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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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sich dabei einem Proteste des Papstes aus, dessen Bedeutung bei der mächtigen
Stellung, die der Clerus noch immer in Oestreich hat, nicht zu unterschätzen
war; es handelte sich darum, diesem Protest die Spitze abzubrechen und einen
diplomatischen Bruch zu vermeiden, andrerseits aber mit fester Hand die
Versuche der Bischöfe zu unterdrücken, welche den neuen Gesetzen Gehorsam
weigerten. Beides ist gelungen: die diplomatischen Beziehungen sind erhalten
und der Agitation des Clerus gegenüber ist Langmuth und Schonung ge¬
zeigt, damit derselbe nicht die Miene des Märtyrers annehmen könne, aber
Widersetzlichkeit ist nicht geduldet und der Angriff der päpstlichen Allocution
vom 22. Juni auf die Grundgesetze der Monarchie mit Nachdruck durch die
Depesche vom 3. Juli zurückgewiesen worden. Von allen schwierigen Auf¬
gaben, die Beust vorfand, ist diese bei den persönlichen Hindernissen, die er
am Hofe zu überwinden hatte, gewiß die dornigste gewesen.

Die innere Reorganisation der östreich-ungarischen Monarchie fällt eigent¬
lich außerhalb des Bereichs des Nothbuchs und Graf Beust hat sie auch
nur zum Gegenstand von Depeschen gemacht um den auswärtigen Credit
Oestreichs zu heben. Bis jetzt ist die Sache allerdings gegangen, aber die
Probe hat das Werk noch keineswegs bestanden und Nichts wird weniger
geeignet sein dasselbe zu befestigen als Concessionen an die Czechen, von denen
jetzt wieder die Rede ist. Der Dualismus ist nur unter einer Bedingung,
wenn überhaupt möglich, der daß in der östlichen Hälfte die Ungarn, in der
westlichen Hälfte die Deutschen herrschen. Die Ungarn kämpften auf dem
historischen Boden ihrer positiven Verfassung, die Czechen verlangen für
Böhmen ein Verhältniß welches nie bestand und nur durch gewaltsame Unter¬
drückung von 2/z der Bevölkerung erreicht werden könnte, bei denen die über¬
wiegende Intelligenz und das Capital des Landes ist. Was Concessionen
an die Verfechter der Wenzelskrone bedeuten, hat das Ministerium Belcredi
erfahren und dies sollte dem Reichskanzler ein warnendes Beispiel sein. Am
wahrscheinlichsten und besten bleibt es freilich, daß die Czechen durch eigene
Unvernunft und Maßlosigkeit jede Vereinbarung unmöglich machen.

Zu sanguinisch scheint uns endlich Herr Beust die Stimmung anzusehen,
mit der das Ausland seine Couponsteuer aufgenommen; daß man sich wohl
oder übel darin gefunden, ist wahr, aber es ist unnöthig und klingt fast wie
Hohn, wenn der Minister eines großen Staates den Gläubigern, die durch
diese Maßregel doch offenbar verkürzt werden, zuruft, sie hätten ja von An¬
fang gewußt, daß sie keine englischen Consols oder holländischen Papiere
kauften. Auch das Argument, daß der verbleibende Zinsbetrag um so sichrer
sei, weil die Couponsteuer nicht erhöht werden dürfe, ist hinfällig; ihre Ein¬
führung hat bereits bewiesen, daß Noth kein Gebot kennt, und sogut wie man
jetzt das Versprechen bei Seite gesetzt, welches auf allen Metalliques zu lesen


sich dabei einem Proteste des Papstes aus, dessen Bedeutung bei der mächtigen
Stellung, die der Clerus noch immer in Oestreich hat, nicht zu unterschätzen
war; es handelte sich darum, diesem Protest die Spitze abzubrechen und einen
diplomatischen Bruch zu vermeiden, andrerseits aber mit fester Hand die
Versuche der Bischöfe zu unterdrücken, welche den neuen Gesetzen Gehorsam
weigerten. Beides ist gelungen: die diplomatischen Beziehungen sind erhalten
und der Agitation des Clerus gegenüber ist Langmuth und Schonung ge¬
zeigt, damit derselbe nicht die Miene des Märtyrers annehmen könne, aber
Widersetzlichkeit ist nicht geduldet und der Angriff der päpstlichen Allocution
vom 22. Juni auf die Grundgesetze der Monarchie mit Nachdruck durch die
Depesche vom 3. Juli zurückgewiesen worden. Von allen schwierigen Auf¬
gaben, die Beust vorfand, ist diese bei den persönlichen Hindernissen, die er
am Hofe zu überwinden hatte, gewiß die dornigste gewesen.

Die innere Reorganisation der östreich-ungarischen Monarchie fällt eigent¬
lich außerhalb des Bereichs des Nothbuchs und Graf Beust hat sie auch
nur zum Gegenstand von Depeschen gemacht um den auswärtigen Credit
Oestreichs zu heben. Bis jetzt ist die Sache allerdings gegangen, aber die
Probe hat das Werk noch keineswegs bestanden und Nichts wird weniger
geeignet sein dasselbe zu befestigen als Concessionen an die Czechen, von denen
jetzt wieder die Rede ist. Der Dualismus ist nur unter einer Bedingung,
wenn überhaupt möglich, der daß in der östlichen Hälfte die Ungarn, in der
westlichen Hälfte die Deutschen herrschen. Die Ungarn kämpften auf dem
historischen Boden ihrer positiven Verfassung, die Czechen verlangen für
Böhmen ein Verhältniß welches nie bestand und nur durch gewaltsame Unter¬
drückung von 2/z der Bevölkerung erreicht werden könnte, bei denen die über¬
wiegende Intelligenz und das Capital des Landes ist. Was Concessionen
an die Verfechter der Wenzelskrone bedeuten, hat das Ministerium Belcredi
erfahren und dies sollte dem Reichskanzler ein warnendes Beispiel sein. Am
wahrscheinlichsten und besten bleibt es freilich, daß die Czechen durch eigene
Unvernunft und Maßlosigkeit jede Vereinbarung unmöglich machen.

Zu sanguinisch scheint uns endlich Herr Beust die Stimmung anzusehen,
mit der das Ausland seine Couponsteuer aufgenommen; daß man sich wohl
oder übel darin gefunden, ist wahr, aber es ist unnöthig und klingt fast wie
Hohn, wenn der Minister eines großen Staates den Gläubigern, die durch
diese Maßregel doch offenbar verkürzt werden, zuruft, sie hätten ja von An¬
fang gewußt, daß sie keine englischen Consols oder holländischen Papiere
kauften. Auch das Argument, daß der verbleibende Zinsbetrag um so sichrer
sei, weil die Couponsteuer nicht erhöht werden dürfe, ist hinfällig; ihre Ein¬
führung hat bereits bewiesen, daß Noth kein Gebot kennt, und sogut wie man
jetzt das Versprechen bei Seite gesetzt, welches auf allen Metalliques zu lesen


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[0454] sich dabei einem Proteste des Papstes aus, dessen Bedeutung bei der mächtigen Stellung, die der Clerus noch immer in Oestreich hat, nicht zu unterschätzen war; es handelte sich darum, diesem Protest die Spitze abzubrechen und einen diplomatischen Bruch zu vermeiden, andrerseits aber mit fester Hand die Versuche der Bischöfe zu unterdrücken, welche den neuen Gesetzen Gehorsam weigerten. Beides ist gelungen: die diplomatischen Beziehungen sind erhalten und der Agitation des Clerus gegenüber ist Langmuth und Schonung ge¬ zeigt, damit derselbe nicht die Miene des Märtyrers annehmen könne, aber Widersetzlichkeit ist nicht geduldet und der Angriff der päpstlichen Allocution vom 22. Juni auf die Grundgesetze der Monarchie mit Nachdruck durch die Depesche vom 3. Juli zurückgewiesen worden. Von allen schwierigen Auf¬ gaben, die Beust vorfand, ist diese bei den persönlichen Hindernissen, die er am Hofe zu überwinden hatte, gewiß die dornigste gewesen. Die innere Reorganisation der östreich-ungarischen Monarchie fällt eigent¬ lich außerhalb des Bereichs des Nothbuchs und Graf Beust hat sie auch nur zum Gegenstand von Depeschen gemacht um den auswärtigen Credit Oestreichs zu heben. Bis jetzt ist die Sache allerdings gegangen, aber die Probe hat das Werk noch keineswegs bestanden und Nichts wird weniger geeignet sein dasselbe zu befestigen als Concessionen an die Czechen, von denen jetzt wieder die Rede ist. Der Dualismus ist nur unter einer Bedingung, wenn überhaupt möglich, der daß in der östlichen Hälfte die Ungarn, in der westlichen Hälfte die Deutschen herrschen. Die Ungarn kämpften auf dem historischen Boden ihrer positiven Verfassung, die Czechen verlangen für Böhmen ein Verhältniß welches nie bestand und nur durch gewaltsame Unter¬ drückung von 2/z der Bevölkerung erreicht werden könnte, bei denen die über¬ wiegende Intelligenz und das Capital des Landes ist. Was Concessionen an die Verfechter der Wenzelskrone bedeuten, hat das Ministerium Belcredi erfahren und dies sollte dem Reichskanzler ein warnendes Beispiel sein. Am wahrscheinlichsten und besten bleibt es freilich, daß die Czechen durch eigene Unvernunft und Maßlosigkeit jede Vereinbarung unmöglich machen. Zu sanguinisch scheint uns endlich Herr Beust die Stimmung anzusehen, mit der das Ausland seine Couponsteuer aufgenommen; daß man sich wohl oder übel darin gefunden, ist wahr, aber es ist unnöthig und klingt fast wie Hohn, wenn der Minister eines großen Staates den Gläubigern, die durch diese Maßregel doch offenbar verkürzt werden, zuruft, sie hätten ja von An¬ fang gewußt, daß sie keine englischen Consols oder holländischen Papiere kauften. Auch das Argument, daß der verbleibende Zinsbetrag um so sichrer sei, weil die Couponsteuer nicht erhöht werden dürfe, ist hinfällig; ihre Ein¬ führung hat bereits bewiesen, daß Noth kein Gebot kennt, und sogut wie man jetzt das Versprechen bei Seite gesetzt, welches auf allen Metalliques zu lesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/454>, abgerufen am 05.02.2025.