Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.den Einschluß perhorreseiren. Der Kaiser und sein Frankreich werden sich mit Wir Deutsche aber haben den Preis des Friedens reichlich bezahlt. -- den Einschluß perhorreseiren. Der Kaiser und sein Frankreich werden sich mit Wir Deutsche aber haben den Preis des Friedens reichlich bezahlt. — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117972"/> <p xml:id="ID_1382" prev="#ID_1381"> den Einschluß perhorreseiren. Der Kaiser und sein Frankreich werden sich mit<lb/> diesem Erfolg vorläufig begnügen können. Der Kaiser wird älter und der<lb/> Entschluß, den ganzen Gewinn seines Lebens auf ein tödtliches Spiel zu<lb/> setzen, ist ihm vor jener Anfrage in England sicher sehr schwer geworden,<lb/> er wird zufrieden sein, daß er dem Chauvinismus seiner Franzosen ohne<lb/> eigene Gefahr eine große Satisfaction bereiten konnte und daß die katho¬<lb/> lische Partei, auf die er sich jetzt neben dem Heer vorzugsweise stützen muß,<lb/> über die Zukunft der süddeutschen Bisthümer ein wenig beruhigt ist. Die<lb/> Kirche Süddeutschlands wird nicht sobald in Abhängigkeit von dem ketzerischen<lb/> Norden kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1383" next="#ID_1384"> Wir Deutsche aber haben den Preis des Friedens reichlich bezahlt. —<lb/> Es ist eine sehr tröstliche Ueberzeugung, daß das Zusammenwachsen der Nord-<lb/> uud Süddeutschen zu staatlicher Einheit doch unaufhaltsam vor sich gehe und<lb/> doch nur eine Frage der Zeit sei! Schade nur, daß die ganze Zeit bis zu<lb/> dieser Vereinigung auch für den Nordbund eine Periode widerwärtiger und<lb/> kleinlicher Streitigkeiten, vor allem aber eine Periode politischer Schwäche<lb/> ist. Solange die Regierungen der Südstaaten unter dem Kreuzfeuer fremder<lb/> Einwirkungen stehen, solange Frankreich und Oestreich noch Aussicht haben,<lb/> eine innerlich abgelebte, aber hundertjährige Tradition ihrer Politik, den<lb/> Kampf gegen den preußischen Norden, dort durchzuführen, gerade so lange<lb/> ist für den Nordbund aufrichtige Annäherung und feste Allianz weder mit<lb/> Oestreich noch mit Frankreich möglich; und so lange diese unmöglich sind,<lb/> hält die zwingende Rücksicht, Rußland zu schonen, das materielle Gedeihen<lb/> und die Cultur des östlichen Deutschlands in einem Grade auf, welcher in<lb/> den Grenzlandschaften fast unerträglich geworden ist. Um die Noth in Ost¬<lb/> preußen gründlich zu bessern, müssen wir die Grenzsperre Rußlands be¬<lb/> seitigen, und wir sind oft in der Lage, dies werthvolle Einvernehmen mit<lb/> Rußland auch nur vorübergehend auf das Spiel zu setzen, so lange wir kei¬<lb/> nen anderen unserer drei großen Nachbarn zum Alliirten gewinnen; uns ist<lb/> aber jede Wahl unter diesen versagt, so lange zwei derselben sich auf Grund<lb/> des prager Friedens als Protectoren der schwäbischen und bairischen Unab¬<lb/> hängigkeit betrachten. Nur die größten europäischen Verwickelungen verus-,<lb/> gen Frankreich und Oestreich, ihren Einfluß in Süddeutschland dem Nord¬<lb/> bunde zu opfern, nicht unser Wille. Und dieser Umstand macht unsere<lb/> auswärtige Politik unfrei und stellt dem Muth, Scharfsinn und der Gewand-<lb/> heit ihrer Leiter die schwierigsten Aufgaben. — Auch der militärischen Kraft<lb/> des Bundes sind bei den jetzigen Verhältnissen opfervolle und mißliche<lb/> Aufgaben gestellt. Wir haben den Süden zu vertheidigen und unser Recht<lb/> an ihn zu behaupten und wir haben auf mehr als drei Viertheile desselben<lb/> keinerlei militärischen Einfluß. Der.alte Schlendrian und die Desorganisa¬<lb/> tion des kleinstaatlichen Heerwesens dauern trotz allem Schein neuer Anstren¬<lb/> gungen dort ungebessert fort. Deutschland würde auch durch Einfügung der<lb/> Südstaaten unter allen Umständen ein militärisch ungünstiges Terrain erhal¬<lb/> ten; jetzt aber liegt uns die Deckung desselben ob, ohne daß das vorhandene<lb/> vortreffliche Kriegsmaterial dieser Landschaften zu erträglich genügender Ver¬<lb/> wendung kommt. Aus diesen Gründen wird die junge Kraft des Nordhun¬<lb/> des eng gebunden arbeiten und die Stellung desselben unter den Großmäch'<lb/> ten immer eine gefahrvolle sein, bis die große Frage entschieden ist. — Und<lb/> deshalb haben wir die momentane Beruhigung des kaiserlichen Frankreichs<lb/> durch Fortdauer deutscher Unsicherheit bezahlt. Uns freilich bleibt in der<lb/> That jetzt nichts übrig, als mit Zurückhaltung abzuwarten, bis die Süd-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
den Einschluß perhorreseiren. Der Kaiser und sein Frankreich werden sich mit
diesem Erfolg vorläufig begnügen können. Der Kaiser wird älter und der
Entschluß, den ganzen Gewinn seines Lebens auf ein tödtliches Spiel zu
setzen, ist ihm vor jener Anfrage in England sicher sehr schwer geworden,
er wird zufrieden sein, daß er dem Chauvinismus seiner Franzosen ohne
eigene Gefahr eine große Satisfaction bereiten konnte und daß die katho¬
lische Partei, auf die er sich jetzt neben dem Heer vorzugsweise stützen muß,
über die Zukunft der süddeutschen Bisthümer ein wenig beruhigt ist. Die
Kirche Süddeutschlands wird nicht sobald in Abhängigkeit von dem ketzerischen
Norden kommen.
Wir Deutsche aber haben den Preis des Friedens reichlich bezahlt. —
Es ist eine sehr tröstliche Ueberzeugung, daß das Zusammenwachsen der Nord-
uud Süddeutschen zu staatlicher Einheit doch unaufhaltsam vor sich gehe und
doch nur eine Frage der Zeit sei! Schade nur, daß die ganze Zeit bis zu
dieser Vereinigung auch für den Nordbund eine Periode widerwärtiger und
kleinlicher Streitigkeiten, vor allem aber eine Periode politischer Schwäche
ist. Solange die Regierungen der Südstaaten unter dem Kreuzfeuer fremder
Einwirkungen stehen, solange Frankreich und Oestreich noch Aussicht haben,
eine innerlich abgelebte, aber hundertjährige Tradition ihrer Politik, den
Kampf gegen den preußischen Norden, dort durchzuführen, gerade so lange
ist für den Nordbund aufrichtige Annäherung und feste Allianz weder mit
Oestreich noch mit Frankreich möglich; und so lange diese unmöglich sind,
hält die zwingende Rücksicht, Rußland zu schonen, das materielle Gedeihen
und die Cultur des östlichen Deutschlands in einem Grade auf, welcher in
den Grenzlandschaften fast unerträglich geworden ist. Um die Noth in Ost¬
preußen gründlich zu bessern, müssen wir die Grenzsperre Rußlands be¬
seitigen, und wir sind oft in der Lage, dies werthvolle Einvernehmen mit
Rußland auch nur vorübergehend auf das Spiel zu setzen, so lange wir kei¬
nen anderen unserer drei großen Nachbarn zum Alliirten gewinnen; uns ist
aber jede Wahl unter diesen versagt, so lange zwei derselben sich auf Grund
des prager Friedens als Protectoren der schwäbischen und bairischen Unab¬
hängigkeit betrachten. Nur die größten europäischen Verwickelungen verus-,
gen Frankreich und Oestreich, ihren Einfluß in Süddeutschland dem Nord¬
bunde zu opfern, nicht unser Wille. Und dieser Umstand macht unsere
auswärtige Politik unfrei und stellt dem Muth, Scharfsinn und der Gewand-
heit ihrer Leiter die schwierigsten Aufgaben. — Auch der militärischen Kraft
des Bundes sind bei den jetzigen Verhältnissen opfervolle und mißliche
Aufgaben gestellt. Wir haben den Süden zu vertheidigen und unser Recht
an ihn zu behaupten und wir haben auf mehr als drei Viertheile desselben
keinerlei militärischen Einfluß. Der.alte Schlendrian und die Desorganisa¬
tion des kleinstaatlichen Heerwesens dauern trotz allem Schein neuer Anstren¬
gungen dort ungebessert fort. Deutschland würde auch durch Einfügung der
Südstaaten unter allen Umständen ein militärisch ungünstiges Terrain erhal¬
ten; jetzt aber liegt uns die Deckung desselben ob, ohne daß das vorhandene
vortreffliche Kriegsmaterial dieser Landschaften zu erträglich genügender Ver¬
wendung kommt. Aus diesen Gründen wird die junge Kraft des Nordhun¬
des eng gebunden arbeiten und die Stellung desselben unter den Großmäch'
ten immer eine gefahrvolle sein, bis die große Frage entschieden ist. — Und
deshalb haben wir die momentane Beruhigung des kaiserlichen Frankreichs
durch Fortdauer deutscher Unsicherheit bezahlt. Uns freilich bleibt in der
That jetzt nichts übrig, als mit Zurückhaltung abzuwarten, bis die Süd-
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