Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen Oestreich, welches so sehr an der Grenze seiner Kräfte angelangt ist,
daß der Friede dort unbedingtes Bedürfniß ist. Soweit ist es mit den
französischen Finanzen noch lange nicht gekommen, es ist uns fraglich, ob der
wahre Reichthum des Landes hinlänglich geschätzt wird, und wir sind über¬
zeugt, daß es schließlich bei öconomischer Verwaltung noch erheblich mehr auf¬
bringen könnte als es jetzt thut, das Bedenkliche ist das Mißverhältniß der
ungeheuren Ausgabe zu den Resultaten die dafür erzielt sind. Seit seinem
Bestehen (1852) hat das Kaiserreich 3 Milliarden Fr. angeliehen, die Renten-
conversion ergab außerdem einen Gewinn von 12" Mill. und diese 8120 Mill.
sind sast ausschließlich zu unproduktiven Ausgaben verwendet, die Annexion
von Nizza und Savoyen, sowie die zweifelhafte Colonie in Cochinchina, sind
die einzigen positiven Resultate. Die gebietende Stellung, welche der Krim¬
krieg, sowie der italienische Feldzug dem Kaiser in Europa gaben, ist durch
die späteren Mißerfolge geschwunden und nun verlangt die Regierung ein
neues Anlehen, welches bereits im voraus als ganz unproduktiv bezeichnet
werden muß. Denn sie fordert, um die Ausgaben der Heeresreorganisation
zu bestreiten, 440 Mill. d. h. baar, es werden also, da das neue Anlehen
etwa zu 68°/" geschlossen werden wird, etwa sür 623 Mill. Renten ausge¬
geben werden, das Land soll also jährlich 19 Mill. mehr aufbringen, um das
unpopuläre Armeegesetz durchführen zu helfen, welches keinen möglichen Ge¬
winn wie ein glücklicher Krieg in Aussicht stellt, sondern nur neue große
Lasten, blos um Frankreichs militärischen Rang aufrecht zu halten. Es
würde übrigens nicht gerecht sein, den Kaiser allein für diese Situation ver¬
antwortlich zu machen. Die französische Nationaleitelkeit verlangt eine ge¬
bietende Stellung und doch will das Volk keine höheren Opfer dafür bringen,
nichts hat die Republik so discreditirt, als der centime gMitiounel, die Ne¬
gierung sieht sich also fortwährend durch ein Volk zu Ausgaben gezwungen,
das doch nicht mehr steuern will; so ward das Kaiserreich auf die abschüssige
Bahn der Anleihen gedrängt und hat dadurch die Zukunft in einer Weise
belastet, die ernste Bedenken erregen muß. Folgendes ist ein kurzer Ueber¬
blick der seit 1862 gemachten Anlehen:

374 Departementanlehen............ 154,132.854 Frs-
541 Städtische Anlehen durch Gesetz....... 460,473,372 "
Anlehen von Gemeinden unter 100,000 Einw., durch kcnserl.
Decret.autorisire............. 200,000,000 "
Lmxrunt ac In, Seine............ 50,000,000 "
, EnM'Ave ac ville av 1'^ (1852)....... 50,000,000 "
(1855--1860) .... 218,000,000 "
(1865)....... 300,000.000 "
OWMtions ac äeleMtion........... 454,000,000 "

gegen Oestreich, welches so sehr an der Grenze seiner Kräfte angelangt ist,
daß der Friede dort unbedingtes Bedürfniß ist. Soweit ist es mit den
französischen Finanzen noch lange nicht gekommen, es ist uns fraglich, ob der
wahre Reichthum des Landes hinlänglich geschätzt wird, und wir sind über¬
zeugt, daß es schließlich bei öconomischer Verwaltung noch erheblich mehr auf¬
bringen könnte als es jetzt thut, das Bedenkliche ist das Mißverhältniß der
ungeheuren Ausgabe zu den Resultaten die dafür erzielt sind. Seit seinem
Bestehen (1852) hat das Kaiserreich 3 Milliarden Fr. angeliehen, die Renten-
conversion ergab außerdem einen Gewinn von 12» Mill. und diese 8120 Mill.
sind sast ausschließlich zu unproduktiven Ausgaben verwendet, die Annexion
von Nizza und Savoyen, sowie die zweifelhafte Colonie in Cochinchina, sind
die einzigen positiven Resultate. Die gebietende Stellung, welche der Krim¬
krieg, sowie der italienische Feldzug dem Kaiser in Europa gaben, ist durch
die späteren Mißerfolge geschwunden und nun verlangt die Regierung ein
neues Anlehen, welches bereits im voraus als ganz unproduktiv bezeichnet
werden muß. Denn sie fordert, um die Ausgaben der Heeresreorganisation
zu bestreiten, 440 Mill. d. h. baar, es werden also, da das neue Anlehen
etwa zu 68°/„ geschlossen werden wird, etwa sür 623 Mill. Renten ausge¬
geben werden, das Land soll also jährlich 19 Mill. mehr aufbringen, um das
unpopuläre Armeegesetz durchführen zu helfen, welches keinen möglichen Ge¬
winn wie ein glücklicher Krieg in Aussicht stellt, sondern nur neue große
Lasten, blos um Frankreichs militärischen Rang aufrecht zu halten. Es
würde übrigens nicht gerecht sein, den Kaiser allein für diese Situation ver¬
antwortlich zu machen. Die französische Nationaleitelkeit verlangt eine ge¬
bietende Stellung und doch will das Volk keine höheren Opfer dafür bringen,
nichts hat die Republik so discreditirt, als der centime gMitiounel, die Ne¬
gierung sieht sich also fortwährend durch ein Volk zu Ausgaben gezwungen,
das doch nicht mehr steuern will; so ward das Kaiserreich auf die abschüssige
Bahn der Anleihen gedrängt und hat dadurch die Zukunft in einer Weise
belastet, die ernste Bedenken erregen muß. Folgendes ist ein kurzer Ueber¬
blick der seit 1862 gemachten Anlehen:

374 Departementanlehen............ 154,132.854 Frs-
541 Städtische Anlehen durch Gesetz....... 460,473,372 „
Anlehen von Gemeinden unter 100,000 Einw., durch kcnserl.
Decret.autorisire............. 200,000,000 „
Lmxrunt ac In, Seine............ 50,000,000 „
, EnM'Ave ac ville av 1'^ (1852)....... 50,000,000 „
(1855—1860) .... 218,000,000 „
(1865)....... 300,000.000 „
OWMtions ac äeleMtion........... 454,000,000 „

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117580"/>
          <p xml:id="ID_158" prev="#ID_157"> gegen Oestreich, welches so sehr an der Grenze seiner Kräfte angelangt ist,<lb/>
daß der Friede dort unbedingtes Bedürfniß ist. Soweit ist es mit den<lb/>
französischen Finanzen noch lange nicht gekommen, es ist uns fraglich, ob der<lb/>
wahre Reichthum des Landes hinlänglich geschätzt wird, und wir sind über¬<lb/>
zeugt, daß es schließlich bei öconomischer Verwaltung noch erheblich mehr auf¬<lb/>
bringen könnte als es jetzt thut, das Bedenkliche ist das Mißverhältniß der<lb/>
ungeheuren Ausgabe zu den Resultaten die dafür erzielt sind. Seit seinem<lb/>
Bestehen (1852) hat das Kaiserreich 3 Milliarden Fr. angeliehen, die Renten-<lb/>
conversion ergab außerdem einen Gewinn von 12» Mill. und diese 8120 Mill.<lb/>
sind sast ausschließlich zu unproduktiven Ausgaben verwendet, die Annexion<lb/>
von Nizza und Savoyen, sowie die zweifelhafte Colonie in Cochinchina, sind<lb/>
die einzigen positiven Resultate. Die gebietende Stellung, welche der Krim¬<lb/>
krieg, sowie der italienische Feldzug dem Kaiser in Europa gaben, ist durch<lb/>
die späteren Mißerfolge geschwunden und nun verlangt die Regierung ein<lb/>
neues Anlehen, welches bereits im voraus als ganz unproduktiv bezeichnet<lb/>
werden muß. Denn sie fordert, um die Ausgaben der Heeresreorganisation<lb/>
zu bestreiten, 440 Mill. d. h. baar, es werden also, da das neue Anlehen<lb/>
etwa zu 68°/&#x201E; geschlossen werden wird, etwa sür 623 Mill. Renten ausge¬<lb/>
geben werden, das Land soll also jährlich 19 Mill. mehr aufbringen, um das<lb/>
unpopuläre Armeegesetz durchführen zu helfen, welches keinen möglichen Ge¬<lb/>
winn wie ein glücklicher Krieg in Aussicht stellt, sondern nur neue große<lb/>
Lasten, blos um Frankreichs militärischen Rang aufrecht zu halten. Es<lb/>
würde übrigens nicht gerecht sein, den Kaiser allein für diese Situation ver¬<lb/>
antwortlich zu machen. Die französische Nationaleitelkeit verlangt eine ge¬<lb/>
bietende Stellung und doch will das Volk keine höheren Opfer dafür bringen,<lb/>
nichts hat die Republik so discreditirt, als der centime gMitiounel, die Ne¬<lb/>
gierung sieht sich also fortwährend durch ein Volk zu Ausgaben gezwungen,<lb/>
das doch nicht mehr steuern will; so ward das Kaiserreich auf die abschüssige<lb/>
Bahn der Anleihen gedrängt und hat dadurch die Zukunft in einer Weise<lb/>
belastet, die ernste Bedenken erregen muß.  Folgendes ist ein kurzer Ueber¬<lb/>
blick der seit 1862 gemachten Anlehen:</p><lb/>
          <list>
            <item> 374 Departementanlehen............ 154,132.854 Frs-</item>
            <item> 541 Städtische Anlehen durch Gesetz....... 460,473,372 &#x201E;</item>
            <item> Anlehen von Gemeinden unter 100,000 Einw., durch kcnserl.</item>
            <item> Decret.autorisire............. 200,000,000 &#x201E;</item>
            <item> Lmxrunt ac In, Seine............ 50,000,000 &#x201E;</item>
            <item> , EnM'Ave ac   ville av 1'^ (1852)....... 50,000,000 &#x201E;</item>
            <item> (1855&#x2014;1860)  .... 218,000,000 &#x201E;</item>
            <item> (1865)....... 300,000.000 &#x201E;</item>
            <item> OWMtions ac äeleMtion........... 454,000,000 &#x201E;</item>
          </list><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] gegen Oestreich, welches so sehr an der Grenze seiner Kräfte angelangt ist, daß der Friede dort unbedingtes Bedürfniß ist. Soweit ist es mit den französischen Finanzen noch lange nicht gekommen, es ist uns fraglich, ob der wahre Reichthum des Landes hinlänglich geschätzt wird, und wir sind über¬ zeugt, daß es schließlich bei öconomischer Verwaltung noch erheblich mehr auf¬ bringen könnte als es jetzt thut, das Bedenkliche ist das Mißverhältniß der ungeheuren Ausgabe zu den Resultaten die dafür erzielt sind. Seit seinem Bestehen (1852) hat das Kaiserreich 3 Milliarden Fr. angeliehen, die Renten- conversion ergab außerdem einen Gewinn von 12» Mill. und diese 8120 Mill. sind sast ausschließlich zu unproduktiven Ausgaben verwendet, die Annexion von Nizza und Savoyen, sowie die zweifelhafte Colonie in Cochinchina, sind die einzigen positiven Resultate. Die gebietende Stellung, welche der Krim¬ krieg, sowie der italienische Feldzug dem Kaiser in Europa gaben, ist durch die späteren Mißerfolge geschwunden und nun verlangt die Regierung ein neues Anlehen, welches bereits im voraus als ganz unproduktiv bezeichnet werden muß. Denn sie fordert, um die Ausgaben der Heeresreorganisation zu bestreiten, 440 Mill. d. h. baar, es werden also, da das neue Anlehen etwa zu 68°/„ geschlossen werden wird, etwa sür 623 Mill. Renten ausge¬ geben werden, das Land soll also jährlich 19 Mill. mehr aufbringen, um das unpopuläre Armeegesetz durchführen zu helfen, welches keinen möglichen Ge¬ winn wie ein glücklicher Krieg in Aussicht stellt, sondern nur neue große Lasten, blos um Frankreichs militärischen Rang aufrecht zu halten. Es würde übrigens nicht gerecht sein, den Kaiser allein für diese Situation ver¬ antwortlich zu machen. Die französische Nationaleitelkeit verlangt eine ge¬ bietende Stellung und doch will das Volk keine höheren Opfer dafür bringen, nichts hat die Republik so discreditirt, als der centime gMitiounel, die Ne¬ gierung sieht sich also fortwährend durch ein Volk zu Ausgaben gezwungen, das doch nicht mehr steuern will; so ward das Kaiserreich auf die abschüssige Bahn der Anleihen gedrängt und hat dadurch die Zukunft in einer Weise belastet, die ernste Bedenken erregen muß. Folgendes ist ein kurzer Ueber¬ blick der seit 1862 gemachten Anlehen: 374 Departementanlehen............ 154,132.854 Frs- 541 Städtische Anlehen durch Gesetz....... 460,473,372 „ Anlehen von Gemeinden unter 100,000 Einw., durch kcnserl. Decret.autorisire............. 200,000,000 „ Lmxrunt ac In, Seine............ 50,000,000 „ , EnM'Ave ac ville av 1'^ (1852)....... 50,000,000 „ (1855—1860) .... 218,000,000 „ (1865)....... 300,000.000 „ OWMtions ac äeleMtion........... 454,000,000 „

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/48>, abgerufen am 15.01.2025.