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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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diejenige irgend einer einzelnen Kammer unter dem alten System, um
den geheimen Zusammenhang der Gunst ans Licht zu ziehen, welche die
französische Regierung vertragswidriger Weise auf Kosten der deutschen Eisen¬
producenten den ihrigen zuwendet. Der Botschafter des norddeutschen
Bundes in Paris hat von diesen Verhandlungen kräftigen Gebrauch gemacht,
und spätestens bis zu der Zeit, da ihre Erneuerung möglich erscheint, dürfte
man sich in Paris zur Einstellung des Mißbrauchs bequemt haben.

Auf die alte Generalzollconserenz hatte die Bewegung des öffentlichen
Geistes nur einen sehr entfernten, schwachen und Zufälligkeiten ausgesetzten
Einfluß, weil die Verhandlungen geheim, selbst die Gegenstände kaum bekannt
waren und weil auch der kleinste Staat eine Stimme hatte, mit welcher er
jeden nennenswerthen Fortschritt verhindern konnte. Es war auch damals
allenfalls denkbar, im Wege ernsthafter Agitation auf die Haltung der
preußischen oder der bairischen Regierung einzuwirken; aber wie wollte man
einwirken auf Waldeck und Bückeburg? Und doch hing die handelspolitische
Entwickelung eines Volkes von vierzig Millionen von Bückeburg's und
Waldeck's Votum ebenso gut ab, wie von dem Baierns oder Preußens. Die
öffentlichen, regelmäßig wiederkehrenden, unter sich zusammenhangenden, im
voraus bekannten Verhandlungen des Zollparlaments bieten der Einwirkung
aller Interessen und Ideen eine hinlänglich breite Fläche dar, um den vollen
Impuls einer bewegten Zeit zu empfangen; je öfter wir sie erleben, desto
besser werden wir uns daran gewöhnen, aus ihnen alles zu machen, dessen
sie fähig sind; und deswegen wäre es mehr als voreilig, wollte man aus
der Vereitelung einer weitergehenden Tarifreform, als der österreichische Handels¬
vertrag sie enthält, alsbald Schlüsse ziehen auf die Unfähigkeit der neuen
Einrichtung, Deutschland über ein Kleines die vollen Segnungen der Handels¬
freiheit zu verschaffen.

Zur Verstärkung dieser Tendenz in den verschiedenen Parteien hat die
Haltung der süddeutschgesinnten Süddeutschen das ihrige beigetragen. Theils
aus politischer Abneigung gegen Preußen, theils aus wirklichen schutzzöllne-
rischen Vorurtheilen stemmten diese übelberathenen Männer sich schlechterdings
gegen jeden Fortschritt. Sie wollten nicht einmal zur Ausdehnung der nord¬
deutschen Tabakssteuer auf den Süden, welche doch vertragsmäßig bereits
feststand, die Hand bieten. Sogar den Handelsvertrag mit Oestreich, dem
verlorenen Lande ihrer Sehnsucht, lehnten sie ab. weil er freihändlerischen
Charakters und weil er vornehmlich von preußischen Unterhändlern ab¬
geschlossen war, auf Preußen also die Wucht einer Ablehnung zumeist zurück¬
fallen mußte. Durch die Sprödigkeit ihrer wirtschaftlichen Haltung riefen sie
auch in anderen norddeutschen Parteien als der von Haus aus hinreichend
orientirten nationalliberalen die Vorstellung wach, es komme ihnen nur da¬
rauf an, die Gemeinschaft selbstsüchtig auszubeuten, nicht aber unbefangen
und brüderlich gestimmt mit ihren norddeutschen College« nach dem Wohl
des Ganzen zu streben. In dieser Stimmung war es, daß Graf Bismarck
in der Sitzung vom 18. Mai die Competenzzweifel seines großherzoglich des'
fischen College» so schneidend, die Drohung des Abgeordneten Propst mit
dem Auslande so vornehm überlegen zurückwies, daß Löwe seinen alten
schwäbischen Freunden in der schärfsten Sprache, welche sich anwenden ließ,
den Fehdehandschuh hinwarf, und Waldeck zum herzhaften Angriff auf die
unhaltbare Doppelstellung Hessens aufrief. Die erste Session des Zollparla¬
ments hat hingereicht, um das Bewußtsein von der Hohlheit und kurzsich¬
tigen Eigennützigkeit der alten Schutzzolllehre allgemein zu machen; in den
nächsten Sessionen wird unter diesem Eindruck gehandelt werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/362>, abgerufen am 24.01.2025.