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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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hervortrat, scheint rasch von Stufe zu Stufe zu steigen. Mit ihrer üppigen,
umfangreichen Stimme und einem angeborenen Schauspielertalent ist sie auch
vorzugsweise auf große dramatische Rollen hingewiesen. Ihrer Margarethe,
Alice folgte letzthin die Selica mit so großem Erfolg, daß man ihr wohl
eine bedeutende Zukunft vorhersagen darf. Frau Murska, die im Hinblick
auf ihre vermeintliche Unentbehrlich?": die echte Primadonna spielte, hat die
hiesige Bühne nun ganz verlassen, um vielleicht später mit bescheideneren An¬
forderungen selbst wieder anzuklopfen.

Die bevorstehende Uebersiedelung ins neue Opernhaus mit seinen grö¬
ßeren Dimensionen gebietet eine gründliche Reform des Operninstituts. Im
Chor und Orchester wurde schon jetzt tüchtig aufgeräumt und jüngere Kräfte
herbeigezogen. Weniger rasch geht es mit Ausmusterung und Ergänzung des
Sängerpersonals. Das Resultat von elf auf Engagement abzielenden Gast¬
spielen war ein bescheidenes, mitunter klägliches. Die einzige Sängerin, die
einstimmig gefiel, war Frau von Voggenhuber, die als Fidelio, Glei¬
chen und Selica sich als talentbegabte Künstlerin zeigte, der es wirk¬
lich Ernst um die Kunst ist. Man ließ sie ziehen und sie ist nun in
Berlin engagirt. Frl. von Edelsberg, die sechszehnmal in 6 Rollen
auftrat, vermochte nicht zu erwärmen; ihrer Stimme fehlt der frische, sinn¬
liche Reiz. Man sprach mehr von ihrem schauspielerischen Talent; ihre beste
Rolle war die Azucena. An Frau Blume-(Santner) wußte man so manches
in der Verwendung ihrer Stimmmittel auszusetzen und hob auch bei ihr mehr
die schauspielerische Seite hervor. Daß sie als Pamina am meisten gefiel,
spricht jedenfalls für ihren Werth. -- Viel übler stand es mit den Sängern,
von denen die meisten besser ungenannt bleiben. Nach einigen schweren Prü¬
fungen, mit denen das Publicum heimgesucht wurde, griff endlich Müller
aus Cassel durch und wurde für zweite Tenorpartien engagirt -- weniger in
Betracht dessen, was er jetzt leistet, als in Hinblick mancher Vorzüge, die nur
der Ausbildung bedürfen. Alle mißglückter Gastspiele aber machte das Auf¬
treten des Tenoristen Sontheim aus Stuttgart vergessen, der in vier Rollen
(Eleazar, Robert, Edgard, Masaniello) alle Grade eines entfesselten Enthu¬
siasmus kennen lernte. Hatte man doch seit Wild's Zeiten keine so markige,
imponirende Tenorstimme mehr gehört. Und gerade bei diesem längst schon
gebundenen Sänger war an ein Engagement nicht zu denken, höchstens daß
man denselben zu ferneren Gastspielen gewinnen konnte.

Seit Mitte November 1867 bis Mitte Mai 1868 wurden an 107
Abenden 32 verschiedene Opern gegeben. Die meisten Abende hatte Meyer¬
beer (25), Gounot (21). Mozart (16), Verdi (14). In zweiter und dritter
Linie: Donizetti (8). Rossini (5). Bellini. Flottow, Weber, Halevy (je 4),
Ander (3), Beethoven, Gluck, Nicolai (je 2), Mehul, Boieldieu und Wagner


hervortrat, scheint rasch von Stufe zu Stufe zu steigen. Mit ihrer üppigen,
umfangreichen Stimme und einem angeborenen Schauspielertalent ist sie auch
vorzugsweise auf große dramatische Rollen hingewiesen. Ihrer Margarethe,
Alice folgte letzthin die Selica mit so großem Erfolg, daß man ihr wohl
eine bedeutende Zukunft vorhersagen darf. Frau Murska, die im Hinblick
auf ihre vermeintliche Unentbehrlich?«: die echte Primadonna spielte, hat die
hiesige Bühne nun ganz verlassen, um vielleicht später mit bescheideneren An¬
forderungen selbst wieder anzuklopfen.

Die bevorstehende Uebersiedelung ins neue Opernhaus mit seinen grö¬
ßeren Dimensionen gebietet eine gründliche Reform des Operninstituts. Im
Chor und Orchester wurde schon jetzt tüchtig aufgeräumt und jüngere Kräfte
herbeigezogen. Weniger rasch geht es mit Ausmusterung und Ergänzung des
Sängerpersonals. Das Resultat von elf auf Engagement abzielenden Gast¬
spielen war ein bescheidenes, mitunter klägliches. Die einzige Sängerin, die
einstimmig gefiel, war Frau von Voggenhuber, die als Fidelio, Glei¬
chen und Selica sich als talentbegabte Künstlerin zeigte, der es wirk¬
lich Ernst um die Kunst ist. Man ließ sie ziehen und sie ist nun in
Berlin engagirt. Frl. von Edelsberg, die sechszehnmal in 6 Rollen
auftrat, vermochte nicht zu erwärmen; ihrer Stimme fehlt der frische, sinn¬
liche Reiz. Man sprach mehr von ihrem schauspielerischen Talent; ihre beste
Rolle war die Azucena. An Frau Blume-(Santner) wußte man so manches
in der Verwendung ihrer Stimmmittel auszusetzen und hob auch bei ihr mehr
die schauspielerische Seite hervor. Daß sie als Pamina am meisten gefiel,
spricht jedenfalls für ihren Werth. — Viel übler stand es mit den Sängern,
von denen die meisten besser ungenannt bleiben. Nach einigen schweren Prü¬
fungen, mit denen das Publicum heimgesucht wurde, griff endlich Müller
aus Cassel durch und wurde für zweite Tenorpartien engagirt — weniger in
Betracht dessen, was er jetzt leistet, als in Hinblick mancher Vorzüge, die nur
der Ausbildung bedürfen. Alle mißglückter Gastspiele aber machte das Auf¬
treten des Tenoristen Sontheim aus Stuttgart vergessen, der in vier Rollen
(Eleazar, Robert, Edgard, Masaniello) alle Grade eines entfesselten Enthu¬
siasmus kennen lernte. Hatte man doch seit Wild's Zeiten keine so markige,
imponirende Tenorstimme mehr gehört. Und gerade bei diesem längst schon
gebundenen Sänger war an ein Engagement nicht zu denken, höchstens daß
man denselben zu ferneren Gastspielen gewinnen konnte.

Seit Mitte November 1867 bis Mitte Mai 1868 wurden an 107
Abenden 32 verschiedene Opern gegeben. Die meisten Abende hatte Meyer¬
beer (25), Gounot (21). Mozart (16), Verdi (14). In zweiter und dritter
Linie: Donizetti (8). Rossini (5). Bellini. Flottow, Weber, Halevy (je 4),
Ander (3), Beethoven, Gluck, Nicolai (je 2), Mehul, Boieldieu und Wagner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/336>, abgerufen am 15.01.2025.