Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band., vermittelten Gegensatz fortwährend eine preußenfeindliche innere Politik 45"
, vermittelten Gegensatz fortwährend eine preußenfeindliche innere Politik 45»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287653"/> <p xml:id="ID_962" prev="#ID_961" next="#ID_963"> , vermittelten Gegensatz fortwährend eine preußenfeindliche innere Politik<lb/> gegenüber. Als verdächtig gilt im Civilstaatsdienst Jeder, bet dem man<lb/> Neigung für Preußen und den Nordbund wittert. Ein eigenthümlicher Vor¬<lb/> fall in dieser Richtung ist jüngsthin Gegenstand der Besprechung in der<lb/> hessischen Presse geworden. Als im Jahr 1866 alle anderen Staaten ihren<lb/> Frieden mit Preußen gemacht hatten, blieb Hessen-Darmstadt allein zurück<lb/> und der Kriegszustand wurde ihm um so empfindlicher, als die aus dem<lb/> übrigen Süddeutschland zurückgezogenen preußischen Truppen in einer<lb/> Stärke von 20—30,000 Mann wie eine Art Execution in die Landestheile<lb/> des rechten Rheinufers gelegt waren, während die, hessische Division in<lb/> Kriegsstärke in Rheinhessen zusammenblieb. Allerlei Gerüchte von dem an¬<lb/> geblichen Starrsinn des Großherzogs, der in seinem Ausenthalt zu Nymphen¬<lb/> burg Nichts von den preußischen Friedensbedingungen hören wolle, von dem<lb/> schädlichen Einfluß Herrn v. Dalwigk's auf die Unterhandlungen circulirten<lb/> und wurden von den aufgeregten Gemüthern aufgegriffen. Natürlich erregten<lb/> dieselben gerade bei den hessisch Gesinnten die größte Bestürzung und so lud<lb/> eine Anzahl sehr loyaler Bürger und Beamten zur Unterzeichnung einer<lb/> Adresse an den Großherzog ein, welche dem Friedensbedürfniß des Landes<lb/> Ausdruck geben sollte. Als die Adresse dann berathen wurde, fiel für die<lb/> meisten der Einlader die Form derselben zu entschieden aus und weigerten<lb/> dieselben sich der Unterzeichnung. Im Herbste dieses Jahres nun wurde<lb/> mehreren der Beamten, von denen jene Einladung ausgegangen war und die<lb/> sich später um erledigte Stellen im Justizfach bewarben, eröffnet, daß alle Die-<lb/> jenigen, die zum Erlaß jener Adresse eingeladen hätten, nicht das Vertrauen<lb/> der Regierung besäßen und sich daher auf Beförderung im Staatsdienst keine<lb/> Hoffnung machen dürften. Vorgänge solcher Art zeigen dem Beamtenstande<lb/> deutlich an, auf welcher Seite die Hoffnung auf Carriere und wo die Aus¬<lb/> sicht auf Zurücksetzung liegt — eine Lehre, die sür die Meisten nicht ver-<lb/> loren geht. — In demselben Geiste wird fortwährend der Regierungseinfluß<lb/> bei den Landtagswahlen ausgeübt. Die mehr als zweideutige Stellung der<lb/> hessischen Negierung bei den Zollparlamentswahlen, wo sie für Ultramontane<lb/> und Demokraten wirkte, sobald festgestellt war, daß diese Preußenfresser seien,<lb/> ist bekannt. Neuerdings wurden zwei Landtagssitze vacant. welche die Re¬<lb/> gierung unbedingt zu vergeben hatte. In dem einen Bezirk ließ sie einen<lb/> jungen Anwalt wählen, der sich durch Zuschautragung seines kurhessischen<lb/> Legitimismus und durch öffentliche Bestreitung der Rechtsgiltigkeit der An¬<lb/> nexionen seine Sporen verdient hatte, in dem anderen Bezirk stellte sie<lb/> ihren Bundestagsgesandter von 1866, einen Bruder und Gesinnungsgenossen<lb/> des wiener Hofraths v. Biegeleben, auf und setzte ihn gegen einen von der<lb/> Gegenpartei aufgestellten Verwaltungsbeamten gemäßigter Gesinnung glück-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 45»</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
, vermittelten Gegensatz fortwährend eine preußenfeindliche innere Politik
gegenüber. Als verdächtig gilt im Civilstaatsdienst Jeder, bet dem man
Neigung für Preußen und den Nordbund wittert. Ein eigenthümlicher Vor¬
fall in dieser Richtung ist jüngsthin Gegenstand der Besprechung in der
hessischen Presse geworden. Als im Jahr 1866 alle anderen Staaten ihren
Frieden mit Preußen gemacht hatten, blieb Hessen-Darmstadt allein zurück
und der Kriegszustand wurde ihm um so empfindlicher, als die aus dem
übrigen Süddeutschland zurückgezogenen preußischen Truppen in einer
Stärke von 20—30,000 Mann wie eine Art Execution in die Landestheile
des rechten Rheinufers gelegt waren, während die, hessische Division in
Kriegsstärke in Rheinhessen zusammenblieb. Allerlei Gerüchte von dem an¬
geblichen Starrsinn des Großherzogs, der in seinem Ausenthalt zu Nymphen¬
burg Nichts von den preußischen Friedensbedingungen hören wolle, von dem
schädlichen Einfluß Herrn v. Dalwigk's auf die Unterhandlungen circulirten
und wurden von den aufgeregten Gemüthern aufgegriffen. Natürlich erregten
dieselben gerade bei den hessisch Gesinnten die größte Bestürzung und so lud
eine Anzahl sehr loyaler Bürger und Beamten zur Unterzeichnung einer
Adresse an den Großherzog ein, welche dem Friedensbedürfniß des Landes
Ausdruck geben sollte. Als die Adresse dann berathen wurde, fiel für die
meisten der Einlader die Form derselben zu entschieden aus und weigerten
dieselben sich der Unterzeichnung. Im Herbste dieses Jahres nun wurde
mehreren der Beamten, von denen jene Einladung ausgegangen war und die
sich später um erledigte Stellen im Justizfach bewarben, eröffnet, daß alle Die-
jenigen, die zum Erlaß jener Adresse eingeladen hätten, nicht das Vertrauen
der Regierung besäßen und sich daher auf Beförderung im Staatsdienst keine
Hoffnung machen dürften. Vorgänge solcher Art zeigen dem Beamtenstande
deutlich an, auf welcher Seite die Hoffnung auf Carriere und wo die Aus¬
sicht auf Zurücksetzung liegt — eine Lehre, die sür die Meisten nicht ver-
loren geht. — In demselben Geiste wird fortwährend der Regierungseinfluß
bei den Landtagswahlen ausgeübt. Die mehr als zweideutige Stellung der
hessischen Negierung bei den Zollparlamentswahlen, wo sie für Ultramontane
und Demokraten wirkte, sobald festgestellt war, daß diese Preußenfresser seien,
ist bekannt. Neuerdings wurden zwei Landtagssitze vacant. welche die Re¬
gierung unbedingt zu vergeben hatte. In dem einen Bezirk ließ sie einen
jungen Anwalt wählen, der sich durch Zuschautragung seines kurhessischen
Legitimismus und durch öffentliche Bestreitung der Rechtsgiltigkeit der An¬
nexionen seine Sporen verdient hatte, in dem anderen Bezirk stellte sie
ihren Bundestagsgesandter von 1866, einen Bruder und Gesinnungsgenossen
des wiener Hofraths v. Biegeleben, auf und setzte ihn gegen einen von der
Gegenpartei aufgestellten Verwaltungsbeamten gemäßigter Gesinnung glück-
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