Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.alle besorgten Anfragen heiter von sich weisend den Vorsitz übernahm, nuper. Das Thema, welches Bluntschli als Referent einzuleiten hatte, war fast Grenzboten II. 1868.
alle besorgten Anfragen heiter von sich weisend den Vorsitz übernahm, nuper. Das Thema, welches Bluntschli als Referent einzuleiten hatte, war fast Grenzboten II. 1868.
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alle besorgten Anfragen heiter von sich weisend den Vorsitz übernahm, nuper.
züglich darauf den Einleitungsvortrag für das Thema des Tages hielt,
wieder präsidirte, am Schlüsse der Debatte als Berichterstatter von neuem,
und später beim Festessen zum dritten Mal sprach, beschämte der sechszig-
jährige die jungen Männer fast durch seine ausdauernde Kraft. Das Ge¬
präge der Gesundheit und Frische trägt überhaupt alles, was von Bluntschli
ausgeht, seine so sichere. Jedermann durchaus beruhigende Leitung der Ver¬
handlungen und seine großen Reden ebenso wie seine stets fördernde ge¬
legentliche Einmischung in die Discussion. Der Protestäntentag kann sich
keinen bessern Führer wünschen als ihn. der zugleich Staatsmann und Ge¬
lehrter ist. dessen Ruhe niemals in Apathie, dessen männliches Feuer nicht
in Hitze überschlägt. Unter seiner Leitung sind falsche und voreilige Schritte
nicht zu befürchten, noch weniger aber ein träges oder feiges Zurückbleiben
hinter den Aufgaben der Zeit.
Das Thema, welches Bluntschli als Referent einzuleiten hatte, war fast
zu günstig sür ihn selbst gewählt: das Verhältniß des modernen Staats
zur Religion. Wie viele konnten in dieser Versammlung von Theologen, bürger¬
lichen Kirchenvorstehern und allenfalls kirchenrechtlich geschulten Juristen sein,
welche ihm dabei überall zu folgen vermochten 5 Es war vermuthlich nur
Einer da, der sich ihm einigermaßen gewachsen fühlte, Prof. Franz von Holtzen-
dorff aus Berlin, und dieser machte von seinem Vorrecht als stellvertretender
Präsident Gebrauch, um Bluntschlis Rede das Zeugniß der Vollendung aus-
zustellen. Merkwürdigerweise war die stärkste Einwendung, welche sie in
in der Debatte erfuhr, eine politische. Wir sind nachgerade über jene natio-
nalen Kinderjahre hinaus, in denen die Politik auf Kongressen dieser Art ein
verpönter, ängstlich ferngehaltener Gast war; die Scheu vor der Einmischung
des wichtigsten irdischen Interesses hat sich vorläufig pikanterweise in eine
legale Volksvertretung zurückgezogen, in das deutsche Zollparlament. Man
konnte es sich daher gern gefallen lassen, daß zwei sächsische und ein öst¬
reichisches Mitglied, welche an einem großen Theile des Referats politischen
Anstoß nahmen, kein Bedenken trugen, sich darüber auszulassen. In der
Sache selbst bewiesen sie sich freilich als etwas naive Politiker. Bluntschli
hatte die Beziehung Oestreichs als einer katholischen Macht ausdrücklich staats¬
rechtlich incorrect genannt, aber zugegeben, daß dieser Sprachgebrauch historisch
und praktisch nicht ganz unbefugt sei. Dies fanden jene Herren ungerecht, seitdem
der Kaiserstaat seine Beziehungen zur Kirche ins Freisinnige umzugestalten be¬
gonnen hat. Natürlich waren Bluntschli weder die fraglichen Anstrengungen
unbekannt geblieben, noch hatten sie ihn anders als freudig berührt. Seit
Oestreich uns in Deutschland nicht mehr hindert und lahmt. — so unge¬
fähr fand er nachher Gelegenheit zu antworten —, wünschen wir ihm von
Grenzboten II. 1868.
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