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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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rung des Kaisers Joseph- der seine Aufmerksamkeit auch der Schule zuwen¬
dete. Jetzt -sollte das gesammte Schulwesen mit Umgehung jeglichen kirch¬
lichen Einflusses vollständig der staatlichen Autorität untergeordnet werden.

Durch Beschränkung des Unterrichts auf das allgemein Nützliche, sowie
durch die Ausschließung jeder Beförderung einer allgemeinen höheren Bil¬
dung wurde aber auch der Geist aus demselben verbannt und ein todter auf
Gedächtnißarbeit gegründeter Mechanismus eingeführt, welcher für den Unter¬
richt selbst von nachtheiligen Folgen begleitet war. Um dem zu steuern,
erließ Kaiser Joseph 1790 jenes bekannte Rundschreiben, in welchem er einer¬
seits den bisherigen ungünstigen Fortgang des Unterrichtswesens offen zu¬
gestand, andererseirs aber zur Abstellung der eingerissenen Mißbräuche den
gemessensten Auftrag ertheilte. Zur Erreichung dieses Zweckes setzte Kaiser
Leopold II. -- Joseph war inzwischen gestorben -- eine Studien-Ein-
richtungs-Commission nieder, welche zugleich beauftragt wurde, einen
gänzlich neuen Lehrplan auszuarbeiten. Ihr Vorstand erkannte ganz rich¬
tig, daß alle bisherigen Besserungsversuche zunächst an dem Lehrerstand
scheiterten, welcher aus einer älteren Zeit überkommen, weder geneigt, noch
im Stande war, auf die Neuerungen einzugehen. Man wendete also ganz
richtig zunächst alle Aufmerksamkeit wieder auf den Lehrerstand und seine
geistige Erhebung und materielle Verbesserung. Man führte an Stelle der
früheren Directorate Lehrerkollegien und von ihnen beschickte sogenannte
Studienconsesse ein, deren Vorschläge durch die Landesstellen an die
Studienhofcommission befördert wurden. Die Regierung Leopolds war indeß
von zu kurzer Dauer, die Gebrechen waren zu tief eingewurzelt, und die
politischen Verhältnisse zu ungünstig, als daß es hätte gelingen können, den
Lehrerstand und die Studieneinrichtung zu reformiren. Infolge der politischen
Lage wurde vielmehr, namentlich seit Franz II. Thronbesteigung, auch beim
Gymnasialunterricht immer mehr absichtlich in die alten Bahnen eingelenkt.
Die Lehrerkollegien und Studienconsesse wurden aufgelöst, die Studienrecto-
rate wieder in alte Herrschaft eingesetzt und der Lehrplan nach dem Entwürfe
eines Piaristenordenspriesters im reactionären Sinne reformirt. Gleichwohl
hatte das neue System im Verhältniß zu den früheren in sachlicher Bezie¬
hung viele und bedeutende Vorzüge. Aber auch dieser Plan wurde nach der
ruhmvollen aber unglücklichen Erhebung vom Jahre 1809 beseitigt. Statt
wie in Preußen in innigem Anschluß an die wissenschaftliche Bewegung Stär¬
kung zu suchen, zog sich der Kaiserstaat von Deutschland immer mehr auf
sich selbst zurück, eine specifisch östreichische Richtung ausbildend. Auch im
Gymnasialwesen entwickelte sich ein engherziger Gesichtskreis, der jede freiere
Regung verbannte und bald infolge der bekannten politischen Verhältnisse ge¬
radezu verfolgte. Die Fachlehrer wurden beseitigt, der Unterricht in den Natur-


Grenzboten II. 1868. 17

rung des Kaisers Joseph- der seine Aufmerksamkeit auch der Schule zuwen¬
dete. Jetzt -sollte das gesammte Schulwesen mit Umgehung jeglichen kirch¬
lichen Einflusses vollständig der staatlichen Autorität untergeordnet werden.

Durch Beschränkung des Unterrichts auf das allgemein Nützliche, sowie
durch die Ausschließung jeder Beförderung einer allgemeinen höheren Bil¬
dung wurde aber auch der Geist aus demselben verbannt und ein todter auf
Gedächtnißarbeit gegründeter Mechanismus eingeführt, welcher für den Unter¬
richt selbst von nachtheiligen Folgen begleitet war. Um dem zu steuern,
erließ Kaiser Joseph 1790 jenes bekannte Rundschreiben, in welchem er einer¬
seits den bisherigen ungünstigen Fortgang des Unterrichtswesens offen zu¬
gestand, andererseirs aber zur Abstellung der eingerissenen Mißbräuche den
gemessensten Auftrag ertheilte. Zur Erreichung dieses Zweckes setzte Kaiser
Leopold II. — Joseph war inzwischen gestorben — eine Studien-Ein-
richtungs-Commission nieder, welche zugleich beauftragt wurde, einen
gänzlich neuen Lehrplan auszuarbeiten. Ihr Vorstand erkannte ganz rich¬
tig, daß alle bisherigen Besserungsversuche zunächst an dem Lehrerstand
scheiterten, welcher aus einer älteren Zeit überkommen, weder geneigt, noch
im Stande war, auf die Neuerungen einzugehen. Man wendete also ganz
richtig zunächst alle Aufmerksamkeit wieder auf den Lehrerstand und seine
geistige Erhebung und materielle Verbesserung. Man führte an Stelle der
früheren Directorate Lehrerkollegien und von ihnen beschickte sogenannte
Studienconsesse ein, deren Vorschläge durch die Landesstellen an die
Studienhofcommission befördert wurden. Die Regierung Leopolds war indeß
von zu kurzer Dauer, die Gebrechen waren zu tief eingewurzelt, und die
politischen Verhältnisse zu ungünstig, als daß es hätte gelingen können, den
Lehrerstand und die Studieneinrichtung zu reformiren. Infolge der politischen
Lage wurde vielmehr, namentlich seit Franz II. Thronbesteigung, auch beim
Gymnasialunterricht immer mehr absichtlich in die alten Bahnen eingelenkt.
Die Lehrerkollegien und Studienconsesse wurden aufgelöst, die Studienrecto-
rate wieder in alte Herrschaft eingesetzt und der Lehrplan nach dem Entwürfe
eines Piaristenordenspriesters im reactionären Sinne reformirt. Gleichwohl
hatte das neue System im Verhältniß zu den früheren in sachlicher Bezie¬
hung viele und bedeutende Vorzüge. Aber auch dieser Plan wurde nach der
ruhmvollen aber unglücklichen Erhebung vom Jahre 1809 beseitigt. Statt
wie in Preußen in innigem Anschluß an die wissenschaftliche Bewegung Stär¬
kung zu suchen, zog sich der Kaiserstaat von Deutschland immer mehr auf
sich selbst zurück, eine specifisch östreichische Richtung ausbildend. Auch im
Gymnasialwesen entwickelte sich ein engherziger Gesichtskreis, der jede freiere
Regung verbannte und bald infolge der bekannten politischen Verhältnisse ge¬
radezu verfolgte. Die Fachlehrer wurden beseitigt, der Unterricht in den Natur-


Grenzboten II. 1868. 17
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[0133] rung des Kaisers Joseph- der seine Aufmerksamkeit auch der Schule zuwen¬ dete. Jetzt -sollte das gesammte Schulwesen mit Umgehung jeglichen kirch¬ lichen Einflusses vollständig der staatlichen Autorität untergeordnet werden. Durch Beschränkung des Unterrichts auf das allgemein Nützliche, sowie durch die Ausschließung jeder Beförderung einer allgemeinen höheren Bil¬ dung wurde aber auch der Geist aus demselben verbannt und ein todter auf Gedächtnißarbeit gegründeter Mechanismus eingeführt, welcher für den Unter¬ richt selbst von nachtheiligen Folgen begleitet war. Um dem zu steuern, erließ Kaiser Joseph 1790 jenes bekannte Rundschreiben, in welchem er einer¬ seits den bisherigen ungünstigen Fortgang des Unterrichtswesens offen zu¬ gestand, andererseirs aber zur Abstellung der eingerissenen Mißbräuche den gemessensten Auftrag ertheilte. Zur Erreichung dieses Zweckes setzte Kaiser Leopold II. — Joseph war inzwischen gestorben — eine Studien-Ein- richtungs-Commission nieder, welche zugleich beauftragt wurde, einen gänzlich neuen Lehrplan auszuarbeiten. Ihr Vorstand erkannte ganz rich¬ tig, daß alle bisherigen Besserungsversuche zunächst an dem Lehrerstand scheiterten, welcher aus einer älteren Zeit überkommen, weder geneigt, noch im Stande war, auf die Neuerungen einzugehen. Man wendete also ganz richtig zunächst alle Aufmerksamkeit wieder auf den Lehrerstand und seine geistige Erhebung und materielle Verbesserung. Man führte an Stelle der früheren Directorate Lehrerkollegien und von ihnen beschickte sogenannte Studienconsesse ein, deren Vorschläge durch die Landesstellen an die Studienhofcommission befördert wurden. Die Regierung Leopolds war indeß von zu kurzer Dauer, die Gebrechen waren zu tief eingewurzelt, und die politischen Verhältnisse zu ungünstig, als daß es hätte gelingen können, den Lehrerstand und die Studieneinrichtung zu reformiren. Infolge der politischen Lage wurde vielmehr, namentlich seit Franz II. Thronbesteigung, auch beim Gymnasialunterricht immer mehr absichtlich in die alten Bahnen eingelenkt. Die Lehrerkollegien und Studienconsesse wurden aufgelöst, die Studienrecto- rate wieder in alte Herrschaft eingesetzt und der Lehrplan nach dem Entwürfe eines Piaristenordenspriesters im reactionären Sinne reformirt. Gleichwohl hatte das neue System im Verhältniß zu den früheren in sachlicher Bezie¬ hung viele und bedeutende Vorzüge. Aber auch dieser Plan wurde nach der ruhmvollen aber unglücklichen Erhebung vom Jahre 1809 beseitigt. Statt wie in Preußen in innigem Anschluß an die wissenschaftliche Bewegung Stär¬ kung zu suchen, zog sich der Kaiserstaat von Deutschland immer mehr auf sich selbst zurück, eine specifisch östreichische Richtung ausbildend. Auch im Gymnasialwesen entwickelte sich ein engherziger Gesichtskreis, der jede freiere Regung verbannte und bald infolge der bekannten politischen Verhältnisse ge¬ radezu verfolgte. Die Fachlehrer wurden beseitigt, der Unterricht in den Natur- Grenzboten II. 1868. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/133>, abgerufen am 15.01.2025.