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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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werben läßt sich die Betheiligung der Bürger an der eigentlichen Arbeit nicht
feststellen, da der Betrieb derselben in das Fabrikmäßige übergeht und der
Bürger daher mehr als Fabrikant, wenn auch im kleineren Maßstabe, er¬
scheint. Begreiflicherweise fehlen hier alle directen Nachrichten und wir sind
noch mehr als bei andern Gebieten auf allgemeine Schlüsse angewiesen. Ge¬
rade dieser Punkt scheint aber zum Verständniß antiker Arbeitsverhältnisse beson¬
ders wichtig zu sein. Denn es ist wohl anzunehmen, daß gerade in diesem
Uebergang vom gewöhnlichen Arbeiter zum Fabrikanten die Erklärung zu
suchen ist, warum trotz der Betheiligung so mancher Bürger, am Gewerbe
doch jenes oben beregte Vorurtheil gegen Erwerb durch Arbeit Boden ge¬
winnen und behalten konnte. , Denn den Fabrikanten traf jenes Vorurtheil
nicht, wenn auch einzelne von Komikern und Rednern höhnend mit derselben
Bezeichnung wie die Handwerker selbst belegt werden. Solche Fabrikanten im
kleineren Stil werden entweder selbst mit ihren Sklaven mitgearbeitet oder
diese wenigstens beaufsichtigt haben, auch sorgten sie für Beschaffung des Roh¬
materials und vertrieben ihr Fabrikat. Verhältnisse wie die unsrigen von
Meister und Geselle konnten sich bei der Zusammensetzung der Arbeiterklasse
nicht gestalten, auch ist es wohl nur selten vorgekommen, daß arme Bür¬
ger in der Werkstätte eines andern mitarbeiteten, da ja Sclavenarbeit billiger
kam, und man leicht bet Bürgern üble Erfahrungen machte, zumal wenn diese
Verwandte waren, wie aus der Unterhaltung der Arbeiter des Aristarchos
mit dem Sokrates bei Aenophon hervorgeht.

Die meisten der Gewerbe, welche die- gewöhnlichsten Lebensbedürfnisse
beschafften, scheinen fabrikmäßig betrieben worden zu sein, z. B. die Brod-
und Kuchenbäckerei, die ebenso geschätzt war, wie die attische Kochkunst, welche
von Alters her durch Bürger betrieben wurde.*) Unter den Speisekünstlern
wird der Bäcker Thearion selbst von Platon mit einiger Achtung genannt
und Sokrates spricht in den Memoiren des Xenophon von der Wohlhaben¬
heit des Bäckers Koroibos. Mag unter dieser Handwerksklasse auch die Bil¬
dung nicht eben groß gewesen sein, so würden wir doch irren, wollten wir
uns unter einem Bürger aus jener Sphäre einen Mann von dem Schlage
vorstellen, wie ihn uns Aristophanes in den Rittern so ergötzlich als Wurst¬
händler vorführt. Auf diesen großmäuliger und ungebildeten Banausen sind
offenbar von dem Komiker die schlimmsten Züge, wie sie nur irgend im athe¬
nischen Handwerksleben sich finden mochten, gehäuft, um ein möglichst ab¬
schreckendes Bild der Staatslenker zu geben, die dem Kleon folgen würden.
Die Schuhmacher arbeiteten ebenfalls fabrikmäßig. Sie scheinen sich gut ge¬
standen zu haben, da die Mode auf Eleganz der Fußbekleidung sah. Was-



") Im Piraeus wurde vor kurzem das Schild eines Garkochs (Relief) gefunden, einen ge¬
kochten Kalbskopf mit vier Kalbsfüßen darstellend.

werben läßt sich die Betheiligung der Bürger an der eigentlichen Arbeit nicht
feststellen, da der Betrieb derselben in das Fabrikmäßige übergeht und der
Bürger daher mehr als Fabrikant, wenn auch im kleineren Maßstabe, er¬
scheint. Begreiflicherweise fehlen hier alle directen Nachrichten und wir sind
noch mehr als bei andern Gebieten auf allgemeine Schlüsse angewiesen. Ge¬
rade dieser Punkt scheint aber zum Verständniß antiker Arbeitsverhältnisse beson¬
ders wichtig zu sein. Denn es ist wohl anzunehmen, daß gerade in diesem
Uebergang vom gewöhnlichen Arbeiter zum Fabrikanten die Erklärung zu
suchen ist, warum trotz der Betheiligung so mancher Bürger, am Gewerbe
doch jenes oben beregte Vorurtheil gegen Erwerb durch Arbeit Boden ge¬
winnen und behalten konnte. , Denn den Fabrikanten traf jenes Vorurtheil
nicht, wenn auch einzelne von Komikern und Rednern höhnend mit derselben
Bezeichnung wie die Handwerker selbst belegt werden. Solche Fabrikanten im
kleineren Stil werden entweder selbst mit ihren Sklaven mitgearbeitet oder
diese wenigstens beaufsichtigt haben, auch sorgten sie für Beschaffung des Roh¬
materials und vertrieben ihr Fabrikat. Verhältnisse wie die unsrigen von
Meister und Geselle konnten sich bei der Zusammensetzung der Arbeiterklasse
nicht gestalten, auch ist es wohl nur selten vorgekommen, daß arme Bür¬
ger in der Werkstätte eines andern mitarbeiteten, da ja Sclavenarbeit billiger
kam, und man leicht bet Bürgern üble Erfahrungen machte, zumal wenn diese
Verwandte waren, wie aus der Unterhaltung der Arbeiter des Aristarchos
mit dem Sokrates bei Aenophon hervorgeht.

Die meisten der Gewerbe, welche die- gewöhnlichsten Lebensbedürfnisse
beschafften, scheinen fabrikmäßig betrieben worden zu sein, z. B. die Brod-
und Kuchenbäckerei, die ebenso geschätzt war, wie die attische Kochkunst, welche
von Alters her durch Bürger betrieben wurde.*) Unter den Speisekünstlern
wird der Bäcker Thearion selbst von Platon mit einiger Achtung genannt
und Sokrates spricht in den Memoiren des Xenophon von der Wohlhaben¬
heit des Bäckers Koroibos. Mag unter dieser Handwerksklasse auch die Bil¬
dung nicht eben groß gewesen sein, so würden wir doch irren, wollten wir
uns unter einem Bürger aus jener Sphäre einen Mann von dem Schlage
vorstellen, wie ihn uns Aristophanes in den Rittern so ergötzlich als Wurst¬
händler vorführt. Auf diesen großmäuliger und ungebildeten Banausen sind
offenbar von dem Komiker die schlimmsten Züge, wie sie nur irgend im athe¬
nischen Handwerksleben sich finden mochten, gehäuft, um ein möglichst ab¬
schreckendes Bild der Staatslenker zu geben, die dem Kleon folgen würden.
Die Schuhmacher arbeiteten ebenfalls fabrikmäßig. Sie scheinen sich gut ge¬
standen zu haben, da die Mode auf Eleganz der Fußbekleidung sah. Was-



") Im Piraeus wurde vor kurzem das Schild eines Garkochs (Relief) gefunden, einen ge¬
kochten Kalbskopf mit vier Kalbsfüßen darstellend.
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[0384] werben läßt sich die Betheiligung der Bürger an der eigentlichen Arbeit nicht feststellen, da der Betrieb derselben in das Fabrikmäßige übergeht und der Bürger daher mehr als Fabrikant, wenn auch im kleineren Maßstabe, er¬ scheint. Begreiflicherweise fehlen hier alle directen Nachrichten und wir sind noch mehr als bei andern Gebieten auf allgemeine Schlüsse angewiesen. Ge¬ rade dieser Punkt scheint aber zum Verständniß antiker Arbeitsverhältnisse beson¬ ders wichtig zu sein. Denn es ist wohl anzunehmen, daß gerade in diesem Uebergang vom gewöhnlichen Arbeiter zum Fabrikanten die Erklärung zu suchen ist, warum trotz der Betheiligung so mancher Bürger, am Gewerbe doch jenes oben beregte Vorurtheil gegen Erwerb durch Arbeit Boden ge¬ winnen und behalten konnte. , Denn den Fabrikanten traf jenes Vorurtheil nicht, wenn auch einzelne von Komikern und Rednern höhnend mit derselben Bezeichnung wie die Handwerker selbst belegt werden. Solche Fabrikanten im kleineren Stil werden entweder selbst mit ihren Sklaven mitgearbeitet oder diese wenigstens beaufsichtigt haben, auch sorgten sie für Beschaffung des Roh¬ materials und vertrieben ihr Fabrikat. Verhältnisse wie die unsrigen von Meister und Geselle konnten sich bei der Zusammensetzung der Arbeiterklasse nicht gestalten, auch ist es wohl nur selten vorgekommen, daß arme Bür¬ ger in der Werkstätte eines andern mitarbeiteten, da ja Sclavenarbeit billiger kam, und man leicht bet Bürgern üble Erfahrungen machte, zumal wenn diese Verwandte waren, wie aus der Unterhaltung der Arbeiter des Aristarchos mit dem Sokrates bei Aenophon hervorgeht. Die meisten der Gewerbe, welche die- gewöhnlichsten Lebensbedürfnisse beschafften, scheinen fabrikmäßig betrieben worden zu sein, z. B. die Brod- und Kuchenbäckerei, die ebenso geschätzt war, wie die attische Kochkunst, welche von Alters her durch Bürger betrieben wurde.*) Unter den Speisekünstlern wird der Bäcker Thearion selbst von Platon mit einiger Achtung genannt und Sokrates spricht in den Memoiren des Xenophon von der Wohlhaben¬ heit des Bäckers Koroibos. Mag unter dieser Handwerksklasse auch die Bil¬ dung nicht eben groß gewesen sein, so würden wir doch irren, wollten wir uns unter einem Bürger aus jener Sphäre einen Mann von dem Schlage vorstellen, wie ihn uns Aristophanes in den Rittern so ergötzlich als Wurst¬ händler vorführt. Auf diesen großmäuliger und ungebildeten Banausen sind offenbar von dem Komiker die schlimmsten Züge, wie sie nur irgend im athe¬ nischen Handwerksleben sich finden mochten, gehäuft, um ein möglichst ab¬ schreckendes Bild der Staatslenker zu geben, die dem Kleon folgen würden. Die Schuhmacher arbeiteten ebenfalls fabrikmäßig. Sie scheinen sich gut ge¬ standen zu haben, da die Mode auf Eleganz der Fußbekleidung sah. Was- ") Im Piraeus wurde vor kurzem das Schild eines Garkochs (Relief) gefunden, einen ge¬ kochten Kalbskopf mit vier Kalbsfüßen darstellend.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/384>, abgerufen am 16.01.2025.