannt gemacht zu werden, die bei den betroffenen Theilen selbst und zu einer Zeit gangbar war, in welcher diese unter dem vollen Eindruck der auf ihre Unkosten vollzogenen Thatsachen standen. Nicht den preußischen und östreichischen Staatsmännern, welche sie erleben mußten, erst den Historikern der Neuzeit, welche über sie zu berichten hatten, sind die Verträge von Basel und Leoben zu unverzeihlicher, von verräterischer Ge- sinnung dictirten Verbrechen geworden. Der vorliegende erste Band der „diplomatischen Verhandlungen aus der Zeit der französischen Revolution" zerfällt in drei Abschnitte: „Vom Anfang des Revolutionskrieges bis zum Frieden von Basel", „die Präliminarien von Leoben" und „der Friede von Campo Formio". 'Aus dem ersten Abschnitt sind zwei Punkte von besonderer Wichtigkeit: jene Räumung Belgiens, welche herkömmlich den Kabalen Thuguts zugeschrieben wird, und der baseler Frie¬ densvertrag. Was den Verlust Belgiens und des linken Rheinufers anlangt, so wird allem zuvor der Beweis geliefert, daß der Kaiser es mit der Er¬ oberung und Behauptung Belgiens ernst gemeint habe und daß der „Mangel an besondern Jnstructionen gegen den Rückzug" aus dem einfachen Umstände zu erklären sei, daß vor der Schlacht bei Fleurus für das wiener Cabinet kein Grund vorgelegen habe, einen solchen für wahrscheinlich zu halten. Eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/505
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/505>, abgerufen am 15.01.2025.