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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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im Voraus in Gleichgewicht zu bringen. Hoffen wir, daß die nächste Reichs¬
tagssession das Geschick des Laster'schen Antrags im preußischen Abgeordne¬
tenhause nicht als Präjudiz ansehen und dem preußischen Staate ebenso wie
den übrigen Staaten helfen werde, ohne auf particularistische Bedenken Rück¬
sicht zu nehmen.

Nächst den Verhandlungen über das Budget haben die Debatten über
einzelne Positionen des Cultusministeriums bis jetzt das Hauptinteresse gewährt.
Als besonders erfreulich muß die Taktik angesehen werden, mit welcher die
liberalen Parteien an dem Grafen Eulenburg dieses Mal vorübergegangen
find, um ihr Hauptgeschütz gegen den Unterrichtsminister zu richten und da
Bresche zu schießen, wo die Bastion der Gegner augenscheinlich am schwächsten
ist. Nichts hat der preußisch - deutschen Sache in den neuen Provinzen so
empfindlichen Schaden gethan, Nichts den particularistischen Umtrieben so
reichliches Aufwasser gegeben, als jenes System ministeriellen Besserwissens und
Vessermachens, das sich in alle Details des Communallebens einmischt und
Schullehreranstellungen in den Rang politischer Parteifragen erhebt. Wie
unermeßlich groß das Capital ist, das die Gegner allein aus der Kreissig'schen
Angelegenheit, der Vertheidigung des Flügge'schen Lesebuchs und dem bres-
lauer Schulstreit geschlagen haben, weiß man in Preußen vielleicht nicht so
genau, wie bei uns im norddeutschen "Auslande". Das Aergerniß wegzu¬
schaffen, das Herr von Muster durch diese Mißgriffe gegeben, sollte das Haupt¬
ziel der liberalen Parteien sein; kein Preis der dafür gezahlt wird, auch
nicht der, gewisse College" des unglücklichen Reorganisators der nassauischen
Schulverhältnisse noch Jahr und Tag zubehalten, ist zu hoch. Klingt es
nicht wie ein Hohn aus all die Decentralisations- und Selbstverwaltungs-
Versprechungen, von denen die officiöse Presse überfließt, wenn der Cultusmini¬
ster seine berliner Gewohnheiten zu Kriterien darüber machen darf, wie bet
der Einrichtung von schlesischen oder hessischen Schulen im Einzelnen verfah¬
ren wird, wenn Monate vergehen müssen, ehe eine große Provincialstadt das
Recht erhält, den. Mann ihrer Wahl als Schuldirector anzustellen und
zu bezahlen! Mag es bei Lichte besehen im Ressort des Grafen Eu¬
lenburg nicht besser zugehen: vor Provocationen der öffentlichen Mei¬
nung, wie sie Herrn von Muster zur Gewohnheit geworden sind,
hat der preußische Minister des Innern sich wenigstens in der Neu¬
zeit gehütet und wirkliche Freunde der Decentralisation werden sogar
uicht leugnen können, daß derselbe sich durch seine Behandlung der Selbst¬
verwaltungsfrage in Hannover und Hessen ein Verdienst erworben hat, das
jedem liberalen Minister zur Ehre gereichen würde. Nicht auf den Inhalt
der neuerdings bestätigten hessischen und hannoverschen Regulative kommt
es bei Beurtheilung derselben an, sondern daraus, daß sie in wirklich auto-


im Voraus in Gleichgewicht zu bringen. Hoffen wir, daß die nächste Reichs¬
tagssession das Geschick des Laster'schen Antrags im preußischen Abgeordne¬
tenhause nicht als Präjudiz ansehen und dem preußischen Staate ebenso wie
den übrigen Staaten helfen werde, ohne auf particularistische Bedenken Rück¬
sicht zu nehmen.

Nächst den Verhandlungen über das Budget haben die Debatten über
einzelne Positionen des Cultusministeriums bis jetzt das Hauptinteresse gewährt.
Als besonders erfreulich muß die Taktik angesehen werden, mit welcher die
liberalen Parteien an dem Grafen Eulenburg dieses Mal vorübergegangen
find, um ihr Hauptgeschütz gegen den Unterrichtsminister zu richten und da
Bresche zu schießen, wo die Bastion der Gegner augenscheinlich am schwächsten
ist. Nichts hat der preußisch - deutschen Sache in den neuen Provinzen so
empfindlichen Schaden gethan, Nichts den particularistischen Umtrieben so
reichliches Aufwasser gegeben, als jenes System ministeriellen Besserwissens und
Vessermachens, das sich in alle Details des Communallebens einmischt und
Schullehreranstellungen in den Rang politischer Parteifragen erhebt. Wie
unermeßlich groß das Capital ist, das die Gegner allein aus der Kreissig'schen
Angelegenheit, der Vertheidigung des Flügge'schen Lesebuchs und dem bres-
lauer Schulstreit geschlagen haben, weiß man in Preußen vielleicht nicht so
genau, wie bei uns im norddeutschen „Auslande". Das Aergerniß wegzu¬
schaffen, das Herr von Muster durch diese Mißgriffe gegeben, sollte das Haupt¬
ziel der liberalen Parteien sein; kein Preis der dafür gezahlt wird, auch
nicht der, gewisse College« des unglücklichen Reorganisators der nassauischen
Schulverhältnisse noch Jahr und Tag zubehalten, ist zu hoch. Klingt es
nicht wie ein Hohn aus all die Decentralisations- und Selbstverwaltungs-
Versprechungen, von denen die officiöse Presse überfließt, wenn der Cultusmini¬
ster seine berliner Gewohnheiten zu Kriterien darüber machen darf, wie bet
der Einrichtung von schlesischen oder hessischen Schulen im Einzelnen verfah¬
ren wird, wenn Monate vergehen müssen, ehe eine große Provincialstadt das
Recht erhält, den. Mann ihrer Wahl als Schuldirector anzustellen und
zu bezahlen! Mag es bei Lichte besehen im Ressort des Grafen Eu¬
lenburg nicht besser zugehen: vor Provocationen der öffentlichen Mei¬
nung, wie sie Herrn von Muster zur Gewohnheit geworden sind,
hat der preußische Minister des Innern sich wenigstens in der Neu¬
zeit gehütet und wirkliche Freunde der Decentralisation werden sogar
uicht leugnen können, daß derselbe sich durch seine Behandlung der Selbst¬
verwaltungsfrage in Hannover und Hessen ein Verdienst erworben hat, das
jedem liberalen Minister zur Ehre gereichen würde. Nicht auf den Inhalt
der neuerdings bestätigten hessischen und hannoverschen Regulative kommt
es bei Beurtheilung derselben an, sondern daraus, daß sie in wirklich auto-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/417>, abgerufen am 11.02.2025.