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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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durchschnittliche Wohlstand in Leipzig allerdings größer ist, als in irgend
einer Binnenstadt.

Es ist also jedenfalls Aussicht vorhanden, die Kosten durch die Ew.
nähme zu bestreiten und bei erträglich günstigen Verhältnissen den Ausfall
des einen Jahres durch den Ueberschuß des andern zu decken. Aber ein
Risiko ist nicht abzuleugnen.

2) Die gesammte Leitung des Theaters wird einem Director übergeben,
der mit festem Gehält und mit einem bedeutenden Procentantheil an den die
Etatsumme überschießenden Einnahmen bestellt ist. Derselbe ist in Repertoire,
Engagements, der gesammten technischen Administration völlig souverain, er
entwirft vor Beginn jedes Jahres das Budget in der garantirten Höhe und
legt dasselbe der Rathscommission zur Genehmigung vor, auch lebensläng¬
liche Engagements hat er mit dem Rath zu vereinbaren. Er ist verpflichtet,
die Ausgaben innerhalb des festgesetzten Etats zu halten und hat dafür allen¬
falls Sicherheit zu stellen. Dieser Dirigent, in dessen Persönlichkeit aller¬
dings die besten Garantien für das Gedeihen des Instituts liegen, wird bet
den besonderen Verhältnissen des leipziger Theaters am besten selbst ein aus¬
übender Künstler sein; es fehlt uns in Deutschland nicht ganz an Schau¬
spielern mit der Bildung und dem administrativen Talent, welche zu solchem
Amte nöthig sind. Und es würde in Leipzig ein arbeitvolles Amt sein, loh¬
nend für rüstige Männerkraft. Ob der Director noch selbst zuweilen auf den
Brettern thätig sein dürste oder nicht, das hinge unter anderem auch von
der Persönlichkeit ab.

Durch diese Einrichtung, deren Detail nicht hierher gehört, wird der
Bühne Leipzigs eine Festigkeit gegeben, welche sie bis jetzt nicht gehabt hat,
den engagirten Künstlern aber dasselbe Gefühl der Sicherheit, welches ihnen
bis jetzt die Hofbühnen werthvoll machte, der Director erhält die feste Stel¬
lung eines städtischen Beamten und durch die Aussicht auf einen hohen Ge¬
winnantheil zugleich den Ehrgeiz, billig und zum Vortheil für den Stadt¬
säckel zu arbeiten, die Stadt gewinnt die Möglichkeit, für ein ehrenvolles
Amt unter den disponibeln Talenten von ganz Deutschland zu wählen und
entgeht dem bittern Zwange, sich zwischen den wenigen Individuen zu ent¬
scheiden, welche als waglustige Speculanten sich gerade anbieten. Es ist
möglich, daß aus diesem Wege die Stadt auch pecuniär besser fährt als auf
jedem andern. Es ist ebenso möglich, daß hier in einzelnen Jahren ein nicht
unbeträchtlicher Zuschuß lästig wird, denn das Leipziger Theater fordert für
die Oper so große Stimmen, daß es immer unsicher bleiben wird, ob die Oper
einer Saison gerechten Ansprüchen genügt. Und Leipzig muß fortan den
besten Vortheil einer Mittelstadt und eines mäßigen Theaterraumes entbeh¬
ren, den Vortheil, daß sie tüchtige Sänger und Schauspieler erwirbt, deren


durchschnittliche Wohlstand in Leipzig allerdings größer ist, als in irgend
einer Binnenstadt.

Es ist also jedenfalls Aussicht vorhanden, die Kosten durch die Ew.
nähme zu bestreiten und bei erträglich günstigen Verhältnissen den Ausfall
des einen Jahres durch den Ueberschuß des andern zu decken. Aber ein
Risiko ist nicht abzuleugnen.

2) Die gesammte Leitung des Theaters wird einem Director übergeben,
der mit festem Gehält und mit einem bedeutenden Procentantheil an den die
Etatsumme überschießenden Einnahmen bestellt ist. Derselbe ist in Repertoire,
Engagements, der gesammten technischen Administration völlig souverain, er
entwirft vor Beginn jedes Jahres das Budget in der garantirten Höhe und
legt dasselbe der Rathscommission zur Genehmigung vor, auch lebensläng¬
liche Engagements hat er mit dem Rath zu vereinbaren. Er ist verpflichtet,
die Ausgaben innerhalb des festgesetzten Etats zu halten und hat dafür allen¬
falls Sicherheit zu stellen. Dieser Dirigent, in dessen Persönlichkeit aller¬
dings die besten Garantien für das Gedeihen des Instituts liegen, wird bet
den besonderen Verhältnissen des leipziger Theaters am besten selbst ein aus¬
übender Künstler sein; es fehlt uns in Deutschland nicht ganz an Schau¬
spielern mit der Bildung und dem administrativen Talent, welche zu solchem
Amte nöthig sind. Und es würde in Leipzig ein arbeitvolles Amt sein, loh¬
nend für rüstige Männerkraft. Ob der Director noch selbst zuweilen auf den
Brettern thätig sein dürste oder nicht, das hinge unter anderem auch von
der Persönlichkeit ab.

Durch diese Einrichtung, deren Detail nicht hierher gehört, wird der
Bühne Leipzigs eine Festigkeit gegeben, welche sie bis jetzt nicht gehabt hat,
den engagirten Künstlern aber dasselbe Gefühl der Sicherheit, welches ihnen
bis jetzt die Hofbühnen werthvoll machte, der Director erhält die feste Stel¬
lung eines städtischen Beamten und durch die Aussicht auf einen hohen Ge¬
winnantheil zugleich den Ehrgeiz, billig und zum Vortheil für den Stadt¬
säckel zu arbeiten, die Stadt gewinnt die Möglichkeit, für ein ehrenvolles
Amt unter den disponibeln Talenten von ganz Deutschland zu wählen und
entgeht dem bittern Zwange, sich zwischen den wenigen Individuen zu ent¬
scheiden, welche als waglustige Speculanten sich gerade anbieten. Es ist
möglich, daß aus diesem Wege die Stadt auch pecuniär besser fährt als auf
jedem andern. Es ist ebenso möglich, daß hier in einzelnen Jahren ein nicht
unbeträchtlicher Zuschuß lästig wird, denn das Leipziger Theater fordert für
die Oper so große Stimmen, daß es immer unsicher bleiben wird, ob die Oper
einer Saison gerechten Ansprüchen genügt. Und Leipzig muß fortan den
besten Vortheil einer Mittelstadt und eines mäßigen Theaterraumes entbeh¬
ren, den Vortheil, daß sie tüchtige Sänger und Schauspieler erwirbt, deren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/424>, abgerufen am 15.01.2025.