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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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gelegt worden, ändert an der Sache nicht das geringste. Daß es keines
Kriegsgrundes bedarf, damit die französischen Adler an den Rhein getragen
werden, haben uns die Franzosen selbst und mehr wie einmal gesagt. Jndi-
rect sagen sie uns auch gegenwärtig noch täglich dasselbe: während von der
officiösen Presse der französischen Hauptstadt constatirt wird, daß die Be¬
ziehungen des Tuileriencabinets zu Preußen die besten von der Welt seien,
rüstet Marschall Niet mit einem Aufwand von Eifer und Mitteln, daß man
glauben sollte, der Feind stehe bereits vor den Thoren von Paris. Ohne
Rücksicht auf die bedrängte Lage des Staatsschatzes und die unzufriedene
Miene der sonst so loyalen Kammermajorität, werden immer neue Summen
zur Beschaffung von Kriegsvorräthen verlangt und gegeben. Gerade wie zu
Kriegszeiten sind die Preise für Pferde und Pferdefutter namentlich im Nor¬
den der Monarchie in fortwährender Zunahme begriffen, -- davon nicht zu
reden, daß die Thätigkeit der Militärwerkstätten unverändert dieselbe bleibt,
mHgen Alarmnachrichten die Welt bewegen oder Friedenstauben an wolken¬
losem Himmel flattern. Jener alte Spruch, nach welchem man zum Kriege
rüsten soll, wenn man den Frieden zu erhalten wünscht, ist längst obsolet
geworden und hat im Zeitalter der stehenden Heere keinen Sinn mehr --
nicht durch Kriege, sondern durch Kriegsvorbereitungen und Kriegsgerüchte
ruinirt man heutzutage den eigenen und des Nachbars Wohlstand.

So dringend aber ist das Friedensbedürfniß der modernen Welt, daß
trotz der Offenkundigkeit dieser Thatsachen und trotz der thatendurstiger Reden,
mit denen Marschall Niet die friedlichen Bestrebungen seiner Collegen zu pa-
ralysiren versucht, das Leben in sein früheres Gleis tritt, sobald die Wetter¬
wolken sich nur für einen Augenblick verzogen. Die Arbeit an der Neuge¬
staltung der deutschen Zustände gibt denen, die zu ihr berufen und nicht
berufen sind, so vollauf zu thun, daß kaum Zeit übrig bleibt, um den Be¬
wegungen des Nachbars auch nur immer die gehörige Aufmerksamkeit zu
schenken. Auch wenn der Frieden erhalten bleibt, bringt jeder neue Tag
neue Sorgen und neue Schwierigkeiten.

Noch immer sind die Rollen so vertheilt, daß diejenigen, welche sich
mit der Kriegseventualität am lebhaftesten beschäftigen, ja ihre Rechnung
auf dieselbe setzen, ihre Handlungsweise so einrichten, als erwüchsen ihnen
aus einer Gefährdung der Sicherheit des Vaterlandes keinerlei Pflichten und
Rücksichten gegen dasselbe. Häufig genug hört man darnach fragen, welche
Haltung die preußenfeindlichen Höfe und Parteien einnehmen würden, wenn
es wirklich zu einem blutigen Conflict käme. Im Grunde ist die Antwort
schon jetzt gegeben, denn der vaterlandslose Particularismus geberdet sich
nie kecker und rücksichtsloser, als wenn er Preußen von Westen her bedroht
und beschäftigt glaubt. Dieselben Tage, in denen die Reise des dänischen


gelegt worden, ändert an der Sache nicht das geringste. Daß es keines
Kriegsgrundes bedarf, damit die französischen Adler an den Rhein getragen
werden, haben uns die Franzosen selbst und mehr wie einmal gesagt. Jndi-
rect sagen sie uns auch gegenwärtig noch täglich dasselbe: während von der
officiösen Presse der französischen Hauptstadt constatirt wird, daß die Be¬
ziehungen des Tuileriencabinets zu Preußen die besten von der Welt seien,
rüstet Marschall Niet mit einem Aufwand von Eifer und Mitteln, daß man
glauben sollte, der Feind stehe bereits vor den Thoren von Paris. Ohne
Rücksicht auf die bedrängte Lage des Staatsschatzes und die unzufriedene
Miene der sonst so loyalen Kammermajorität, werden immer neue Summen
zur Beschaffung von Kriegsvorräthen verlangt und gegeben. Gerade wie zu
Kriegszeiten sind die Preise für Pferde und Pferdefutter namentlich im Nor¬
den der Monarchie in fortwährender Zunahme begriffen, — davon nicht zu
reden, daß die Thätigkeit der Militärwerkstätten unverändert dieselbe bleibt,
mHgen Alarmnachrichten die Welt bewegen oder Friedenstauben an wolken¬
losem Himmel flattern. Jener alte Spruch, nach welchem man zum Kriege
rüsten soll, wenn man den Frieden zu erhalten wünscht, ist längst obsolet
geworden und hat im Zeitalter der stehenden Heere keinen Sinn mehr —
nicht durch Kriege, sondern durch Kriegsvorbereitungen und Kriegsgerüchte
ruinirt man heutzutage den eigenen und des Nachbars Wohlstand.

So dringend aber ist das Friedensbedürfniß der modernen Welt, daß
trotz der Offenkundigkeit dieser Thatsachen und trotz der thatendurstiger Reden,
mit denen Marschall Niet die friedlichen Bestrebungen seiner Collegen zu pa-
ralysiren versucht, das Leben in sein früheres Gleis tritt, sobald die Wetter¬
wolken sich nur für einen Augenblick verzogen. Die Arbeit an der Neuge¬
staltung der deutschen Zustände gibt denen, die zu ihr berufen und nicht
berufen sind, so vollauf zu thun, daß kaum Zeit übrig bleibt, um den Be¬
wegungen des Nachbars auch nur immer die gehörige Aufmerksamkeit zu
schenken. Auch wenn der Frieden erhalten bleibt, bringt jeder neue Tag
neue Sorgen und neue Schwierigkeiten.

Noch immer sind die Rollen so vertheilt, daß diejenigen, welche sich
mit der Kriegseventualität am lebhaftesten beschäftigen, ja ihre Rechnung
auf dieselbe setzen, ihre Handlungsweise so einrichten, als erwüchsen ihnen
aus einer Gefährdung der Sicherheit des Vaterlandes keinerlei Pflichten und
Rücksichten gegen dasselbe. Häufig genug hört man darnach fragen, welche
Haltung die preußenfeindlichen Höfe und Parteien einnehmen würden, wenn
es wirklich zu einem blutigen Conflict käme. Im Grunde ist die Antwort
schon jetzt gegeben, denn der vaterlandslose Particularismus geberdet sich
nie kecker und rücksichtsloser, als wenn er Preußen von Westen her bedroht
und beschäftigt glaubt. Dieselben Tage, in denen die Reise des dänischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/174>, abgerufen am 15.01.2025.