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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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zuthun, und die Stadt hat diese Gelegenheit auch benutzt. Sie hat dabei
aber gegen die Uebertragung der Zoll- und Handelsgesetzgebung auf die zu
begründende neue Bundesgewalt keine Einwendung erhoben, sich auch an
allen Acten, welche in der Vereinbarung der Bundesverfassung ihren Ab¬
schluß fanden, ohne Widerspruch oder Vorbehalt betheiligt und daher selbst zu
dem Zustandekommen der Bundesverfassung und ihrer einzelnen Bestimmungen
mitgewirkt. Wenn darüber geklagt worden ist, daß die vereinbarte Bundes¬
verfassung zwar den Ständen zur Erklärung vorgelegt, der Stadt Wismar
aber "nicht einmal zur Kenntnißnahme und Abgabe ihres rathsamer Erach-
tens" mitgetheilt worden sei, so wäre doch in der That eine solche Mitthei-
lung ganz zwecklos gewesen, da es sich nach erfolgter Vereinbarung der
Bundesverfassung in den einzelnen Staaten nur um Annahme oder Ableh¬
nung derselben im Ganzen handeln und es der Regierung nicht einfallen
konnte, eine einzelne Stadt um ihren Willen in dieser Beziehung zu befra¬
gen. Eine Vernehmung von Wünschen, nach Anleitung der auf den vorliegen¬
den Fall nicht anwendbaren Vereinbarung vom 19. März 1863 dem Staats¬
ministerium zur Erwägung und eventuellen Vertretung vorgetragen, wäre
in diesem Stadium auch deshalb ganz an unrechter Stelle gewesen, da die
Regierung an die Bundesverfassung, so wie sie vorlag, unbedingt gebunden
war. -- Aus der Geltung der Bundesverfassung für Wismar folgt auch die
Geltung des auf Grund dieser Verfassung abgeschlossenen Zollvereins¬
vertrages. Soweit nach diesem Vertrage die Zollgesetzgebung reicht, hat
sich ihr jede mecklenburgische Stadt zu unterwerfen, auch in denjenigen Punk¬
ten, durch welche frühere vertragsmäßige Rechte derselben aufgehoben werden.
Nur wenn sich nachweisen ließe, daß die mecklenburgischen Ausführungs-
Verordnungen zum Nachtheile von Wismar über die durch den Zollvereins¬
vertrag gezogenen Grenzen hinausgreifen und willkürlich die Rechte der Zoll¬
verwaltung ausdehnen, würde eine Beschwerde begründet sein. Es scheint
ein solcher Vorwurf aber nicht erhoben werden zu können und eine Er¬
füllung des wismarschen Wunsches bezüglich einer Aenderung des Laufes der
Binnenlinie nur nach Aenderung der normirenden Bestimmungen der Zoll¬
vereinsgesetzgebung möglich zu sein.

Gewiß ist die Lage innerhalb des Zollgrenzbezirks für eine Handelsstadt
wie Wismar mit großen Unbequemlichkeiten und Nachtheilen verbunden,
selbst bei milder Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen. Wir sind weit
entfernt, dies zu verkennen, aber wir fürchten, daß die Berufung auf angeb¬
lich gekränkte Sonderrechte Wismars ein wenig geeigneter Weg sei, um
Aenderung herbeizuführen. Nicht außerhalb der Zollvereinsverfassung, son¬
dern nur auf dem Rechtsboden dieser Verfassung stehend wird Wismar die
Mittel aufzusuchen haben, durch welche es eine Modifikation der Zollbinnen-


zuthun, und die Stadt hat diese Gelegenheit auch benutzt. Sie hat dabei
aber gegen die Uebertragung der Zoll- und Handelsgesetzgebung auf die zu
begründende neue Bundesgewalt keine Einwendung erhoben, sich auch an
allen Acten, welche in der Vereinbarung der Bundesverfassung ihren Ab¬
schluß fanden, ohne Widerspruch oder Vorbehalt betheiligt und daher selbst zu
dem Zustandekommen der Bundesverfassung und ihrer einzelnen Bestimmungen
mitgewirkt. Wenn darüber geklagt worden ist, daß die vereinbarte Bundes¬
verfassung zwar den Ständen zur Erklärung vorgelegt, der Stadt Wismar
aber „nicht einmal zur Kenntnißnahme und Abgabe ihres rathsamer Erach-
tens" mitgetheilt worden sei, so wäre doch in der That eine solche Mitthei-
lung ganz zwecklos gewesen, da es sich nach erfolgter Vereinbarung der
Bundesverfassung in den einzelnen Staaten nur um Annahme oder Ableh¬
nung derselben im Ganzen handeln und es der Regierung nicht einfallen
konnte, eine einzelne Stadt um ihren Willen in dieser Beziehung zu befra¬
gen. Eine Vernehmung von Wünschen, nach Anleitung der auf den vorliegen¬
den Fall nicht anwendbaren Vereinbarung vom 19. März 1863 dem Staats¬
ministerium zur Erwägung und eventuellen Vertretung vorgetragen, wäre
in diesem Stadium auch deshalb ganz an unrechter Stelle gewesen, da die
Regierung an die Bundesverfassung, so wie sie vorlag, unbedingt gebunden
war. — Aus der Geltung der Bundesverfassung für Wismar folgt auch die
Geltung des auf Grund dieser Verfassung abgeschlossenen Zollvereins¬
vertrages. Soweit nach diesem Vertrage die Zollgesetzgebung reicht, hat
sich ihr jede mecklenburgische Stadt zu unterwerfen, auch in denjenigen Punk¬
ten, durch welche frühere vertragsmäßige Rechte derselben aufgehoben werden.
Nur wenn sich nachweisen ließe, daß die mecklenburgischen Ausführungs-
Verordnungen zum Nachtheile von Wismar über die durch den Zollvereins¬
vertrag gezogenen Grenzen hinausgreifen und willkürlich die Rechte der Zoll¬
verwaltung ausdehnen, würde eine Beschwerde begründet sein. Es scheint
ein solcher Vorwurf aber nicht erhoben werden zu können und eine Er¬
füllung des wismarschen Wunsches bezüglich einer Aenderung des Laufes der
Binnenlinie nur nach Aenderung der normirenden Bestimmungen der Zoll¬
vereinsgesetzgebung möglich zu sein.

Gewiß ist die Lage innerhalb des Zollgrenzbezirks für eine Handelsstadt
wie Wismar mit großen Unbequemlichkeiten und Nachtheilen verbunden,
selbst bei milder Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen. Wir sind weit
entfernt, dies zu verkennen, aber wir fürchten, daß die Berufung auf angeb¬
lich gekränkte Sonderrechte Wismars ein wenig geeigneter Weg sei, um
Aenderung herbeizuführen. Nicht außerhalb der Zollvereinsverfassung, son¬
dern nur auf dem Rechtsboden dieser Verfassung stehend wird Wismar die
Mittel aufzusuchen haben, durch welche es eine Modifikation der Zollbinnen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/40>, abgerufen am 05.02.2025.