Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.fall ins Antiquarium und dort in die Vasensammlung verschlagen, nachdem er Es soll nun nicht etwa ein Versuch gemacht werden, für den Kunstge¬ Vor allen Dingen muß man festhalten, daß die bemalten Vasen Er¬ fall ins Antiquarium und dort in die Vasensammlung verschlagen, nachdem er Es soll nun nicht etwa ein Versuch gemacht werden, für den Kunstge¬ Vor allen Dingen muß man festhalten, daß die bemalten Vasen Er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/118018"/> <p xml:id="ID_1522" prev="#ID_1521"> fall ins Antiquarium und dort in die Vasensammlung verschlagen, nachdem er<lb/> eine Zeitlang ganz betreten sich umgesehen hatte, einen aufmerksamen Besucher,<lb/> den er mit einem Katalog versehen sah, ganz bescheiden fragte, wozu wohl<lb/> die Masse von Gefäßen hier aufgestellt sei, und auf die Antwort, daß sie<lb/> dem Beschauer Genuß und Belehrung bringen sollten, mit einem „Weiter<lb/> nichts?" schleunigst sich fortmachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1523"> Es soll nun nicht etwa ein Versuch gemacht werden, für den Kunstge¬<lb/> nuß einzutreten, welchen die Vasenbilder gewähren können; dieses mag,-als<lb/> dem Gebiet „der Geschmäcke" angehörig, über welche zu streiten in gebildeter<lb/> Gesellschaft nicht für schicklich gilt, auf sich beruhen. Vielleicht aber dürfte<lb/> eine Betrachtung Theilnahme finden, welche einige der wesentlichen Gesichts¬<lb/> punkte hervorzuheben sucht, unter denen die bemalten Vasen für die Kunst-<lb/> und Culturgeschichte des Alterthums eigenthümliche Bedeutung haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1524" next="#ID_1525"> Vor allen Dingen muß man festhalten, daß die bemalten Vasen Er¬<lb/> zeugnisse des Handwerks und demgemäß zu beurtheilen sind. Freilich<lb/> waren im Alterthum Kunst und Handwerk nicht durch eine Kluft geschie¬<lb/> den, wie sie in neuerer Zeit beide zu gegenseitigem Schaden trennt, sondern<lb/> blieben fortwährend miteinander verwachsen, und wie der Künstler nicht aus<lb/> der Kunstakademie, sondern aus der Werkstatt hervorging, so erfrischte die Kunst<lb/> das Handwerk durch den belebenden Hauch ihres Geistes. Allein wie hoch man<lb/> dies auch anschlagen mag, immer bleibt der wesentliche Unterschied zwischen<lb/> massenhafter Production der Fabriken und der aus individuellen Impulsen<lb/> hervorgegangenen Schöpfung des Künstlers. Natürlich bedingt gerade die<lb/> Fabrikation einen großen Unterschied des Werthes wie des Preises; zwischen<lb/> dem billigen Geschirr, das für die gemeine Nachfrage in großen Quantitäten<lb/> angefertigt wurde, und den Prachtgefäßen, welche reiche Kunden bestellten,<lb/> zeigt sich eine unendliche Fülle der Varietäten, nach Stoff, Form und Ar¬<lb/> beit, je nach den Mitteln und dem Geschmack der Kunden, denen sie auf den<lb/> Markt gebracht wurden, unterschieden. Die einzelnen Fabriken waren nach<lb/> ihrer Technik und ihren Mustern verschieden, für die Ausfuhr wurde anders<lb/> gearbeitet als für das Inland, manche Gegenden behaupteten ihren eigenthüm¬<lb/> lichen Geschmack. Die in den Fabriken beschäftigten Arbeiter wären natür¬<lb/> lich ebenfalls sehr verschiedener Art; neben der großen Masse solcher, die nur<lb/> Ornamente malten oder vorgelegte Muster mehr oder weniger frei übertru¬<lb/> gen, konnte es nicht an höher begabten und besser ausgebildeten fehlen,<lb/> welche die Vorzeichnungen, wenn auch mit Benutzung fremder Conceptionen,<lb/> entwarfen und im gegebenen Fall im Stande waren, für ausgezeichnete Ge¬<lb/> fäße etwas Eigenthümliches zu erfinden. Wir hören zwar von keinem großen<lb/> Künstler, der, — wie Proto geltes sich vom Schiffsanstreicher heraufgear¬<lb/> beitet hatte — aus einer Vasensabrik hervorgegangen wäre, oder, wie Ra-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
fall ins Antiquarium und dort in die Vasensammlung verschlagen, nachdem er
eine Zeitlang ganz betreten sich umgesehen hatte, einen aufmerksamen Besucher,
den er mit einem Katalog versehen sah, ganz bescheiden fragte, wozu wohl
die Masse von Gefäßen hier aufgestellt sei, und auf die Antwort, daß sie
dem Beschauer Genuß und Belehrung bringen sollten, mit einem „Weiter
nichts?" schleunigst sich fortmachte.
Es soll nun nicht etwa ein Versuch gemacht werden, für den Kunstge¬
nuß einzutreten, welchen die Vasenbilder gewähren können; dieses mag,-als
dem Gebiet „der Geschmäcke" angehörig, über welche zu streiten in gebildeter
Gesellschaft nicht für schicklich gilt, auf sich beruhen. Vielleicht aber dürfte
eine Betrachtung Theilnahme finden, welche einige der wesentlichen Gesichts¬
punkte hervorzuheben sucht, unter denen die bemalten Vasen für die Kunst-
und Culturgeschichte des Alterthums eigenthümliche Bedeutung haben.
Vor allen Dingen muß man festhalten, daß die bemalten Vasen Er¬
zeugnisse des Handwerks und demgemäß zu beurtheilen sind. Freilich
waren im Alterthum Kunst und Handwerk nicht durch eine Kluft geschie¬
den, wie sie in neuerer Zeit beide zu gegenseitigem Schaden trennt, sondern
blieben fortwährend miteinander verwachsen, und wie der Künstler nicht aus
der Kunstakademie, sondern aus der Werkstatt hervorging, so erfrischte die Kunst
das Handwerk durch den belebenden Hauch ihres Geistes. Allein wie hoch man
dies auch anschlagen mag, immer bleibt der wesentliche Unterschied zwischen
massenhafter Production der Fabriken und der aus individuellen Impulsen
hervorgegangenen Schöpfung des Künstlers. Natürlich bedingt gerade die
Fabrikation einen großen Unterschied des Werthes wie des Preises; zwischen
dem billigen Geschirr, das für die gemeine Nachfrage in großen Quantitäten
angefertigt wurde, und den Prachtgefäßen, welche reiche Kunden bestellten,
zeigt sich eine unendliche Fülle der Varietäten, nach Stoff, Form und Ar¬
beit, je nach den Mitteln und dem Geschmack der Kunden, denen sie auf den
Markt gebracht wurden, unterschieden. Die einzelnen Fabriken waren nach
ihrer Technik und ihren Mustern verschieden, für die Ausfuhr wurde anders
gearbeitet als für das Inland, manche Gegenden behaupteten ihren eigenthüm¬
lichen Geschmack. Die in den Fabriken beschäftigten Arbeiter wären natür¬
lich ebenfalls sehr verschiedener Art; neben der großen Masse solcher, die nur
Ornamente malten oder vorgelegte Muster mehr oder weniger frei übertru¬
gen, konnte es nicht an höher begabten und besser ausgebildeten fehlen,
welche die Vorzeichnungen, wenn auch mit Benutzung fremder Conceptionen,
entwarfen und im gegebenen Fall im Stande waren, für ausgezeichnete Ge¬
fäße etwas Eigenthümliches zu erfinden. Wir hören zwar von keinem großen
Künstler, der, — wie Proto geltes sich vom Schiffsanstreicher heraufgear¬
beitet hatte — aus einer Vasensabrik hervorgegangen wäre, oder, wie Ra-
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