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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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als specieller Schüler Peel's sich hauptsächlich mit Finanzfragen beschäftigt.
Daß Löwe dies gethan, hatte bisher Niemand gewußt und sein schlechtes Ge¬
sicht (er ist Albino) wird ihn zu Studien in Zahlenmassen nicht besonders
geeignet machen; man hat ihm wohl mit Rücksicht darauf zwei Unterstaats-
secretäre (Zeeretaries ok tus Ireasur^) gegeben; die leitenden financiellen
Ideen werden von Gladstone kommen und des Schatzkanzlers Aufgabe wird
wie die Bright's wesentlich eine parlamentarische sein, zu der ihn seine große
Beredsamkeit in hohem Grade geeignet macht. Gleichwohl hätte Gladstone
sich Löwe durch einen'andern Posten sichern können, z.B. wenn er ihn zum
Kriegsminister gemacht hätte. Da dies nach englischen Traditionen gewöhn¬
lich ein Civilist ist, so wäre Löwe's Energie wahrscheinlich sehr am Platze ge¬
wesen, die so dringlichen Reformen auf diesem Gebiete durchzuführen, was
der friedliche Cardwell, von dessen Interesse für Kanonen und Batterien Nie¬
mand bisher gehört hat, schwerlich bewirken wird. Und doch läßt sich die
englische Art der Recrutirung sicher ebensowenig lange halten, wie die Thei¬
lung der Geschäfte zwischen dem Kriegsministerium und den Horse-
Guards. --

Gladstone, Löwe, Bright und Cardwell sind im Unterhause die Mi¬
nister auf deren Schultern die Leitung der großen politischen Fragen
ruhen wird; im Oberhause wird Lord Granville Führer sein und bei seiner
würdigen und versöhnlichen Weise und anerkennenswerther Redegewandt¬
heit diese Aufgabe gewiß gut durchführen. Der Herzog von Argyll, früher
General-Postmeister, hat den Staatssecretärposten für Indien übernommen,
den er durch seine bedeutenden Gaben auszufüllen im Stande sein wird; außer¬
dem hat er einen trefflichen Unterstaatsseeretär an Grant Duff erhalten,
obwohl wir denselben bei seiner deutschfreundlichen Gesinnung noch lieber
in gleicher Stellung im auswärtigen Amte gesehen hätten. Indeß auch
Mr. Otway, dem dieser Posten zugefallen, ist durchaus deutsch gesinnt und in
Deutschland erzogen. Sein Chef ist nicht wie man vermuthete Lord Kimber-
ley geworden, der sich vielmehr mit einem untergeordneteren Posten hat be¬
gnügen müssen, sondern Lord Clarendon ist auf seinen früheren Posten zu¬
rückgekehrt, obwohl er noch kürzlich erklärte, er sei zu alt und kränklich da¬
zu. Daß er Deutschland unfreundlich gesinnt sei, ist unbegründet; er hat als
entschiedener Liberaler wohl starke Bedenken gegen die innere Politik Bis-
march's geltend gemacht und bezweifelt , ob man mit solchen, Mitteln zum
Ziele kommen werde, aber an sich hat er sich der Einigung Deutschlands
immer sympathisch gezeigt. Außerdem hat er jetzt den Vortheil nicht mehr
Lord Russell neben sich zu haben, dessen unglückliche auswärtige Politik das
ganze Ministerium disereditirte. Am wenigsten wird sich Fürst Gortschakoff
über seine Ernennung zu freuen haben, denn Clarendon's Antecedentien sind


Grenzboten. IV. 18os. 65

als specieller Schüler Peel's sich hauptsächlich mit Finanzfragen beschäftigt.
Daß Löwe dies gethan, hatte bisher Niemand gewußt und sein schlechtes Ge¬
sicht (er ist Albino) wird ihn zu Studien in Zahlenmassen nicht besonders
geeignet machen; man hat ihm wohl mit Rücksicht darauf zwei Unterstaats-
secretäre (Zeeretaries ok tus Ireasur^) gegeben; die leitenden financiellen
Ideen werden von Gladstone kommen und des Schatzkanzlers Aufgabe wird
wie die Bright's wesentlich eine parlamentarische sein, zu der ihn seine große
Beredsamkeit in hohem Grade geeignet macht. Gleichwohl hätte Gladstone
sich Löwe durch einen'andern Posten sichern können, z.B. wenn er ihn zum
Kriegsminister gemacht hätte. Da dies nach englischen Traditionen gewöhn¬
lich ein Civilist ist, so wäre Löwe's Energie wahrscheinlich sehr am Platze ge¬
wesen, die so dringlichen Reformen auf diesem Gebiete durchzuführen, was
der friedliche Cardwell, von dessen Interesse für Kanonen und Batterien Nie¬
mand bisher gehört hat, schwerlich bewirken wird. Und doch läßt sich die
englische Art der Recrutirung sicher ebensowenig lange halten, wie die Thei¬
lung der Geschäfte zwischen dem Kriegsministerium und den Horse-
Guards. —

Gladstone, Löwe, Bright und Cardwell sind im Unterhause die Mi¬
nister auf deren Schultern die Leitung der großen politischen Fragen
ruhen wird; im Oberhause wird Lord Granville Führer sein und bei seiner
würdigen und versöhnlichen Weise und anerkennenswerther Redegewandt¬
heit diese Aufgabe gewiß gut durchführen. Der Herzog von Argyll, früher
General-Postmeister, hat den Staatssecretärposten für Indien übernommen,
den er durch seine bedeutenden Gaben auszufüllen im Stande sein wird; außer¬
dem hat er einen trefflichen Unterstaatsseeretär an Grant Duff erhalten,
obwohl wir denselben bei seiner deutschfreundlichen Gesinnung noch lieber
in gleicher Stellung im auswärtigen Amte gesehen hätten. Indeß auch
Mr. Otway, dem dieser Posten zugefallen, ist durchaus deutsch gesinnt und in
Deutschland erzogen. Sein Chef ist nicht wie man vermuthete Lord Kimber-
ley geworden, der sich vielmehr mit einem untergeordneteren Posten hat be¬
gnügen müssen, sondern Lord Clarendon ist auf seinen früheren Posten zu¬
rückgekehrt, obwohl er noch kürzlich erklärte, er sei zu alt und kränklich da¬
zu. Daß er Deutschland unfreundlich gesinnt sei, ist unbegründet; er hat als
entschiedener Liberaler wohl starke Bedenken gegen die innere Politik Bis-
march's geltend gemacht und bezweifelt , ob man mit solchen, Mitteln zum
Ziele kommen werde, aber an sich hat er sich der Einigung Deutschlands
immer sympathisch gezeigt. Außerdem hat er jetzt den Vortheil nicht mehr
Lord Russell neben sich zu haben, dessen unglückliche auswärtige Politik das
ganze Ministerium disereditirte. Am wenigsten wird sich Fürst Gortschakoff
über seine Ernennung zu freuen haben, denn Clarendon's Antecedentien sind


Grenzboten. IV. 18os. 65
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[0547] als specieller Schüler Peel's sich hauptsächlich mit Finanzfragen beschäftigt. Daß Löwe dies gethan, hatte bisher Niemand gewußt und sein schlechtes Ge¬ sicht (er ist Albino) wird ihn zu Studien in Zahlenmassen nicht besonders geeignet machen; man hat ihm wohl mit Rücksicht darauf zwei Unterstaats- secretäre (Zeeretaries ok tus Ireasur^) gegeben; die leitenden financiellen Ideen werden von Gladstone kommen und des Schatzkanzlers Aufgabe wird wie die Bright's wesentlich eine parlamentarische sein, zu der ihn seine große Beredsamkeit in hohem Grade geeignet macht. Gleichwohl hätte Gladstone sich Löwe durch einen'andern Posten sichern können, z.B. wenn er ihn zum Kriegsminister gemacht hätte. Da dies nach englischen Traditionen gewöhn¬ lich ein Civilist ist, so wäre Löwe's Energie wahrscheinlich sehr am Platze ge¬ wesen, die so dringlichen Reformen auf diesem Gebiete durchzuführen, was der friedliche Cardwell, von dessen Interesse für Kanonen und Batterien Nie¬ mand bisher gehört hat, schwerlich bewirken wird. Und doch läßt sich die englische Art der Recrutirung sicher ebensowenig lange halten, wie die Thei¬ lung der Geschäfte zwischen dem Kriegsministerium und den Horse- Guards. — Gladstone, Löwe, Bright und Cardwell sind im Unterhause die Mi¬ nister auf deren Schultern die Leitung der großen politischen Fragen ruhen wird; im Oberhause wird Lord Granville Führer sein und bei seiner würdigen und versöhnlichen Weise und anerkennenswerther Redegewandt¬ heit diese Aufgabe gewiß gut durchführen. Der Herzog von Argyll, früher General-Postmeister, hat den Staatssecretärposten für Indien übernommen, den er durch seine bedeutenden Gaben auszufüllen im Stande sein wird; außer¬ dem hat er einen trefflichen Unterstaatsseeretär an Grant Duff erhalten, obwohl wir denselben bei seiner deutschfreundlichen Gesinnung noch lieber in gleicher Stellung im auswärtigen Amte gesehen hätten. Indeß auch Mr. Otway, dem dieser Posten zugefallen, ist durchaus deutsch gesinnt und in Deutschland erzogen. Sein Chef ist nicht wie man vermuthete Lord Kimber- ley geworden, der sich vielmehr mit einem untergeordneteren Posten hat be¬ gnügen müssen, sondern Lord Clarendon ist auf seinen früheren Posten zu¬ rückgekehrt, obwohl er noch kürzlich erklärte, er sei zu alt und kränklich da¬ zu. Daß er Deutschland unfreundlich gesinnt sei, ist unbegründet; er hat als entschiedener Liberaler wohl starke Bedenken gegen die innere Politik Bis- march's geltend gemacht und bezweifelt , ob man mit solchen, Mitteln zum Ziele kommen werde, aber an sich hat er sich der Einigung Deutschlands immer sympathisch gezeigt. Außerdem hat er jetzt den Vortheil nicht mehr Lord Russell neben sich zu haben, dessen unglückliche auswärtige Politik das ganze Ministerium disereditirte. Am wenigsten wird sich Fürst Gortschakoff über seine Ernennung zu freuen haben, denn Clarendon's Antecedentien sind Grenzboten. IV. 18os. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/547>, abgerufen am 05.02.2025.