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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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der Athene und des Hephästos von allen Handwerkern gefeiert, und die
"Prometheia", die von den Töpfern im Kerameikos zu Ehren ihres Schutz¬
patrons durch Fackellauf begangen wurden. Ebensowenig wie der Staat
Zünfte durch Gewährung von Rechten schützte, scheint er Privilegien ver¬
liehen oder Beschränkungen eines Gewerbszweigs haben eintreten lassen. Nicht
einmal die Bestimmung des Solon, daß kein Bürger sich mit Salbenbe¬
reitung abgeben solle, blieb in Kraft. Staatsmonopole, wie sie in Griechen¬
land beim Handel vorkommen, scheinen die Fabrikate nicht betroffen zu haben;
keinesfalls aber forderte der Staat von seinen Bürgern Lieferung von
Waaren zu bestimmtem Preise, um von dem Gewinn seine Kassen zu füllen.
Ueberhaupt müssen wir annehmen, daß die größtmögliche Freiheit den Ge-
werbtreibenden gelassen und daß weder Druck noch Beschränkung irgend welcher
Art durch Auflagen geübt wurde. So zahlten dieselben auch keine Ge¬
werbesteuer und nur der Schutzverwandte hatte für den Marktverkauf sein
Standgeld zu entrichten. Von dieser Steuer ist natürlich die Accise zu
unterscheiden, die man von einzelnen Gegenständen, welche auf dem Markte
verkauft wurden, erhob; ebenso die Kaufsteuer, von der einige Grammatiker
berichten. Wie weit diese die Fabrikate betraf, wissen wir nicht. Auch
Polizeiliche Beschränkungen, wie in Sybaris, wo alle Lärm verursachenden
Gewerbe vor die Thore verwiesen waren, existirten in Athen selten. Nur
Gerbereien durften zeitweis des üblen Geruchs wegen nicht in der Stadt be¬
trieben werden.

Wir haben im Eingang unserer Darstellung von dem Vorurtheil ge¬
sprochen, welches Alle traf, die ein Gewerbe selbständig des Lebensunter¬
halts wegen betrieben, und haben als einen Grund zu demselben die Zahl der
Sclaven angegeben, die sich mit dem Handwerk befaßten. Doch dürfen wir
uns nicht verhehlen, daß, so sehr die Einführung von Kaufsclaven zur Aus¬
breitung einer solchen Geringschätzung beigetragen haben mag, doch dieselbe
auch überhaupt in der antiken Anschauung von der dem Menschen allein
anstehenden Beschäftigung wurzelte. Der freie Mann fand die würdige
Verwendung seiner Gaben allein im Staatsleben; hier war die Quelle und
Wurzel alles Glücks und so wurde auf dieses alle übrige Thätigkeit bezogen.
Der Handwerker aber, der an seine Werkstätte gefesselt war, konnte dem¬
selben nicht seine Zeit widmen. Indem er für andere arbeitete, war er, dem
Sclaven ähnlich, gezwungen, sich dem Wunsche und Willen eines Andern
dienstbar zu machen, auch hinderte ihn die sitzende'Lebensweise, seinen Kör¬
per gehörig auszubilden. So wurde ihm auch äußerlich der'Stempel der
Unfreiheit aufgedrückt und er dadurch in der Schätzung den Unfreien nahe
gestellt. Indeß dürfen wir wohl behaupten, daß das Leben vielfach diese
Disharmonie ausglich. Der Süden ist bei dem Leben im Freien ungezwun-


Grenzboten II. 18os. 49

der Athene und des Hephästos von allen Handwerkern gefeiert, und die
„Prometheia", die von den Töpfern im Kerameikos zu Ehren ihres Schutz¬
patrons durch Fackellauf begangen wurden. Ebensowenig wie der Staat
Zünfte durch Gewährung von Rechten schützte, scheint er Privilegien ver¬
liehen oder Beschränkungen eines Gewerbszweigs haben eintreten lassen. Nicht
einmal die Bestimmung des Solon, daß kein Bürger sich mit Salbenbe¬
reitung abgeben solle, blieb in Kraft. Staatsmonopole, wie sie in Griechen¬
land beim Handel vorkommen, scheinen die Fabrikate nicht betroffen zu haben;
keinesfalls aber forderte der Staat von seinen Bürgern Lieferung von
Waaren zu bestimmtem Preise, um von dem Gewinn seine Kassen zu füllen.
Ueberhaupt müssen wir annehmen, daß die größtmögliche Freiheit den Ge-
werbtreibenden gelassen und daß weder Druck noch Beschränkung irgend welcher
Art durch Auflagen geübt wurde. So zahlten dieselben auch keine Ge¬
werbesteuer und nur der Schutzverwandte hatte für den Marktverkauf sein
Standgeld zu entrichten. Von dieser Steuer ist natürlich die Accise zu
unterscheiden, die man von einzelnen Gegenständen, welche auf dem Markte
verkauft wurden, erhob; ebenso die Kaufsteuer, von der einige Grammatiker
berichten. Wie weit diese die Fabrikate betraf, wissen wir nicht. Auch
Polizeiliche Beschränkungen, wie in Sybaris, wo alle Lärm verursachenden
Gewerbe vor die Thore verwiesen waren, existirten in Athen selten. Nur
Gerbereien durften zeitweis des üblen Geruchs wegen nicht in der Stadt be¬
trieben werden.

Wir haben im Eingang unserer Darstellung von dem Vorurtheil ge¬
sprochen, welches Alle traf, die ein Gewerbe selbständig des Lebensunter¬
halts wegen betrieben, und haben als einen Grund zu demselben die Zahl der
Sclaven angegeben, die sich mit dem Handwerk befaßten. Doch dürfen wir
uns nicht verhehlen, daß, so sehr die Einführung von Kaufsclaven zur Aus¬
breitung einer solchen Geringschätzung beigetragen haben mag, doch dieselbe
auch überhaupt in der antiken Anschauung von der dem Menschen allein
anstehenden Beschäftigung wurzelte. Der freie Mann fand die würdige
Verwendung seiner Gaben allein im Staatsleben; hier war die Quelle und
Wurzel alles Glücks und so wurde auf dieses alle übrige Thätigkeit bezogen.
Der Handwerker aber, der an seine Werkstätte gefesselt war, konnte dem¬
selben nicht seine Zeit widmen. Indem er für andere arbeitete, war er, dem
Sclaven ähnlich, gezwungen, sich dem Wunsche und Willen eines Andern
dienstbar zu machen, auch hinderte ihn die sitzende'Lebensweise, seinen Kör¬
per gehörig auszubilden. So wurde ihm auch äußerlich der'Stempel der
Unfreiheit aufgedrückt und er dadurch in der Schätzung den Unfreien nahe
gestellt. Indeß dürfen wir wohl behaupten, daß das Leben vielfach diese
Disharmonie ausglich. Der Süden ist bei dem Leben im Freien ungezwun-


Grenzboten II. 18os. 49
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[0389] der Athene und des Hephästos von allen Handwerkern gefeiert, und die „Prometheia", die von den Töpfern im Kerameikos zu Ehren ihres Schutz¬ patrons durch Fackellauf begangen wurden. Ebensowenig wie der Staat Zünfte durch Gewährung von Rechten schützte, scheint er Privilegien ver¬ liehen oder Beschränkungen eines Gewerbszweigs haben eintreten lassen. Nicht einmal die Bestimmung des Solon, daß kein Bürger sich mit Salbenbe¬ reitung abgeben solle, blieb in Kraft. Staatsmonopole, wie sie in Griechen¬ land beim Handel vorkommen, scheinen die Fabrikate nicht betroffen zu haben; keinesfalls aber forderte der Staat von seinen Bürgern Lieferung von Waaren zu bestimmtem Preise, um von dem Gewinn seine Kassen zu füllen. Ueberhaupt müssen wir annehmen, daß die größtmögliche Freiheit den Ge- werbtreibenden gelassen und daß weder Druck noch Beschränkung irgend welcher Art durch Auflagen geübt wurde. So zahlten dieselben auch keine Ge¬ werbesteuer und nur der Schutzverwandte hatte für den Marktverkauf sein Standgeld zu entrichten. Von dieser Steuer ist natürlich die Accise zu unterscheiden, die man von einzelnen Gegenständen, welche auf dem Markte verkauft wurden, erhob; ebenso die Kaufsteuer, von der einige Grammatiker berichten. Wie weit diese die Fabrikate betraf, wissen wir nicht. Auch Polizeiliche Beschränkungen, wie in Sybaris, wo alle Lärm verursachenden Gewerbe vor die Thore verwiesen waren, existirten in Athen selten. Nur Gerbereien durften zeitweis des üblen Geruchs wegen nicht in der Stadt be¬ trieben werden. Wir haben im Eingang unserer Darstellung von dem Vorurtheil ge¬ sprochen, welches Alle traf, die ein Gewerbe selbständig des Lebensunter¬ halts wegen betrieben, und haben als einen Grund zu demselben die Zahl der Sclaven angegeben, die sich mit dem Handwerk befaßten. Doch dürfen wir uns nicht verhehlen, daß, so sehr die Einführung von Kaufsclaven zur Aus¬ breitung einer solchen Geringschätzung beigetragen haben mag, doch dieselbe auch überhaupt in der antiken Anschauung von der dem Menschen allein anstehenden Beschäftigung wurzelte. Der freie Mann fand die würdige Verwendung seiner Gaben allein im Staatsleben; hier war die Quelle und Wurzel alles Glücks und so wurde auf dieses alle übrige Thätigkeit bezogen. Der Handwerker aber, der an seine Werkstätte gefesselt war, konnte dem¬ selben nicht seine Zeit widmen. Indem er für andere arbeitete, war er, dem Sclaven ähnlich, gezwungen, sich dem Wunsche und Willen eines Andern dienstbar zu machen, auch hinderte ihn die sitzende'Lebensweise, seinen Kör¬ per gehörig auszubilden. So wurde ihm auch äußerlich der'Stempel der Unfreiheit aufgedrückt und er dadurch in der Schätzung den Unfreien nahe gestellt. Indeß dürfen wir wohl behaupten, daß das Leben vielfach diese Disharmonie ausglich. Der Süden ist bei dem Leben im Freien ungezwun- Grenzboten II. 18os. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/389>, abgerufen am 16.01.2025.