Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Daß eine Concentration auf die inneren Fragen und eine Parteibildung So ereignißvoll der Septembermonat des Jahres 1868 für die aus¬ Daß eine Concentration auf die inneren Fragen und eine Parteibildung So ereignißvoll der Septembermonat des Jahres 1868 für die aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287314"/> <p xml:id="ID_79"> Daß eine Concentration auf die inneren Fragen und eine Parteibildung<lb/> nach der Stellung zu diesen angesichts einer so schwierigen auswärtigen Lage<lb/> unmöglich ist. hat sich in den letzten Wochen mit besonderer Deutlichkeit ge¬<lb/> zeigt. Wären wir nicht durch eine unglückliche Vergangenheit daran ge¬<lb/> wöhnt, die Frage nach der äußeren Stellung und der Würde unseres Staa¬<lb/> tes regelmäßig außer Augen zu setzen und, sobald es sich um die Durchführung<lb/> unserer speciellen Parteimeinungen handelt, taub und blind dafür zu sein, ob<lb/> der innere Hader unseren Feinden zu Gute kommt oder nicht — wir würden<lb/> es für selbstverständlich halten, daß die innere Entwickelung in. einer Zeit,<lb/> die täglich zu einem auswärtigen Kriege führen kann, alle Augenblicke ins<lb/> Stocken geräth. Kriege werden bekanntlich mit Geld und mit Soldaten ge¬<lb/> führt, für diese zu sorgen ist die erste Pflicht und zwar eine Pflicht, bet<lb/> deren Erfüllung nicht erst gefragt werden kann, ob und wie sie mit anderen<lb/> Pflichten zu vereinigen ist. Preußen hat es nicht verschuldet, daß die euro¬<lb/> päischen Völker sich so vollständig daran gewöhnt hatten, das deutsche Volk<lb/> als unmündiges Kind anzusehen, daß ihnen die gewichtige Stimme, in deren<lb/> Gebrauch wir uns 1866 gesetzt haben, wie eine freche Provocation, die<lb/> deutsche Machtstellung wie eine Anmaßung erscheint. Uns bleibt nichts übrig,<lb/> als des großen Friedrich's Mahnung: „lou^jours en veäette" zum Wahl¬<lb/> spruch zu nehmen, bis wir zu den legitimen großen Nationen gezählt werden<lb/> und unsere Großmachtstellung außer Frage steht.</p><lb/> <p xml:id="ID_80" next="#ID_81"> So ereignißvoll der Septembermonat des Jahres 1868 für die aus¬<lb/> wärtige Politik gewesen, so wenig kommt er für das innere deutsche Leben<lb/> in Betracht. Von den Beziehungen des deutschen Nordens zu den Staaten<lb/> südlich vom Main ist seit dem Schluß des Zollparlaments nicht mehr die<lb/> Rede. Der Pessimismus, mit welchem wir am Ausgang dieser Versamm¬<lb/> lung behaupteten, sie habe bewiesen, daß wir von den stolzen Hoffnungen der<lb/> Jahre 1866 und 1867 so weit zurückgeworfen seien, daß uns selbst der Maß-<lb/> stab sür unsere innere Lage abhanden gekommen sei — er hat leider Recht<lb/> behalten. Die süddeutsche Frage ist von der nationalen Tagesordnung so voll¬<lb/> ständig verschwunden, als hätte sie niemals auf derselben gestanden, die Kluft<lb/> zwischen Norden und Süden ist so breit und so tief geworden, daß Frank¬<lb/> reich, wenn es den Eintritt Badens in den norddeutschen Bund als einen<lb/> CÄLus delli bezeichnet, damit eine Friedensgarantie zu bieten glaubt. Die Ge¬<lb/> danken an eine Annäherung der süddeutschen Länder an den Norden sind so<lb/> vollständig außer Curs gesetzt, daß selbst die Tagespresse von denselben nicht<lb/> mehr redet, sich kaum die Mühe gibt, die Bedeutung der gegenwärtig lager¬<lb/> ten süddeutschen Militärcommission näherer Erwägung zu unterziehen. Und<lb/> dieses Verhältniß ist wesentlich das Product der inneren Lage und hat zu¬<lb/> nächst noch nichts mit den Schwierigkeiten zu thun, welche Preußen franzö-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0042]
Daß eine Concentration auf die inneren Fragen und eine Parteibildung
nach der Stellung zu diesen angesichts einer so schwierigen auswärtigen Lage
unmöglich ist. hat sich in den letzten Wochen mit besonderer Deutlichkeit ge¬
zeigt. Wären wir nicht durch eine unglückliche Vergangenheit daran ge¬
wöhnt, die Frage nach der äußeren Stellung und der Würde unseres Staa¬
tes regelmäßig außer Augen zu setzen und, sobald es sich um die Durchführung
unserer speciellen Parteimeinungen handelt, taub und blind dafür zu sein, ob
der innere Hader unseren Feinden zu Gute kommt oder nicht — wir würden
es für selbstverständlich halten, daß die innere Entwickelung in. einer Zeit,
die täglich zu einem auswärtigen Kriege führen kann, alle Augenblicke ins
Stocken geräth. Kriege werden bekanntlich mit Geld und mit Soldaten ge¬
führt, für diese zu sorgen ist die erste Pflicht und zwar eine Pflicht, bet
deren Erfüllung nicht erst gefragt werden kann, ob und wie sie mit anderen
Pflichten zu vereinigen ist. Preußen hat es nicht verschuldet, daß die euro¬
päischen Völker sich so vollständig daran gewöhnt hatten, das deutsche Volk
als unmündiges Kind anzusehen, daß ihnen die gewichtige Stimme, in deren
Gebrauch wir uns 1866 gesetzt haben, wie eine freche Provocation, die
deutsche Machtstellung wie eine Anmaßung erscheint. Uns bleibt nichts übrig,
als des großen Friedrich's Mahnung: „lou^jours en veäette" zum Wahl¬
spruch zu nehmen, bis wir zu den legitimen großen Nationen gezählt werden
und unsere Großmachtstellung außer Frage steht.
So ereignißvoll der Septembermonat des Jahres 1868 für die aus¬
wärtige Politik gewesen, so wenig kommt er für das innere deutsche Leben
in Betracht. Von den Beziehungen des deutschen Nordens zu den Staaten
südlich vom Main ist seit dem Schluß des Zollparlaments nicht mehr die
Rede. Der Pessimismus, mit welchem wir am Ausgang dieser Versamm¬
lung behaupteten, sie habe bewiesen, daß wir von den stolzen Hoffnungen der
Jahre 1866 und 1867 so weit zurückgeworfen seien, daß uns selbst der Maß-
stab sür unsere innere Lage abhanden gekommen sei — er hat leider Recht
behalten. Die süddeutsche Frage ist von der nationalen Tagesordnung so voll¬
ständig verschwunden, als hätte sie niemals auf derselben gestanden, die Kluft
zwischen Norden und Süden ist so breit und so tief geworden, daß Frank¬
reich, wenn es den Eintritt Badens in den norddeutschen Bund als einen
CÄLus delli bezeichnet, damit eine Friedensgarantie zu bieten glaubt. Die Ge¬
danken an eine Annäherung der süddeutschen Länder an den Norden sind so
vollständig außer Curs gesetzt, daß selbst die Tagespresse von denselben nicht
mehr redet, sich kaum die Mühe gibt, die Bedeutung der gegenwärtig lager¬
ten süddeutschen Militärcommission näherer Erwägung zu unterziehen. Und
dieses Verhältniß ist wesentlich das Product der inneren Lage und hat zu¬
nächst noch nichts mit den Schwierigkeiten zu thun, welche Preußen franzö-
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