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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Mußestunden in Müßiggang und Trunk vergeuden; aber gerade das Gegen¬
theil ist eingetroffen. Vor allem hat sich der Gesundheitszustand in den Fabrik-
districten merkwürdig gehoben, die Krankheiten, die in ihnen früher specifisch
waren, sind fast ganz verschwunden. Man sieht wenig krumme Beine, spitze
Schultern und bleiche Gesichter, namentlich die Frauen und Mädchen sind
jetzt blühend und stark. Bevor die Fabrikgesetze durchgesetzt waren, hatten
nur wenige Kinder Gelegenheit, die Schule zu besuchen -- jetzt arbeitet jedes
Kind unter 13 Jahren nur einen halben Tag in der Fabrik und besucht 3
Stunden die öffentliche Schule. 1843 erhielten nur 19°/g der Fabrikkinder
solchen öffentlichen Unterricht, 45"/^ besuchten Frauenschulen, die kaum den
Namen verdienten, der Rest gar keine, -- jetzt frequentiren 70°/" öffentliche und
14°/", Privatschulen, die von Männern gehalten werden. Die Verbindung
von mäßiger Arbeit und Lernen hat sich speciell bewährt und man hat ge¬
funden, daß diese Kinder durchschnittlich mehr lernen, als die welche 5--6
Stunden in der Schule festgehalten werden. Ebensowenig haben durchschnitt¬
lich die Erwachsenen die gewonnene Zeit vergeudet; ihre Intelligenz hat sich
gehoben, ihre Wohnungen sind sauberer, die Lebensmittel besser geworden,
die Trunkenheit hat im Ganzen abgenommen, Abendschulen sind eingerichtet
und fleißig besucht, vernünftigere Vergnügungen haben mehr und mehr die
rohen verdrängt und die Sittlichkeit hat sich dermaßen gehoben, daß in
einer Fabrik, welche 500 Mädchen beschäftigt hat, durchschnittlich nur 3
uneheliche Kinder geboren haben. Die beste Probe des sittlichen Fortschritts
hat die Bevölkerung von Lancashire durch ihre Haltung in der Baumwollen¬
noth gegeben.

Aber auch die Fabrikherren haben anerkannt, daß die Gesetze durchaus
wohlthätig gewirkt. "Viele von uns (sagt Mr. Potter S. 83) haben sie als
einen ungerechten Eingriff in Capital und Arbeit erklärt und sich demgemäß
widersetzt. Sie sind aber in socialer Beziehung wohlthätig gewesen , die
Baumwollendistrictbevölkerung hat sich in rascher und gesunder Weise ver¬
vollkommnet, diese Legislation war dem Baumwollengewerbe sogar eine
wesentliche Kräftigung. Vollendetes Maschinenwesen verlangt regelmäßig be¬
schäftigte, wohleingeübte Hände und eine gute physische Beschaffenheit."

Die Fabrikherren haben eben eingesehen, daß die verbesserte Qualität
der Arbeiter weit wichtiger ist als die Länge der Arbeitszeit und acceptiren
daher gern das fernere Eingreifen der Gesetzgebung, sowie sie selbst die An¬
legung von Schulen, Parks, Bädern, Waschanstalten u. f. w. fördern. Die
Ergebnisse sind dem entsprechend günstig, die Löhne stiegen von 1844--1860
durchschnittlich um 10°/<>, die in der Baumwollenindustrie beschäftigten Spin¬
deln von 17 Millionen im Jahre 1830 auf 30 Millionen im Jahre 1865.
die Bevölkerung von Lancashire selbst wuchs in 10 Jahren um 20"/<,. 1841


Mußestunden in Müßiggang und Trunk vergeuden; aber gerade das Gegen¬
theil ist eingetroffen. Vor allem hat sich der Gesundheitszustand in den Fabrik-
districten merkwürdig gehoben, die Krankheiten, die in ihnen früher specifisch
waren, sind fast ganz verschwunden. Man sieht wenig krumme Beine, spitze
Schultern und bleiche Gesichter, namentlich die Frauen und Mädchen sind
jetzt blühend und stark. Bevor die Fabrikgesetze durchgesetzt waren, hatten
nur wenige Kinder Gelegenheit, die Schule zu besuchen — jetzt arbeitet jedes
Kind unter 13 Jahren nur einen halben Tag in der Fabrik und besucht 3
Stunden die öffentliche Schule. 1843 erhielten nur 19°/g der Fabrikkinder
solchen öffentlichen Unterricht, 45"/^ besuchten Frauenschulen, die kaum den
Namen verdienten, der Rest gar keine, — jetzt frequentiren 70°/« öffentliche und
14°/«, Privatschulen, die von Männern gehalten werden. Die Verbindung
von mäßiger Arbeit und Lernen hat sich speciell bewährt und man hat ge¬
funden, daß diese Kinder durchschnittlich mehr lernen, als die welche 5—6
Stunden in der Schule festgehalten werden. Ebensowenig haben durchschnitt¬
lich die Erwachsenen die gewonnene Zeit vergeudet; ihre Intelligenz hat sich
gehoben, ihre Wohnungen sind sauberer, die Lebensmittel besser geworden,
die Trunkenheit hat im Ganzen abgenommen, Abendschulen sind eingerichtet
und fleißig besucht, vernünftigere Vergnügungen haben mehr und mehr die
rohen verdrängt und die Sittlichkeit hat sich dermaßen gehoben, daß in
einer Fabrik, welche 500 Mädchen beschäftigt hat, durchschnittlich nur 3
uneheliche Kinder geboren haben. Die beste Probe des sittlichen Fortschritts
hat die Bevölkerung von Lancashire durch ihre Haltung in der Baumwollen¬
noth gegeben.

Aber auch die Fabrikherren haben anerkannt, daß die Gesetze durchaus
wohlthätig gewirkt. „Viele von uns (sagt Mr. Potter S. 83) haben sie als
einen ungerechten Eingriff in Capital und Arbeit erklärt und sich demgemäß
widersetzt. Sie sind aber in socialer Beziehung wohlthätig gewesen , die
Baumwollendistrictbevölkerung hat sich in rascher und gesunder Weise ver¬
vollkommnet, diese Legislation war dem Baumwollengewerbe sogar eine
wesentliche Kräftigung. Vollendetes Maschinenwesen verlangt regelmäßig be¬
schäftigte, wohleingeübte Hände und eine gute physische Beschaffenheit."

Die Fabrikherren haben eben eingesehen, daß die verbesserte Qualität
der Arbeiter weit wichtiger ist als die Länge der Arbeitszeit und acceptiren
daher gern das fernere Eingreifen der Gesetzgebung, sowie sie selbst die An¬
legung von Schulen, Parks, Bädern, Waschanstalten u. f. w. fördern. Die
Ergebnisse sind dem entsprechend günstig, die Löhne stiegen von 1844—1860
durchschnittlich um 10°/<>, die in der Baumwollenindustrie beschäftigten Spin¬
deln von 17 Millionen im Jahre 1830 auf 30 Millionen im Jahre 1865.
die Bevölkerung von Lancashire selbst wuchs in 10 Jahren um 20"/<,. 1841


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[0056] Mußestunden in Müßiggang und Trunk vergeuden; aber gerade das Gegen¬ theil ist eingetroffen. Vor allem hat sich der Gesundheitszustand in den Fabrik- districten merkwürdig gehoben, die Krankheiten, die in ihnen früher specifisch waren, sind fast ganz verschwunden. Man sieht wenig krumme Beine, spitze Schultern und bleiche Gesichter, namentlich die Frauen und Mädchen sind jetzt blühend und stark. Bevor die Fabrikgesetze durchgesetzt waren, hatten nur wenige Kinder Gelegenheit, die Schule zu besuchen — jetzt arbeitet jedes Kind unter 13 Jahren nur einen halben Tag in der Fabrik und besucht 3 Stunden die öffentliche Schule. 1843 erhielten nur 19°/g der Fabrikkinder solchen öffentlichen Unterricht, 45"/^ besuchten Frauenschulen, die kaum den Namen verdienten, der Rest gar keine, — jetzt frequentiren 70°/« öffentliche und 14°/«, Privatschulen, die von Männern gehalten werden. Die Verbindung von mäßiger Arbeit und Lernen hat sich speciell bewährt und man hat ge¬ funden, daß diese Kinder durchschnittlich mehr lernen, als die welche 5—6 Stunden in der Schule festgehalten werden. Ebensowenig haben durchschnitt¬ lich die Erwachsenen die gewonnene Zeit vergeudet; ihre Intelligenz hat sich gehoben, ihre Wohnungen sind sauberer, die Lebensmittel besser geworden, die Trunkenheit hat im Ganzen abgenommen, Abendschulen sind eingerichtet und fleißig besucht, vernünftigere Vergnügungen haben mehr und mehr die rohen verdrängt und die Sittlichkeit hat sich dermaßen gehoben, daß in einer Fabrik, welche 500 Mädchen beschäftigt hat, durchschnittlich nur 3 uneheliche Kinder geboren haben. Die beste Probe des sittlichen Fortschritts hat die Bevölkerung von Lancashire durch ihre Haltung in der Baumwollen¬ noth gegeben. Aber auch die Fabrikherren haben anerkannt, daß die Gesetze durchaus wohlthätig gewirkt. „Viele von uns (sagt Mr. Potter S. 83) haben sie als einen ungerechten Eingriff in Capital und Arbeit erklärt und sich demgemäß widersetzt. Sie sind aber in socialer Beziehung wohlthätig gewesen , die Baumwollendistrictbevölkerung hat sich in rascher und gesunder Weise ver¬ vollkommnet, diese Legislation war dem Baumwollengewerbe sogar eine wesentliche Kräftigung. Vollendetes Maschinenwesen verlangt regelmäßig be¬ schäftigte, wohleingeübte Hände und eine gute physische Beschaffenheit." Die Fabrikherren haben eben eingesehen, daß die verbesserte Qualität der Arbeiter weit wichtiger ist als die Länge der Arbeitszeit und acceptiren daher gern das fernere Eingreifen der Gesetzgebung, sowie sie selbst die An¬ legung von Schulen, Parks, Bädern, Waschanstalten u. f. w. fördern. Die Ergebnisse sind dem entsprechend günstig, die Löhne stiegen von 1844—1860 durchschnittlich um 10°/<>, die in der Baumwollenindustrie beschäftigten Spin¬ deln von 17 Millionen im Jahre 1830 auf 30 Millionen im Jahre 1865. die Bevölkerung von Lancashire selbst wuchs in 10 Jahren um 20"/<,. 1841

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/56>, abgerufen am 05.02.2025.