Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Theorien seiner Zeit, wie sie die Scholastiker ausgeführt haben, mit seiner Gedanken¬ Goethes Briefe an Christian Gottlob von Voigt. Herausg. von Otto Jahr. Mit Voigts Bildniß. Leipzig, S. Hirzel, 1868. Diese neue Sammlung von Goethebriefen enthält zunächst eine ausgeführte Die vorliegende Sammlung aus dem Nachlasse der voigtschen Familie mit Theorien seiner Zeit, wie sie die Scholastiker ausgeführt haben, mit seiner Gedanken¬ Goethes Briefe an Christian Gottlob von Voigt. Herausg. von Otto Jahr. Mit Voigts Bildniß. Leipzig, S. Hirzel, 1868. Diese neue Sammlung von Goethebriefen enthält zunächst eine ausgeführte Die vorliegende Sammlung aus dem Nachlasse der voigtschen Familie mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117735"/> <p xml:id="ID_627" prev="#ID_626"> Theorien seiner Zeit, wie sie die Scholastiker ausgeführt haben, mit seiner Gedanken¬<lb/> substanz identificirt, so liegt darin eine xotitio xrinoixii, welche ihren Urhebern Wohl<lb/> entgehen mag, aber von Andern bemerkt und gerügt werden darf. Ebenso wenig<lb/> wird der gleichfalls nicht selten eingeschlagene Weg zum Ziel führen, Dantes Grund¬<lb/> anschauungen hier und auf anderen Gebieten des Denkens unmittelbar in denen<lb/> eines späteren Durchschnitts des geistigen Lebens, etwa des zufälligen heutigen, der<lb/> schon morgen ein gestriger und damit überwundener sein wird, zu messen und abzu¬<lb/> schätzen. In dem ersten Falle muß nothwendig eine einseitige Ueberschätzung<lb/> resultiren, die manchmal bis zu verstockter Geringschätzung gegen das Recht und die<lb/> Nothwendigkeit des geistigen Fortschrittes in der Geschichte führt, in dem zweiten<lb/> eine ebenso unzureichende Ueberhebung eines doch auch nur relativ und zeitweilig<lb/> berechtigten Standpunkts der Anschauung über einen anderen, welcher nur dadurch in<lb/> wirklichem Nachtheil gegen den von'heute steht, daß er sich nicht mit der Stimme<lb/> des Lebens und der unmittelbaren Wirklichkeit vertheidigen kann. Im höhern Sinn<lb/> historisch berechtigt ist weder das eine noch das andere, und eben deshalb, weil sich,<lb/> wie die That zeigt, noch ein höherer und berechtigterer Standpunkt gewinnen läßt,<lb/> erregt die angeführte Abhandlung besonderes Interesse, das weit über den Kreis<lb/> der Dantisten hinausreicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Goethes Briefe an Christian Gottlob von Voigt. Herausg. von<lb/> Otto Jahr. Mit Voigts Bildniß. Leipzig, S. Hirzel, 1868.</head><lb/> <p xml:id="ID_628"> Diese neue Sammlung von Goethebriefen enthält zunächst eine ausgeführte<lb/> Lebensskizze des weimarischen Ministers von Voigt durch den Herausgeber, eine<lb/> dankenswerthe Arbeit, welche uns Bedeutung, Charakter und Familienleben eines<lb/> der trefflichsten Beamten aus der Blüthezeit Weimars verständlich macht. Wer Voigt<lb/> nicht kennt, versteht das Weimar Carl Augusts nicht völlig. Voigt war der erste<lb/> Beamte des Musenstaates, genau ein Mann, wie dieser Herzog und die Dichter ihn<lb/> brauchten. In dem kleinen Staat mit großen Geistern, unter hohen Ansprüchen<lb/> und scharfeckigen Charakter», zwischen enthusiastischen Plänen und herben Enttäu¬<lb/> schungen, in einer poetisch so großen und politisch so unglücklichen Zeit stand<lb/> Voigt als feingebildeter Mann mit poetischen und wissenschaftlichen Bedürfnissen,<lb/> voll Empfänglichkeit und Verehrung, zugleich als ein höchst praktischer, gewissenhafter,<lb/> gesetzkundiger Arbeiter von fast unerschöpflicher Arbeitskraft; er war der Vertraute<lb/> und Rathgeber aller, des Herzogs Carl August, wenn dieser einmal mit Goethe<lb/> grollte, Goethes, wenn dieser die Bedenken, welche er in Bezug auf seinen gnädigen<lb/> Herrn hegte, dem Papier anzuvertrauen sich enthielt, Schillers, dem Voigt das zur<lb/> Erwerbung des Neichsadels nöthige Ourrioulum vitas verfertigte und sein neues<lb/> Wappen insinuirte, ebenso Herders , Wielands, der fürstlichen Frauen, der Hofleute,<lb/> aller Welt. Denn er war milde und von freundlichem Herzen, sehr dienstfertig und<lb/> sehr klug, er war auch aus dem bürgerlichen Beamtenthume heraufgekommen und war<lb/> fügsam, wo ihm das sein ehrliches Gewissen erlaubte. — Er, der Thüringer (ge¬<lb/> boren 1743), war zwar älter als Goethe, aber er hatte langsam seine reguläre<lb/> Laufbahn im herzoglichen Dienst gemacht und war noch subaltern, als Goethes<lb/> Gestirn fo glänzend in Weimar aufging, die Correspondenz Goethes war anfänglich<lb/> nur geschäftlich und nicht ohne freundliche Herablassung, sie wurde allmählich, als<lb/> Voigt heraufkam, sehr achtungsvoll und freundschaftlich, und es bestanden ein festes<lb/> Vertrauen und die intimste Verbindung zwischen beiden sehr verschiedenen Männern<lb/> bis zum Todestage Voigts (22. März 1819).</p><lb/> <p xml:id="ID_629" next="#ID_630"> Die vorliegende Sammlung aus dem Nachlasse der voigtschen Familie mit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
Theorien seiner Zeit, wie sie die Scholastiker ausgeführt haben, mit seiner Gedanken¬
substanz identificirt, so liegt darin eine xotitio xrinoixii, welche ihren Urhebern Wohl
entgehen mag, aber von Andern bemerkt und gerügt werden darf. Ebenso wenig
wird der gleichfalls nicht selten eingeschlagene Weg zum Ziel führen, Dantes Grund¬
anschauungen hier und auf anderen Gebieten des Denkens unmittelbar in denen
eines späteren Durchschnitts des geistigen Lebens, etwa des zufälligen heutigen, der
schon morgen ein gestriger und damit überwundener sein wird, zu messen und abzu¬
schätzen. In dem ersten Falle muß nothwendig eine einseitige Ueberschätzung
resultiren, die manchmal bis zu verstockter Geringschätzung gegen das Recht und die
Nothwendigkeit des geistigen Fortschrittes in der Geschichte führt, in dem zweiten
eine ebenso unzureichende Ueberhebung eines doch auch nur relativ und zeitweilig
berechtigten Standpunkts der Anschauung über einen anderen, welcher nur dadurch in
wirklichem Nachtheil gegen den von'heute steht, daß er sich nicht mit der Stimme
des Lebens und der unmittelbaren Wirklichkeit vertheidigen kann. Im höhern Sinn
historisch berechtigt ist weder das eine noch das andere, und eben deshalb, weil sich,
wie die That zeigt, noch ein höherer und berechtigterer Standpunkt gewinnen läßt,
erregt die angeführte Abhandlung besonderes Interesse, das weit über den Kreis
der Dantisten hinausreicht.
Goethes Briefe an Christian Gottlob von Voigt. Herausg. von
Otto Jahr. Mit Voigts Bildniß. Leipzig, S. Hirzel, 1868.
Diese neue Sammlung von Goethebriefen enthält zunächst eine ausgeführte
Lebensskizze des weimarischen Ministers von Voigt durch den Herausgeber, eine
dankenswerthe Arbeit, welche uns Bedeutung, Charakter und Familienleben eines
der trefflichsten Beamten aus der Blüthezeit Weimars verständlich macht. Wer Voigt
nicht kennt, versteht das Weimar Carl Augusts nicht völlig. Voigt war der erste
Beamte des Musenstaates, genau ein Mann, wie dieser Herzog und die Dichter ihn
brauchten. In dem kleinen Staat mit großen Geistern, unter hohen Ansprüchen
und scharfeckigen Charakter», zwischen enthusiastischen Plänen und herben Enttäu¬
schungen, in einer poetisch so großen und politisch so unglücklichen Zeit stand
Voigt als feingebildeter Mann mit poetischen und wissenschaftlichen Bedürfnissen,
voll Empfänglichkeit und Verehrung, zugleich als ein höchst praktischer, gewissenhafter,
gesetzkundiger Arbeiter von fast unerschöpflicher Arbeitskraft; er war der Vertraute
und Rathgeber aller, des Herzogs Carl August, wenn dieser einmal mit Goethe
grollte, Goethes, wenn dieser die Bedenken, welche er in Bezug auf seinen gnädigen
Herrn hegte, dem Papier anzuvertrauen sich enthielt, Schillers, dem Voigt das zur
Erwerbung des Neichsadels nöthige Ourrioulum vitas verfertigte und sein neues
Wappen insinuirte, ebenso Herders , Wielands, der fürstlichen Frauen, der Hofleute,
aller Welt. Denn er war milde und von freundlichem Herzen, sehr dienstfertig und
sehr klug, er war auch aus dem bürgerlichen Beamtenthume heraufgekommen und war
fügsam, wo ihm das sein ehrliches Gewissen erlaubte. — Er, der Thüringer (ge¬
boren 1743), war zwar älter als Goethe, aber er hatte langsam seine reguläre
Laufbahn im herzoglichen Dienst gemacht und war noch subaltern, als Goethes
Gestirn fo glänzend in Weimar aufging, die Correspondenz Goethes war anfänglich
nur geschäftlich und nicht ohne freundliche Herablassung, sie wurde allmählich, als
Voigt heraufkam, sehr achtungsvoll und freundschaftlich, und es bestanden ein festes
Vertrauen und die intimste Verbindung zwischen beiden sehr verschiedenen Männern
bis zum Todestage Voigts (22. März 1819).
Die vorliegende Sammlung aus dem Nachlasse der voigtschen Familie mit
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